Ricky Gervais und die Radikale Aufrichtigkeit

Ricky Gervais Reden bei den Golden Globes sind legendär. Anfang Januar fegte er zum fünften Mal wie ein Wirbelwind mit verbalen Spitzen durch die Filmbranche. Pointiert mit einem Timing wie Ginger Baker rasten seine Statements mit wuchtiger Offenheit über die Grenze des Wohlfühlens hinaus. Das Publikum ist das „Who is Who“ von Hollywood. Leonardo Di Caprio, Tom Hanks oder Robert di Niro und auch die neuen Player der Branche, der Chief Content Officer von Netflix Ted Sarandos oder Tim Cook von Apple hoffen, dass ihre Namen nicht aus dem Munde von Ricky Gervais kommen.

Kostprobe?

Jeffrey Epstein, der verurteilte Sexualstraftäter, habe sich nicht umgebracht. Das Publikum der Multimillionäre stöhnt auf und Ricky Gervais legt nach: „Shut up, I know he’s your friend.“

Über die Apple+ Serie „Morning Show“ sagt Gervais: „A superb drama about the importance of dignity and doing the right thing” eine Pause, die Punchline wartet genau richtig „made by a company that runs sweatshops in China”.

Immer wieder betont er fast existentialistisch, es sei doch das letzte Mal, dass er die Golden Globes hoste, deshalb ist es doch eh egal, ich hau heute alles raus, was ich denke. Schonungslos zeigt er die Widersprüche der selbstgerechten Branche auf:
„So you say you’re ‘woke’, but the companies you work for, Apple, Amazon, Disney… If ISIS had a streaming service you wo  uld be calling your agents.”

Um sich schließlich der vorhersehbaren Heuchelei zu verwehren, legt er nach: „So if you do win an award tonight, don’t use it as a political platform to make a political speech. You’re in no position to lecture the public about anything, you know nothing about the real world. Most of you spent less time in school than Greta Thunberg. So, if you win, come up, accept your little award, thank your agent and your God and f— off. OK?”

In dem Podcast Full Disclosure with James O’Brien sagt Ricky Gervais: „The older I get, all I want to do is  be more honest and maybe braver and be realer. That is all I want to do.” Er thematisiert auch den Umgang mit Angriffen über Social Media. Früher hat er solche Angriffe mit Ironie beantwortet oder sich über Tweets lustig gemacht, heute: „I reply in good faith. Being honest is a much stronger response.” 

Offenheit und Ehrlichkeit ist die Superpower, die sich nicht auf eine zweite ironische Ebene einlässt.

Das erinnert mich an eine Komponente des Feedback Konzepts der Radikalen Aufrichtigkeit (Radical Candor) , das ich vor einigen Jahren in einem Workshop aufschnappte. Ehrlichkeit gepaart mit der Fähigkeit der Konfrontation und dem Wunsch, Menschen weiterzubringen als Superpower einer möglichen persönlichen Disruption .

Radikale Aufrichtigkeit ist ganz im Sinne der Psychologischen Sicherheit. Wenn ich weiß, dass meine Kollegen mir gegenüber ehrlich und offen sind, ohne eine versteckte Agenda zu haben oder verletzend sein zu wollen, muss ich bei Feedback nicht zwischen den Zeilen lesen oder Annahmen machen. Klarheit und Ehrlichkeit als Motor des Lernens.

Wenn man einmal reflektiert, sind es ja auch die Feedbacks, die in dem Moment, wenn man sie hört, leicht weh taten und erstmal Orientierungslosigkeit ausgelöst haben, einen weiterbringen. Nicht die Bestätigung des eigenen Selbstbildes ist der Antrieb, sondern das Bizzeln, das der Widerspruch zwischen Selbst- und Fremdbild verursacht.

Nähere Ausführungen zur  Radikalen Aufrichtigkeit  finden Sie bei My-Skills.

Psychologische Sicherheit ist jetzt Teil der New Work Charta

New Work Charta

Psychologische Sicherheit wurde als zenraler Begriff in die New Work Charta aufgenommen. Die Änderung betrifft den zweiten Punkt des ersten Prinzips („Freiheit“). Ich zitiere hier die alte und neue Version zum Vergleich, mit der Begründung der Veröffentlicher der Charta (humanfy Team).

Alte Version

1.2. Schaffen einer Kultur der Angstfreiheit: Wer Neues ausprobiert, macht auch Fehler. Organisationen sollten ihre Führungskräfte dazu anleiten, Fehler bei sich und an-deren zu verzeihen und aus ihnen zu lernen.

Neue Version

1.2. Schaffen einer Kultur des Unperfekten: Wer Neues ausprobiert, macht auch Fehler. Organisationen sollten sich in einer Kultur des Unperfekten üben, definierte Zonen der Fehlertoleranz fördern sowie psychologische Sicherheit statt Angstkultur.

Begründung

Obwohl Angstfreiheit ein wichtiger Bestand von Aufbruch ist, geht das, was wir damit ausdrücken wollen, darüber hinaus: Wir wollten wichtige Stichworte wie eben eine umfassendere „Kultur des Unperfekten“ aufnehmen. Auch Schlüsselphänomene wie die „psychologische Sicherheit“ (zum Beispiel in Teams) oder das Nachdenken über Bereiche, in denen Fehler gemacht werden können, wollten wir hier mit hineinnehmen.

Quelle: Newsletter 01/2020 für Unterzeichner der New Work Charta

Diese und weitere Änderungen finden sich in den fünf Prinzipien von New Work Unternehmen der New Work Charta. Dort kannst du auch online mitzeichnen.

Ich selbst bin bereits Unterzeichner der New Work Charta. Ich finde die Änderungen sehr gut nachvollziehbar und sehe sie als klare Verbesserung der New Work Charta. Insbesondere gefällt mir neben der Aufnahme des Begriffes der psychologischen Sicherheit auch die Aufnahme des Begriffes der „Arbeit, die man wirklich, wirklich will“ von Frithjof Bergmann, der ja bekanntermaßen „New Work“ als soziale Utopie erdacht hat. Auch wenn und gerade weil heute alles Mögliche unter dem Wischiwaschi-Label „New Work“ vekauft wird, ist es wichtig, daran zu erinnern, wo der Begriff eigentlich herkomt und was damit eigentlich gemeint war.

Zum Thema psychologische Sicherheit habe ich kürzlich zwei Beiträge auf diesem Blog veröffentlicht:

Psychologische Sicherheit – Voraussetzung für effektive Teams

Psychologische Sicherheit fördern – Maßnahmen, Methoden, konkrete Tipps

Beitragsbild: Gerald Petersen

Psychologische Sicherheit fördern – Maßnahmen, Methoden, konkrete Tipps

Psychologische Sicherheit fördern

Wie kann man psychologische Sicherheit herstellen? Nun, man kann psychologische Sicherheit nicht herstellen, so wie man ein Produkt herstellt. Man kann psychologische Sicherheit fördern. Man kann Rahmenbedingungen ändern, so dass hemmende Faktoren für psychologische Sicherheit abgebaut werden und fördernde Faktoren für psychologische Sicherheit aufgebaut werden. Hier gibt es konkrete Tipps für die Förderung psychologischer Sicherheit, unter anderem auch einen radikalen Vorschlag, der die Erfahrungswelt der meisten Menschen, die in Organisationen arbeiten, auf den Kopf stellt.

Im Beitrag Psychologische Sicherheit – Voraussetzung für effektive Teams habe ich beschrieben, was Psychologische Sicherheit bedeutet, und inwiefern psychologische Sicherheit die Voraussetzung ist für Agilität, Performance und Lernen. Falls du den Beitrag noch nicht gelesen hast, solltest diesen lesen, bevor du hier weiterliest.

Um deine Neugier nicht zu strapazieren, kommt der „radikale Vorschlag“ gleich am Anfang. Ich unterscheide bei den Zugängen zur Förderung psychologischer Sicherheit unterschiedliche Ansätze, je nachdem, auf welcher Ebene man ansetzt.

Strukturelle Ansätze

Hier also mein versprochener radikaler Vorschlag: Abschaffung der Hierarchie. Klingt radikal, ist radikal.

Mit der Abschaffung der Hierarchie und mit Selbstorganisation wird eine der Wurzeln für psychologische Unsicherheit (Abwesenheit von psychologischer Sicherheit) beseitigt. Die typischen Befürchtungen, die mit einem Abhängigkeitsverhältnis und der Bewertung durch Höhergestellte einher gehen, fallen weg. Natürlich ist höhere psychologische Sicherheit nicht „der“ Grund für die Abschaffung der Hierarchie. Man verspricht sich von Systemen, die konsequent auf Selbstorganisation setzen, weit mehr. Und „Abschaffung der Hierarchie“ bedeutet nicht, dass niemand mehr verantwortlich ist. Aber die Hierarchie dient nur noch der Entsprechung rechtlicher Anforderungen, und hält sich aus der Wertschöpfung heraus (ein gewaltiger Unterschied zum üblichen tayloristischen Organisationsmodell).

Das Problem mit diesem Ansatz: Es braucht einen einflussstarken Visionär an der Spitze des Unternehmens, der die Transformation der Organisation nach dem Prinzip der Selbstorganisation vorantreibt, solange bis es „von alleine“ läuft. Unternehmenslenker, die das tun, sind seltener als Nobelpreis-Gewinner. Aber es gibt sie, und es werden mehr (denke ich). Als Beispiel kann hier Jos de Blok genannt werden, der das Unternehmen Buurtzoorg mit heute ca. 10.000 Mitarbeitern aufgebaut und damit den ambulanten Pflegedienst revolutioniert hat.

Es gibt einige Organisationsmodelle für konsequente Selbstorganisation:

  • Holacracy (Holokratie) ist ein Regelwerk, nach dem das Unternehmen gemeinsam gestaltet wird. Es wird u.a. von Extinction Rebellion, mymuesli und Freitag angewendet.
  • betacodex ist ein Regelwerk mit 12 Prinzipien, das auf Selbstorganisation setzt.

Ich weise nochmal darauf hin, dass psychologische Sicherheit viele Aspekte und Determinanten hat, und strukturelle Ansätze keinesfalls psychologische Sicherheit garantieren. Ein Faktor, der psychologische Sicherheit tendenziell hemmt (die klassische Hierarchie) fällt weg. Viele andere wichtige Determinanten sind davon unberührt. Zum Beispiel gibt es weiterhin ein psychologisches Bedürfnis, mit dem Team übereinzustimmen. Darüber hinaus entwickelt sich in Gruppen immer eine informelle Führung, auch wenn es keine offizielle Führungsposition gibt.

Psychologische Sicherheit ist Voraussetzung für effektive Teams. Selbstorganisation schafft nicht automatisch psychologische Sicherheit.

Personalauswahl und Personalentwicklung

Bleiben wir noch in der Welt der tayloristischen Organisation. Wir haben also eine Hierarchie, wir haben Manager. Was können wir auch innerhalb eines solchen Rahmens tun, um psychologische Sicherheit zu fördern?

No Asshole Rule

Die „No Asshole Rule“ besagt kurz gefasst: Achte darauf, keine Arschlöcher in der Organisation zu haben. So lautet die Grundthese des gleichnamigen Buches von Robert I. Sutton (auf Deutsch: Der Arschloch-Faktor). Die durch Arschlöcher angerichteten menschlichen und wirtschaftlichen Schäden können sehr groß werden. Daher empfehlen sich folgende Ansätze:

  • Arschlöcher müssen bereits in der Personalauswahl identifiziert werden und dürfen nicht eingestellt werden, auch bei fachlicher Eignung.
  • Falls es bereits Arschlöcher in der Organisation gibt, und diese nicht an ihrer persönlichen Weiterentwicklung interessiert sind, bleibt nichts anderes übrig, als sie zu entfernen.
  • Problematische Verhaltensweisen wie Beleidigungen, Drohungen oder Demütigungen sollten angesprochen werden, um den Übeltätern ihr Verhalten zu spiegeln und zu signalisieren, dass so ein Verhalten nicht geduldet wird.

Weiterentwicklung der Führungskräfte

Führungskräfte müssen lernen, psychologische Sicherheit im Team zu beachten und zu fördern. Hierbei denke ich an folgende Verhaltensweisen:

  • Führungskräfte sind Vorbild. Sie gehen voran, was Offenheit betrifft. Sie teilen sich mit und sagen ehrlich, wie es ihnen geht.
  • Führungskräfte teilen auch, was ihnen nicht gelungen ist, wo sie vielleicht einen Fehler gemacht haben, zeigen sich als Mensch verletzlich.
  • Führungskräfte zeigen echtes Interesse an dem, was Teammitglieder bewegt. Sie ermuntern Teammitglieder mit Fragen, sich zu äußern. „Heikle“ Äußerungen der Teammitglieder werden nicht missbilligt, sondern wertgeschätzt.
  • Führungskräfte kommunizieren mit den Teammitgliedern auf Augenhöhe. Begegnungen mit Teammitgliedern sind Begegnungen mit gleichgestellten erwachsenen Menschen.
  • Go to Gemba: Führungskräfte sitzen nicht nur im Eckbüro, sondern gehen dahin, wo die Wertschöpfung stattfindet und sprechen über Abläufe, Probleme und mögliche Lösungen, seien sie auch noch so „klein“.

Ein Beipiel: Edwin Catmull, der frühere Präsident von Pixar und Walt Disney Animation Studios, hat selbst vor seinen Mitarbeitern Fehlentscheidungen zugegeben und seine Mitarbeiter immer wieder ermuntert, Fehler nicht zu scheuen. Fehler seien ein unvermeidbares Ergebnis, wenn man viele neue Dinge anfängt und Risiken eingeht („fail early and fail fast„). Es komme darauf an, aus Fehlern zu lernen.

Ein Problem mit diesem Ansatz: Wenn die Unternehmenskultur solche Verhaltensweisen nicht unterstützt, kann eine einzelne Führungskraft, auch bei gutem Willen, nur wenig ausrichten.

Methoden, die auf Team-Ebene eingesetzt werden können

Unabhängig davon, ob es Manager oder Führungskräfte gibt, kann das Team selbst etwas für mehr psychologische Sicherheit tun. In der Regel gibt es jemand wie einen Scrum-Master, die/der solche Prozesse initiiert (weil mit so einer Funktion meistens ein Vorsprung im Methodenwissen einher geht), aber im Prinzip kann jedes Team selbst diese Dinge umsetzen. Hier einige Ideen und Tipps:

  • Es gibt eine gelebte Feedback-Kultur. Feedback ist ein Lern-Booster und selbstverständlicher Bestandteil agiler Methoden. Eine gelebte Feedback-Kultur ist auch ein starkes Zeichen für psychologische Sicherheit.
  • Alle Teammitglieder beantworten regelmäßig einen Fragebogen zur Effizienz des Teams.
  • Alle Teammitglieder beantworten regelmäßig einen Fragebogen zur psychologischen Sicherheit im Team (ein Beispiel-Item aus dem Project Aristotle Fragebogen: „If you make a mistake on this team, it is often held against you“).
  • Auch ohne Fragebogeneinsatz kann das Thema psychologische Sicherheit thematisiert werden, etwa durch eine schnelle Einschätzung auf einer Skala von 1 bis 5 (1 = 1 sehr unsicher, 5 = sehr sicher). Hier könnte ggf. auch ein Audience Response Tool wie Mentimeter zum Einsatz kommen, wenn die Einschätzung anonym erfolgen soll, (was ja zunächst kein gutes Indiz für psychologische Sicherheit ist, aber vielleicht ist das Vorgehen so niedrigschwellig, dass man realistische Ergebnisse bekommt).
  • Ein Meeting startet mit einer Art Vorstellungsrunde, in der die Teammitglieder unbekannte Seiten von sich offenlegen. Zum Beispiel nennt jedes Mitglied 3-10 Hashtags, die die eigene Person beschreiben. Ähnlich ist die Methode Personal Map, eine Variante der Mind Map. In Mitte steht der eigene Name, drumherum Zweige mit Themenbereichen wie Hobbies oder Familie. Andere können Fragen stellen. Besonders interessant wird es, wenn sich hier Anknüpfungspunkte ergeben für einen weiteren Austausch.
  • „Unabhängig von dem, was wir entdecken werden, glauben wir, dass jede/r ihr/sein Bestes gegeben hat, unter Berücksichtigung der Zeit, der eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen, der zur Verfügung stehenden Mittel und der Situation“. Dieser Satz wurde von Norman L. Kerth formuliert (Project Retrospectives: A Handbook for Team Reviews). Wenn man diesen Satz einer Retro voranstellt, wird es leichter gemacht, sich sicher zu fühlen und offen über die Zusammenarbeit zu sprechen.
  • Wahlweise können einige der Core Protokolle von Jim und Michele McCarthy eingesetzt werden. Die McCarthys haben untersucht, was erfolgreiche Teams besser macht. Um Teams dabei zu unterstützen, besser zu werden, haben sie 11 einfache Protokolle zusammengestellt: Pass (Unpass), Check In, Check Out, Ask For Help, Protocol Check, Intention Check, Decider, Resolution, Perfection Game, Personal Alignment, Investigate. Ein Beispiel: Im Check In sagt jeder Teilnehmer, wie sie/er sich fühlt. Es geht darum, eigene Gefühle offenzulegen, und aufmerksamer gegenüber der Gefühlslage anderer zu werden.
  • Für Gruppenprozesse kommen Liberating Structures zum Einsatz. Liberating Structures sind (aktuell) 33 Mikrostrukturen, die von Keith McCandless und Henri Lipmanowicz zusammengetragen wurden. Es sind Methoden für Teams, um alle Teammitglieder einzubeziehen, bessere Ergebnisse zu erzielen und Vertrauen im Team aufzubauen.
  • Teams treffen sich, wann immer möglich, Face to Face.

Alle genannten Methoden sind dazu geeignet, die psychologische Sicherheit im Team zu fördern, auch wenn zum Teil eigentlich andere Dinge (Arbeitsergebnisse) im Fokus stehen.

Individuelles Verhalten

Und jetzt noch einige Hinweise, was jede(r) einzelne tun kann, unabhängig von strukturellen Maßnahmen oder dem Einsatz bestimmter Methoden oder Tools, um psychologische Sicherheit im Team zu fördern. Auch hier gilt: Diese Verhaltensweisen zahlen auf viele Konten ein – nicht nur, aber eben sehr viel,  auf das Konto psychologische Sicherheit.

  • Miteinander reden, statt übereinander. Das bedeutet auch: Lass das Lästern!
  • Erweise dich als vertrauenswürdig. Halte deine Versprechen und Zusagen ein. Sei ehrlich.
  • Lege Aufmerksamkeit auf Details, bei dir und bei anderen.
  • Tu das, was richtig ist (und nicht das, was einfach ist).
  • Wertschätze Diversität.
  • Höre aufmerksam zu. Zeige Interesse.
  • Zeige Empathie.
  • Äußere offen deine Gedanken, Gefühle, Probleme, Bedenken, Sorgen, oder Bedürfnisse.
  • Gib konstruktiv Feedback (WWW – Wahrnehmung, Wirkung, Wunsch).
  • Sei offen für das Feedback anderer (RASA – Receive, Appreciate, Summarize, Ask).
  • Lerne, das mit einigen der hier genannten Punkte einhergehende unangenehme Gefühl zuzulassen. Es geht dann schneller, die Dinge nicht mehr als unangenehm zu empfinden.

Kurz gesagt: Individuals and Interactions Over Processes and Tools. So lautet der erste Wert des agilen Manifests. Hier sind Soft Skills sehr gefragt und ggf. sollten Teammitglieder an Trainings zur Weiterbildung ihrer Soft Skills teilnehmen. um psychologische Sicherheit fördernde Verhaltensweisen kenenzulernen, auszuprobieren und zu üben.

Welche Ideen hast du noch, um psychologische Sicherheit im Team zu fördern?

Das muss bei Seminaren im virtuellen Raum beachtet werden

3D Lernwelt 2

Die Durchführung von Seminaren im virtuellen Raum hält einige Vorlagen für Witzlein parat. Gerne fragen die Teilnehmer, die die Vollverpflegung von Seminarhotels gewohnt sind, wo denn die Kaffeepause hier in der 3-D Lernumwelt aufgebaut sei oder beklagen scherzhaft nach der Mittagspause, dass das Essen diesmal aber nicht so reichhaltig wie sonst daherkam. Abgesehen von der Möglichkeit diesen Gag abzufeuern, gibt es weitere Unterschiede zwischen 3-D Lernumwelten und Präsenzseminaren, auf die der Seminarleiter zu achten hat.

Jede Lern-Veranstaltung – egal ob sie digital oder in der Kohlenstoffwelt stattfindet – sollte interaktiv sein, sollte die Aufmerksamkeit der Teilnehmer auf die Lerninhalte lenken und bannen, Lernerfahrungen bereitstellen und dem Lernenden Handlungsalternativen für seinen Arbeitsalltag bieten.

Damit das gerade in der virtuellen Welt funktioniert,  helfen folgende Punkte:

Agenda vorstellen und einhalten: Teilnehmer benötigen im virtuellen Raum noch stärker Orientierung und einen Leitfaden. Es hilft, wenn sie wissen, wie das Seminar aufgebaut ist und wann sie was erwartet. Die Einhaltung der Agenda erhöht Relevanz und Glaubwürdigkeit.

Regeln des Umgangs etablieren und einhalten: Sehr hilfreich bei einer Gruppe von ca. 12 Teilnehmern ist die Regel zunächst den eigenen Namen zu sagen, bevor der Redebeitrag beginnt. Bei 3-D Lernumwelten haben Teilnehmer unterschiedliche Ansichten geöffnet, die eine ist gerade auf der Media Wall, der andere stellt gerade die Avataransicht um, so dass die Akustik, wer gerade spricht, hilft. Sind die Regeln verabschiedet, kann bei Bedarf auf die Regeln verwiesen werden. Weitere Regeln können Pünktlichkeit, das Stummschalten bei nicht sprechen oder das Einfordern von Pausen sein.

Gelassenheit bei technischen Hick-Ups demonstrieren: Das muss jedem Teilnehmer klar sein, mit der Technik kann immer etwas passieren. Mal sind die Headsets zu leise, mal fliegt ein Avatar aus dem virtuellen Raum oder jemand kann die Folien auf der Media Wall nicht lesen. Das ist normal und braucht nicht zu Kontrollverlust führen. Bisher haben sich alle technischen Hick-Ups, so dringlich sie auch im Moment wahrgenommen werden, schnell regeln können. Für den Trainer heißt das, cool bleiben und auch den Teilnehmern vermitteln, wenn hier mal was nicht so läuft wie gewünscht, dann ist das kein Problem und lösbar.

Tools einsetzen: 3D-Lernumgebungen wie TriCAT Spaces bieten eine Reihe von Tools, die in den Seminarablauf integriert werden sollten. 

  • Umfragetool, zur Abfrage innerhalb der Gruppe
  • Interaktive Media Walls, zum Präsentieren, Videos schauen oder dem gemeinsamen Arbeiten an Dokumenten
  • 3D Viewer, beispielsweise zur Darstellung von Produkten in einem 3D Modell
  • Skala Coaching, zur Aufstellung der Avatare anhand einer vorgegebenen Skala

Lern-Methoden wechseln: Präsentationen funktionieren im virtuellen Raum weniger gut. Zu viele Knöpfe lassen sich als Teilnehmer drücken, zu viel möchte ausprobiert werden, so dass die Konzentration auf das Gesagte schnell schwindet. Daher sollte eine Präsentation im Schnitt nicht länger als 10 Minuten dauern. Bringen Sie die Teilnehmer ins Tun. Führen Sie Gruppenarbeiten durch, lassen Sie einen Fragebogen ausfüllen oder initiieren Sie eine Aufstellung.

Nie vergessen und nicht vergessen lassen, dass hier echte Menschen miteinander lernen: Hier im virtuellen Raum treffen sich echte Menschen zur Erweiterung ihres Verhaltens-Repertoires und keine Chatbots zum Download neuer Features. Erhöhen Sie das Gefühl für echte Menschen, in dem Sie sich zumindest zu Beginn auf Kamera zeigen („Huhu“). Sprechen Sie die Teilnehmer mit Ihren Namen an und versuchen Sie zu Beginn bei der Einführungsrunde etwas Persönliches über die Teilnehmer herauszufinden.

Wegfall von Mimik und Gestik kompensieren: Auch wenn daran gearbeitet wird, Mimik und Gestik sind noch nicht adäquat im virtuellen Raum abgebildet. Mimik und Gestik erzeugen im Präsenzfall Aufmerksamkeit. Diese Aufmerksamkeit muss nun durch die Stimme erzeugt werden, das heißt variieren Sie Sprechgeschwindigkeit, Lautstärke und Tonlage. Mimik und Gestik geben im Präsenzfall starke beziehungsrelevante Hinweise in der Kommunikation, das heißt im virtuellen Raum bewusst die Teilnehmer mit emotional positiven Worten freundlich ansprechen.

Kommunikation anpassen: Machen Sie das, was Sie als Seminarleiter in Präsenzseminaren machen, diesmal allerdings in doppelter Quantität. Um den roten Faden in Diskussionen zu erzeugen, setzen Sie verstärkt Aktiv Zuhören ein. Um Klarheit bei Aufgabenanweisungen zu erzeugen, nutzen Sie Wort und Schrift. Seien Sie dabei kohärent und prägnant. Wiederholen Sie wichtige Aspekte. Redundanzen sind erlaubt. Fragen Sie nach, was bei den Teilnehmern als Botschaft angekommen ist. Benutzen Sie offene Fragen und seien Sie nicht irritiert, wenn keine spontanen Reaktionen oder Lacher von den Teilnehmern kommen, die Mikrofone können stumm geschaltet sein.

Der ernste Verwandte des „Wo ist der Kaffee-Witz“ zu Beginn ist der in 3-D Lernumwelten schwerer zu erfüllende Wunsch nach dem „Menschen kennenlernen“ und Networking. Bei Präsenzseminaren ist das tatsächlich eine häufig geäußerte Erwartung. Wir werden in Zukunft 20 Minuten der Mittagspause für Networking einräumen, ganz offen und ungezwungen, vielleicht mit der Kamera an, damit man sich beim realen Mittagessen sieht.

Was machen Sie, um Interaktivität und Aufmerksamkeit zu erhöhen und Lernerfolge im virtuellen Raum zu sichern?

Psychologische Sicherheit – Voraussetzung für effektive Teams

Psychologische Sicherheit

Was ist psychologische Sicherheit?

Amy Edmondson definiert „psychologische Sicherheit“ als eine vertrauensvolle Atmosphäre, in der alle Teammitglieder sich offen äußern können, ohne beschämt zu werden, abgewiesen zu werden, oder sonst wie negativ sanktioniert zu werden.

Psychological safety is „a sense of confidence that the team will not embarrass, reject, or punish someone for speaking up“

Amy Edmondson

In einer Atmosphäre der psychologischen Sicherheit ist es möglich, Fragen zu stellen, neugierig zu sein, Fehler zuzugeben, Informationen zu teilen, oder Position gegen einen Vorschlag zu beziehen. Es ist möglich, zu experimentieren und Dinge auszuprobieren. Es wird akzeptiert, dass manche Experimente scheitern können; das wird nicht als Versagen eines Menschen gesehen, sondern als ein Lernfortschritt. Ja, man kann sich sogar verletzlich zeigen. Ohne negative Konsequenzen wie Kritik, Abwertung oder Schlechterstellung befürchten zu müssen. Es gibt eine Vertrauensbasis. Eine Frage kann Austausch und Nachdenken anregen. Ein Fehler kann zum Lernen beitragen und dessen Aufdecken weitere Fehler verhindern helfen. Alle werden gehört.

Bei der psychologischen Sicherheit geht es nicht darum, immer recht nett zueinander zu sein. Das wäre einfach, aber nicht zielführend. Es geht darum, offenes und ehrliches Feedback zu teilen, erlebte interpersonale und intrapersonale Spannungen anzusprechen, zwischenmenschliche Risiken einzugehen, Fehler zuzugeben, um Hilfe zu bitten und voneinander zu lernen. Das kann ziemlich herausfordernd sein.

Was ist psychologische Unsicherheit?

In einer Atmosphäre der psychologischen Unsicherheit (Abwesenheit von psychologischer Sicherheit, Wahrnehmung psychologischer Gefahr) beäugen sich die Teammitglieder ständig kritisch und sehen sich im (internen) Wettbewerb. Eine Frage ist ein Zeichen von Inkompetenz, ein Fehler ist ein Zeichen von Schwäche. Es geht darum, Gesicht zu wahren, die Fassade aufrecht zu erhalten, eigene Fehler zu verbergen, und keinesfalls vor den Kollegen schlecht dazustehen. Es fehlt an Vertrauen unter den Teammitgliedern.

Psychologische Sicherheit ist noch lange nicht der Normalfall, der er sein sollte. Woran liegt das?

  • Es gibt die menschliche Tendenz, vor anderen gut aussehen zu wollen. Das führt zu Anpassung oder Eitelkeiten.
  • In hierarchischen Umgebungen scheint es angebracht und wichtig, mit der Führungskraft übereinzustimmen.
  • Es gibt das Phänomen des „Group Think“ (ich habe hier bereits 3 Beiträge zu diesem Thema geschrieben). Das ist „ein Prozess, bei dem eine Gruppe von an sich kompetenten Personen schlechtere oder realitätsfernere Entscheidungen als möglich trifft, weil jede beteiligte Person ihre eigene Meinung an die erwartete Gruppenmeinung anpasst.“ („Gruppendenken“ in der Wikipedia)
  • Manche Führungskräfte glauben immer noch, mit Angst führen zu können und damit bessere Ergebnisse zu erzielen. Da jeder Mensch danach strebt, Schmerz zu vermeiden, muss man üble Konsequenzen androhen und dann tun die Mitarbeiter, was man verlangt, und das steigert die Leistung, richtig? Diamanten entstehen nur unter großem Druck, richtig?

Zum Punkt 4 halte dieses Beispiel für recht illustrativ: Die „Alec Baldwin-Rede“ im Film Glengarry Glen Ross (übrigens, ich habe tatsächlich selbst erlebt, dass ein damaliger Chef diese Szene vor dem Team gezeigt hat – und es war „motivierend“ gemeint! Kein Witz – es war ein Musterbeispiel für demonstrierte Verachtung):

Führen mit Angst kann unter Umständen sogar funktionieren, nämlich wenn es sich um hochstandardisierte Routine-Arbeit handelt. Allerdings haben wir kaum noch hochstandardisierte Arbeit, denn diese Art Arbeit wird von Maschinen übernommen. Für die Arbeit, die heute unsere Arbeit ist (Wissensarbeit), ist Angst ein Gift. Die neuropsychologische Forschung zeigt, dass Angst Lernen behindert und Zusammenarbeit behindert. Das konnte schon Pavlov 1924 feststellen. Nachdem ihm seine Versuchshunde in der Leningrader Flut fast ertrunken wären, hatten sie arge Schwierigkeiten, neues Verhalten zu lernen. Angst blockiert Lernen.

Eine kurze Geschichte der psychologischen Sicherheit

Der Ausdruck „psychologische Sicherheit“ kommt aus der Forschung über organisationale Transformation in Folge der bahnbrechenden Arbeiten von Kurt Lewin (3-Phasen-Modell, 1947). Edgar Schein und Warren Bennis (1965) zeigten, wie wichtig psychologische Sicherheit in einer Transformation ist. Die psychologische Sicherheit wird als Faktor gesehen, der stark beeinflusst, inwieweit Menschen bereit sind, Neues zu lernen. Schein schrieb später, dass psychologische Sicherheit es ermöglicht, gemeinsame Ziele zu verfolgen, ohne ständig mit dem Selbstschutz beschäftigt zu sein.

William Kahn (1990) führte den Begriff „psychologische Sicherheit“ in einen weiteren Zusammenhang des organisationalen Verhaltens (nicht nur der Transformation). Er erkannte, wie die psychologische Sicherheit bestimmt, ob Menschen engagiert sind oder eben nicht. Hier zeigt sich ein Zusammenhang zum Engagement Index, der uns regelmäßig damit konfrontiert, dass die Mehrzahl der Menschen in Organisationen nicht engagiert ist.

In der Folge wurden viele Determinanten von psychologischer Sicherheit untersucht, z.B. Persönlichkeitseigenschaften, zwischenmenschliche Beziehungen, Gruppendynamik, Führungsverhalten und organisationale Normen. Hier hat sich besonders Amy Edmondson hervorgetan, die psychologische Sicherheit quantifiziert hat. Edmondson zeigte den Zusammenhang zwischen psychologischer Sicherheit und Lernen im Team (1999). Teams, die psychologische Sicherheit erleben, sind offener im Austausch, auch wenn es darum geht, Fehler zu diskutieren und Informationen oder Hilfe von anderen zu erhalten.

Wer ist Amy Edmondson?

Amy Edmondson lehrt an der Harvard Business School, als Professorin für Führung und Management. Ihre Hauptthemen sind die Geheimnisse erfolgreicher Teams, Lernen in Organisationen und psychologische Sicherheit.

Im September 2019 wird sie vom HR Magazine als einflussreichste Denkerin im Bereich HR ausgezeichnet. Und im November 2019 wird sie von Thinkers50 zu den Top 3 der einflussreichsten Management Denker gezählt (Thinkers50 Ranking of Management Thinkers).

Ihr aktuelles Buch zum Thema psychologische Sicherheit:

The Fearless Organization: Creating Psychological Safety in the Workplace for Learning, Innovation, and Growth

Die angstfreie Organisation: Wie Sie psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz für mehr Entwicklung, Lernen und Innovationen schaffen

Amy Edmondson wurde bekannt durch ihre Krankenhaus-Studie („Psychological Safety and Learning Behavior in Work Teams”, 1999). Zu ihrer großen Überraschung stellte sie damals fest, dass die besten Teams mehr Fehler machten als die schlechteren Teams. Wie kann das sein?

Des Rätsels Lösung: Die besten Teams machten in Wirklichkeit nicht mehr Fehler, sondern weniger. Jedoch die Offenheit und die Bereitschaft, Fehler zu berichten, war höher. Das war der Startpunkt ihrer Forschung über psychologische Sicherheit.

Für Edmondson ist psychologische Sicherheit eine Eigenschaft des Teams (nicht der Organisation, nicht des Individuums). Edmondson konnte feststellen, dass psychologische Sicherheit in unterschiedlichen Teams auch derselben Organisation extrem unterschiedlich sein kann. Eine Schlüsselrolle spielen dabei die Führungskräfte. Manche Führungskräfte schaffen es, Rahmenbedingungen für psychologische Sicherheit zu schaffen, andere nicht.

Warum ist psychologische Sicherheit so ein wichtiges Thema?

Es liegt auf der Hand: Psychologische Sicherheit ist Voraussetzung für den Erfolg von Teams. Und wenn man sich eine Organisation als ein Konglomerat von Teams vorstellt, ist psychologische Sicherheit eine Voraussetzung für erfolgreiche Organisationen. Psychologische Sicherheit ist ein Wettbewerbsvorteil und wird in der heutigen Wirtschaftswelt immer wichtiger.

Es gibt einen gut belegten und stabilen Zusammenhang zwischen psychologischer Sicherheit und Lernen und zwischen psychologischer Sicherheit und Leistung.

Ein beeindruckender Beweis für die Macht der psychologischen Sicherheit war das „Project Aristotle“ von Google (2016). Ziel dieser Studie war es, herauszufinden, was Hochleistungs-Teams von anderen Teams unterscheidet. Es wurden dafür alle möglichen Variablen untersucht, die einen Effekt auf die Leistung des Teams haben könnten (Zusammensetzung des Teams, Größe des Teams, räumliche Nähe, Schulbildung der Teammitglieder, usw.). Keine der genannten Variablen hatte einen besonderen Vorhersagewert. Bis man psychologische Sicherheit mit einbezog. Psychologische Sicherheit war tatsächlich der Prädiktor mit der höchsten Vorhersagekraft für die Team-Performance. „Project Aristotle“ machte das Konzept psychologische Sicherheit weltweit bekannt.

Zusammenfassung: Es gibt einen gut belegten und stabilen Zusammenhang zwischen psychologischer Sicherheit und Lernen und zwischen psychologischer Sicherheit und Leistung.

Warum wird das Konzept der psychologischen Sicherheit erst in jüngster Zeit populär?

Wie ich gezeigt habe, gibt es das Konzept der psychologischen Sicherheit schon lange und es ist sehr wichtig für den Erfolg von Teams und Organisationen. Warum wird es erst jetzt bekannt und populär? Ich sehe da folgende Gründe. Schreib doch mal im Kommentar, wie du die Sache siehst.

  • Es muss weh tun. Die Unternehmen müssen erst spüren, dass sie durch mangelnde psychologische Sicherheit ihre Attraktivität als Arbeitgeber, gute Mitarbeiter, Engagement und ganz viel Geld verlieren. Diese Erkenntnis muss erst richtig schmerzhaft sein, damit ein Kulturwandel angegangen wird und die Art der Zusammenarbeit geändert wird.
  • Führungskräfte müssten aufhören, die „Bestimmer“ zu sein und Macht abgeben an das Team. Eine Änderung der Verhältnisse würde ein neues Führungsverständnis erfordern. Wer sich durch seine Macht definiert, hängt daran fest, solange es geht.
  • Es gibt einen gesellschaftlichen Kulturwandel. Die Generation Y und Z findet oft nichts dabei, sich gegen „Chefs“ oder Repräsentanten der Hierarchie zu stellen (man muss sich nur mal ansehen, wie Luisa Neubauer in einer Talkshow auftritt).
  • Graswurzel-Bewegungen wirken von unten. Mitarbeiter suchen sich Teams, in denen psychologische Sicherheit gegeben ist. Sie gehen in Working Out Loud Circles, in denen sie außerhalb der täglichen Arbeit hierarchiefrei Netzwerkkompetenz erwerben und lernen.
  • Mitarbeiter arbeiten zunehmend mit agilen Methoden wie Scrum und Kanban. Psychologische Sicherheit ist ein wesentlicher Teil des agilen Mindsets.
  • Die Bewegung braucht eine Gallionsfigur oder einen Bestseller, oder Awards (wie im Falle Amy Edmondson), und/oder ein erfolgreiches und bekanntes Unternehmen, am besten aus dem Silicon Valley (wie Google), das als Vorreiter und Vorbild dient.

Für die relativ späte Entdeckung der psychologischen Sicherheit in der Wirtschaft spielt es vielleicht auch eine Rolle, dass nicht jede Idee, die geäußert wird, gut ist. Und nicht jede Kritik, die geäußert wird, gerechtfertigt ist. Aber es ist immens wichtig, dass diese Dinge zum kreativen Prozess dazugehören. Wenn man sich erst äußern darf, wenn man den „Beweis“ in Händen hält, dann stirbt die Kreativität. Es gibt diesen lustigen Satz, der in etwa (ich bitte um Mithilfe beim Finden des Original-Zitats) lautet „Wir erfinden erst etwas, wenn es die anderen bereits verkaufen“. Gemeint ist: Wir setzen in Deutschland so sehr auf Sicherheit, dass die Verrückten in Kalifornien währenddessen schon die nächste Disruption am Start haben. Eine Idee, eine Frage, oder eine Kritik kann der Anstoß sein für das nächste große Ding!

Wegbereiter für die Realisierung psychologischer Sicherheit waren neue Führungsphilosophien und neue Methoden wie Total Quality Management (TQM) und das Toyota Production System (TPS). Zunehmend konnten Mitarbeiter selbst Probleme analysieren und beheben, Kundenorientierung steigern, und Arbeitsprozesse selbst gestalten. Heute sind diese Ansätze weiterentwickelt und längst aus der Produktion in andere Bereiche gelangt. Die Software-Entwicklung hat Scrum und agile Methoden erfolgreich eingesetzt und auch diese Ansätze finden Verbreitung in anderen Bereichen.

Psychologische Sicherheit und Agilität

Agile Methoden wie Scrum funktionieren nur mit psychologischer Sicherheit. Psychologische Sicherheit ist Voraussetzung dafür, dass die Teammitglieder sich offen austauschen, den Aufgaben-Status kommunizieren, Feedback teilen, Sorgen teilen, Ideen und gesehene Chance teilen, Fehler ansprechen, und daraus lernen. Das ist nicht nur wichtig für das Projekt, sondern auch für das Lernen und Wachsen der Teammitglieder.

Ohne psychologische Sicherheit keine Agilität!

Das funktioniert am besten in einer Wechselwirkung: Psychologische Sicherheit ist Voraussetzung für agile Methoden. Gleichzeitig kann das Praktizieren von Scrum und Kanban die psychologische Sicherheit weiter erhöhen. Die agilen Werte und Prinzipien wie die Wertschätzung der Face-to-Face-Kommunikation, gegenseitiger Respekt, die Verantwortung als Team, die Transparenz, der interdisziplinäre Ansatz, und die klaren Rollen losgelöst von der Hierarchie unterstützen psychologische Sicherheit. Ebenso die agilen Methoden wie das inkrementelle Vorgehen, die regelmäßigen Meetings, Retrospektiven. Ohne psychologische Sicherheit keine Agilität!

Wie kann man psychologische Sicherheit herstellen? Ich habe dazu einen  gesonderten Beitrag geschrieben: Psychologische Sicherheit fördern – Maßnahmen, Methoden, konkrete Tipps. Freu dich auf viele konkrete Ideen, und einen radikalen Vorschlag!

Beitragsbild: deagreez (Adobe Stock)

Meetings und Seminare in der 3D Lernwelt Spaces (TriCAT) – ein Interview mit Hanna Korn

3D Lernwelt 1

Theresia Tauber, Gerald Petersen und ich haben das Präsenz-Seminar DIGICOM in die 3D-Lernwelt Spaces überführt. Im Seminar geht es um die exzellente Kommunikation via digitaler Medien, wie beispielsweise Enterprise Social Media oder Web-Konferenzen. Wir hatten die Möglichkeit mit Hanna Korn, virtuelle Trainerin und Projektmanagerin bei TriCAT GmbH und ihrerseits Expertin der Plattform Spaces, zu sprechen.

Welche Vorteile sehen Sie in der Durchführung von Seminaren in 3D Lernwelten?

Zunächst einmal stehen in den 3D Lernwelten viel mehr mediale Möglichkeiten als in einem Standard Präsenz-Meeting zur Verfügung. Mit einem Klick können die Teilnehmer gemeinsam oder einzeln auf, in beliebiger Anzahl verfügbare, interaktive beschreibbare Medienwände oder Whiteboards zugreifen. Außerdem beinhalten die von TriCAT ausgearbeiteten Szenarien mehrere virtuell begehbare Räume. In einem Präsenz Meeting steht meistens nur ein Raum zur Verfügung. Wenn es zum Thema passt, können 3D Daten von allen gleichzeitig betrachtet und auch bearbeitet und hochgeladen werden. Und das sogar in „Überlebensgröße“. Mit dem Editor können aber auch virtuelle Messestände oder Themenbereiche gebaut werden, die im Präsenz-Setting so gar nicht darstellbar sind. Darüber hinaus lässt sich vieles automatisch protokollieren.

Was ist bei der Durchführung von Meetings und Seminaren mit Spaces zu beachten?

Um ein Meeting oder ein Seminar mit maximalem Output zu erzielen, müssen die Teilnehmer aktiviert werden. Das heißt, der Trainer bzw. Moderator soll keine klassische Frontbeschallung mit einer PowerPoint Folie nach der anderen abliefern, sondern die Teilnehmer regelmäßig und gezielt ansprechen. So kann keine „Leanback-Mentalität“ entstehen.

Gute Trainer beherrschen die Methoden-Vielfalt, die Spaces bietet und setzen diese geschickt ein. Eine schnellerstellte Umfrage und eine aufschlussreiche Aufstellung der Avatare auf dem Media Floor bringen nicht nur Abwechslung, sondern auch Erkenntnisse. Mit dem Editor lassen sich 3D-Lerninhalte kreieren.

Zu beachten ist, dass die technischen Mindestvoraussetzungen erfüllt sein müssen. Dies ist allerdings leicht. Ein Standard-Rechner bzw. Laptop, ein Headset mit Mikrofon und optional eine Computermaus reichen zur Teilnahme aus.

Der Faktor Zeit sollte eingeplant werden. Je nach Vorbereitung des Trainers kann die Dauer eines Meetings oder Seminars bis zu 20 % mehr Zeit in Ansprung nehmen und nach 4 Stunden sollte eine ausgiebige Pause stattfinden.

Was sind typische Einsatzgebiete von Spaces?

Wir arbeiten abhängig von den Lernzielen. Immer wenn sich Menschen über Distanzen hinweg, virtuell in einer präsenznahen Umgebung treffen und zusammenarbeiten möchten, ist das eine klassische Anwendung für den Einsatz von TriCAT Spaces. Das Programm ist in der on-demand-Mietversion für jeden sofort verfügbar und kann für kollaboratives Arbeiten, wie z.B. Workshops mit unterschiedlichsten Themen, sowie für das Training von Software- und Sprachtrainings aber auch für Change- und Compliance-Themen, Recruitment, Onboarding, Assessment, Führungsfeedbacks und interkulturelle Training eingesetzt werden. Co-Creation und Kreativprozesse sowie Coachings sind ebenfalls leicht realisierbar.

In Kundenprojekten haben wir für große Automobilunternehmen komplette Trainingsgebäude nachgebaut, die auch in der Realität existieren. Die Nutzer können die Gebäude mit ihren Avataren frei begehen und darin Trainings und Schulungen durchführen, aber auch Handlungsabläufe an virtualisierten Autos und Motoren trainieren.

Welche konkreten Beispiele können Sie nennen, bei denen Sie Spaces erfolgreich umgesetzt haben?

Ein extrem spannendes und mit vielen Preisen ausgezeichnetes Projekt war die Entwicklung einer Avatar-basierten und KI-gestützten virtuellen 3D Simulationsumgebung für die Schweizerischen Bundesbahnen. Wir haben den Schweizer Gotthard-Basistunnel komplett nachgebaut. Er ist mit seinen 57 Kilometern der längste Eisenbahntunnel der Welt. In der Simulation stehen die gesamte Tunnellandschaft, sowie alle im Tunnelbetrieb eingesetzten Züge zum Training zur Verfügung. Zielgruppe sind Beschäftigte der Schweizerischen Bundesbahnen. Der Anwendungsbereich reicht vom Erlernen von Streckenkenntnis über Strategien zum Notfallmanagement, etwa bei einem Brand, bis zur simulierten Massenevakuierung ganzer Züge. Ein komplexer Szenario- und Ablaufeditor ermöglicht es den Trainern der SBB, beliebige Trainingsszenarien zu entwickeln, ohne dafür Programmierkenntnisse zu benötigen.

Für die WBS TRAINING AG, einem führenden Anbieter für Aus- und Weiterbildung, haben wir den WBS LearnSpace 3D gebaut. Die Teilnehmer erleben das Erlernte in virtuellen aber realistischen Umgebungen, Räumen und Firmen. Sie können auf allen Ebenen untereinander – also mit Kollegen und Trainern – interagieren und kommunizieren. Der WBS LearnSpace 3D ermöglicht dadurch eine ideale Vorbereitung auf die reale Arbeitswelt durch die Einbindung der sozialen Komponenten im realistisch nachgebildeten Arbeitsumfeld. Es können Arbeitserfahrungen gesammelt werden. Außerdem werden exploratives Lernen und ein idealer Wissenstransfer gefördert. Auch dieses Projekt wurde mehrfach mit Awards ausgezeichnet.

Das Umfeld ist spannend und dynamisch. Wie sieht da der Ausblick in die Zukunft aus?

Wir verstehen uns als Innovationstreiber und sind in einem breiten Netzwerk von Partnern aus Wissenschaft und Industrie organisiert. Wir nehmen an anwendungsorientierten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben teil und entwickeln neueste Technologiethemen im eigenen Haus. Dazu gehört zum Beispiel das Thema „Virtual Services“ im Maschinen- und Anlagenbau. Oder die Implementierung von empathischen, KI-basierten Agenten, die soziale Signale der realen Teilnehmer interpretieren und entsprechend darauf reagieren können. Der Einsatz hierfür ist z.B. in Bewerbungstrainings.

Multi-User VR-Umgebungen mit der Nutzung von VR Brillen sind Anwendungen, die deutlich zunehmen werden. Ein Simulationstraining für medizinisches Personal in einer hoch-immersiven Multi-User VR-Umgebung, haben wir mit dem Programm i:medtasim entwickelt. In dieser Anwendung kann medizinisches Training an realitätsnahen virtuellen Patienten, losgelöst von räumlichen Gegebenheiten und Limitierungen, einzeln oder im Team trainiert werden.

Insgesamt können wir sagen, dass der Einsatz von KI in virtuellen Welten deutlich zunehmen wird. Vor allem in den Bereichen Mustererkennung und -verarbeitung und im Bereich der Sprachverarbeitung, wie etwa die Übersetzung des aktuell Gesprochenen in Echtzeit. Auch im Bereich Gestik- und Mimik Erkennung wird sehr bald die Mimik vom Gesicht des Users direkt auf den Avatar übertragbar sein.

Vielen Dank, Frau Korn, für die vielen Impulse und den Ausblick auf die Innovationen von TriCAT.

Personalentwicklung ist Führungsaufgabe! Interview mit Ralf Schmidt, Leiter der Personalentwicklung RHEINPFALZ

PEFA ist eine von den Abkürzungen, die gerne im L&D Umfeld für Seminare und Maßnahmen verwendet werden. PEFA steht für Personalentwicklung als Führungsaufgabe. Wir haben bereits letzte Woche darüber geschrieben.

Heute unterhalten wir uns mit Ralf Schmidt, Leiter der Personalentwicklung bei der RHEINPFALZ, der das Thema PEFA in seinem Unternehmen aktiv vorangetrieben hat. Ralf Schmidt leitet die Personalentwicklung seit über drei Jahren und betreut mit seinem Referententeam unternehmensweit Fach und Führungskräfte aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen. Dabei strebt er das Ziel an alle Mitarbeitenden bedarfsgerecht und zukunftsorientiert zu entwickeln.

Welche Ziele haben Sie mit dem Seminar PEFA verfolgt?

Mit PEFA haben wir drei Ziele verfolgt: Einmal sollten unsere Führungskräfte das eigene Führungsverhalten reflektieren und fokussieren. Zweitens diente es dazu, ihr eigenes Team besser zu machen und damit das Potential des Teams zu bergen. Außerdem sollten sie ihr eigenes Mindset weiterentwickeln: Personalentwicklung ist ein strategischer Erfolgsfaktor und damit eine originäre Führungsaufgabe.

Was meinen Sie damit, Personalentwicklung ist eine originäre Führungsaufgabe?

Die Abteilung Personalentwicklung ist da, um zu beraten, Entwicklungspläne aufzustellen und zu unterstützen. Aber am Ende des Tages sind wir nicht für das Ergebnis verantwortlich. Letztlich entscheidet über das Gelingen die Art und Weise der Personalführung und des Führungsverständnisses der verantwortlichen Führungskraft. Daher ist Personalentwicklung auch Führungsaufgabe! Es kommt entscheidend auf das Verständnis der Führungskraft an, ihre Leute besser zu machen und die Rolle des Coaches und Unterstützers anzunehmen, damit die Personalentwicklung funktioniert. Das spiegelt sich dann auch im Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter wider. Welche Sprache finden die beiden, um über Weiterentwicklung zu reden? Welche Möglichkeiten und Themen bieten sich einer Führungskraft, gute Mitarbeiter zu halten? Wie wird eine Personalentwicklungs-Maßnahme in den Arbeitsalltag eingebettet? Das sind entscheidende Fragen, die die Führungskraft aktiv beantworten muss.

Wie würden Sie einer Führungskraft, die zu Ihnen kommt, PEFA beschreiben?

PEFA ist ein 2-tägiges Seminar mit Blended-Learning-Elementen, in dem die Führungskraft befähigt wird, eine Win-Win Situation mit ihren Mitarbeitern zu kreieren. Idealerweise sind die Aufgaben für die eigene Abteilung nach dem Seminar zukunftsgerichtet und damit jobsichernd. Das erhöht dann einerseits die intrinsische Motivation des Teams und andererseits ist das Team für die Zukunft der Abteilung gewappnet.

Im Seminar wird die Führungsaufgabe Personalentwicklung anhand eines 4-stufigen Prozesses dargestellt: System, Potenziale, Maßnahmen sowie Transfer und Evaluation. Unterstützt wird die Führungskraft von Tools und Trainingseinheiten für das zielfördernde Verhalten in jeder dieser Stufen. Die Verankerung des Seminars wird also durch die Vermittlung des Zusammenspiels von Prozess, Tools und Verhalten hochwahrscheinlich.

PEFA ist der Grundbaustein für eine breit aufgestellte Führungskräfte-Entwicklung und das unabhängig von anderen Veränderungen. Alles weitere ist nachgelagert auch agile Führung und Digitalisierung.

Was sind darüber hinaus Faktoren, die den Transfer von PEFA begünstigen?

Ein klarer Wille des Unternehmens zu Personalentwicklung sowie ein klar kommuniziertes Bekenntnis. Heterogenität in den PEFA-Gruppen fördert diese Denkhaltung. So werden Austausch und Perspektivwechsel angeregt und die Konzepte kritisch hinterfragt.

Eine klare Lernzielverfolgung ist wichtig. Das, was wir hier machen, hat kulturelle Relevanz. Im Seminar eigenen sich die Teilnehmer Tools und Verhaltensweisen für das Rückkehrgespräch an, das stattfindet, wenn der Mitarbeiter von einer Weiterbildungsmaßnahme zurückkehrt.

Insgesamt war im ersten Jahr nach der Impementierung von PEFA ein starker Austausch zwischen uns – dem L&D – und den Führungskräften wichtig. Damit konnten wir das neue Mindset vertiefen.

Welche Herausforderungen sehen Sie als L&D-Experte in der Zukunft für die Personalentwicklung?

Ich glaube, in Zukunft wird es nicht mehr reichen, Personal in einem starren Entwicklungsrahmen zu entwickeln. Wir müssen in Betracht ziehen, auf welche Art die Person am besten lernt, in welcher Lebenswirklichkeit sie sich befindet und wie sich bei ihr die Lerninhalte optimal einschleifen lassen. Die Lebenswirklichkeit des Lernenden ist für mich einer der Hebel des Lernens, der noch nicht gehoben ist.
Personal maßgeschneidert und bezahlbar zu entwickeln, ist die Herausforderung. Dabei müssen wir noch mehr verstehen, was z. B. im Lernen sinnvoll digitalisierbar ist und welche Bedeutung das Zwischenmenschliche im Lernprozess innehat.

Vielen Dank, Herr Schmidt, für die spannenden Antworten. Wer mehr über PEFA wissen möchte, der kontaktiert Talk about Learning hier >>>.

Das Richtige lernen und das Gelernte leben. Personalentwicklung als Führungsaufgabe

Fußballtrainer sprechen davon, ihre Spieler jeden Tag ein wenig besser zu machen. Die Logik leuchtet total ein. Der Trainer möchte mit einer guten Mannschaft Erfolg. Dafür trainieren sie hoffentlich das Richtige und setzen es dann am Wochenende richtig um. Das Fußballspiel wurde über die Jahre athletischer, komplexer und schneller. Die Spieler mussten neue Fertigkeiten auf dem Spielfeld entwickeln bis sie polyvalent wurden. Ein Stürmer brauchte in den 70ern das defensive Zweikampfverhalten nicht. Seine Aufgabe war es, vorne zu warten und dann Bumm zu machen. Heute benötigen die Stürmer defensives Zweikampfverhalten und brauchen extreme Ausdauer, da sie permanent die Innenverteidiger anlaufen und auch im Umschaltspiel zum Sprint bereit sein müssen.

Das übertragen auf die Arbeitswelt bedeutet, dass Führungskräfte ihre Teams ebenfalls besser machen müssen entsprechend der neuen Anforderungen des Marktes oder des Kunden. Da die Arbeitswelt allerdings nicht in ein 164-seitiges Regelwerk passt, ja sich sogar die Regeln und das Spielfeld rasant ändern können, ist die Aufgabe ungleich schwerer.

Diese ungleich schwerere Aufgabe für die Führungskraft ist komplex:

  • Welche Aufgabenfelder müssen mein Team und ich in Zukunft meistern?
  • Welche Fähigkeiten werden dafür benötigt?
  • Wer von meinen Leuten bringt das Potential mit?
  • Was ist der Lernbedarf?Wen entwickle ich, wie weiter?
  • Was ist die richtige Lernmaßnahme?
  • Wie wird das in der Maßnahme Gelernte tatsächlich in der Arbeit möglichst ohne Reibungsverlust umgesetzt?
  • Wie kann mein gesamtes Team aus der Maßnahme lernen?
  • In wieweit hat sich die Maßnahme gelohnt?

Die Führungskraft kann diese Fragen glaubhaft beantworten, wenn sie den Willen und die Haltung mitbringt, das Team zu entwickeln und die Personalentwicklung als eine ihrer wesentlichen Aufgaben sieht. Die Führungskraft benötigt Mitarbeiterentwicklungs-Kompetenz.

Dekonstruiert man diese Kompetenz, lassen sich folgende operative Bestandteile und Verhaltensanker festhalten: 

  • Die Führungskraft kann eine zukunftsgerichtete Aufgabenanalyse für ihr Team entwerfen.
  • Die Führungskraft kann den Weiterentwicklungs-Bedarf für das Team benennen und für die L&D Experten beschreiben.
  • Die Führungskraft kann das Potential seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einschätzen und auf Augenhöhe kommunizieren.
  • Die Führungskraft kann für das oder zusammen mit dem Team einen Entwicklungsplan erstellen und findet zusammen mit den L&D Experten die richtigen Maßnahmen.
  • Die Führungskraft motiviert den entsprechenden Mitarbeiter für die richtige Maßnahme und vereinbart diese verbindlich.
  • Die Führungskraft hat genuines Interesse an der Entwicklungsmaßnahme und unterstützt beim Transfer für den Mitarbeiter und dem Teilen des Wissens im Team.
  • Die Führungskraft hat Tools zum Nachhalten und kann diese einsetzen.
  • Die Führungskraft evaluiert die Personalentwicklungs-Maßnahmen im Arbeitsumfeld.

Wir haben zusammen mit einem Kunden aus diesen Überlegungen das Seminar PEFA „Personalentwicklung als Führungsaufgabe“ entwickelt und durchgeführt. Ein Interview hierzu erscheint nächsten Montag bei Talk about Learning.

Beitragsbild: Foto von Canva Studio

Top Tools for Learning 2019: Digitale Tools für das Lernen

Top Tools for Learning 2019

Top Tools for Learning

Die neue Liste der Top Tools for Learning von Jane Hart ist bereits im September erschienen, ich habe sie mir jedoch erst jetzt genauer angesehen. Gefragt wird, welche digitalen Tools in irgendeiner Weise für Lernen verwendet werden. Es gibt keine Vorauswahl, jeder kann jedes Tool angeben. Die Top 200 Tools werden von Jane Hart kategorisiert und auf 3 Listen aufgeteilt (Überschneidungen sind möglich):

  • Top 100 Tools for Personal & Professional Learning (PPL100): Digitale Tools, die einzelne Lerner verwenden, um irgendwelche Dinge zu lernen – bei der Arbeit oder außerhalb der Arbeit.
  • Top 100 Tools for Workplace Learning (WPL100): Digitale Tools, die das Lernen in der Arbeit irgendwie unterstützen können.
  • Top 100 Tools for Education (EDU100): Digitale Tools, die von Lernenden und Lehrenden in Schule und Studium zur Unterstützung des Lernens verwendet werden können.

Für Corporate Learning und L&D ist besonders die WPL-Liste interessant.

Was hat sich geändert im Vergleich zum letzten Jahr (Top Tools for Learning 2018)? Zu den Tools komme ich gleich noch, zunächst einige Bemerkungen zur Methodik und Darstellung der Ergebnisse. Ich hatte im verlinkten Beitrag zu den Top Tools 2018 kritisiert, dass die Tools nur nach dem Kriterium der Beliebtheit und sonst völlig ungeordnet dargestellt werden. Da sind wir dieses Jahr erheblich weiter.

  • Devices (z.B. Smartphones) gehen nicht mehr in die Auswertung ein. Das ist ein guter Schritt.
  • Es gibt jetzt mehr Informationen zur Population der Stimmabgeber. Wir erfahren, dass ca. 2.500 Stimmabgaben ausgewertet wurden, davon 22% aus dem Bereich EDU (daher ist die EDU-Liste nicht so aussagefähig wie die WPL Liste), und immerhin die Angabe, dass die Antworten aus 46 Ländern kommen. Hilfreich wäre hier eine grobe regionale Unterteilung (z.B. nach den Weltwirtschaftsräumen AMER, APAC, EMEA). Ich vermute nämlich, dass der allergrößte Teil der Stimmen aus den USA kommt.
  • Die visuelle Darstellung ist durch den Zeilenaufbau übersichtlicher geworden.
  • Jane Hart setzt die WPL100 Tools in Beziehung zu ihrem 4D-Modell des Lernens (Didactics, Discovery, Discourse and Doing). Das halte ich für einen großen Fortschritt.

Das 4D-Modell des digitalen Lernens

Was ist das 4D-Modell des digitalen Lernens („The 4 D’s of Modern Learning“)? Jane Hart beschreibt damit den Kontext, in dem die Tools (vorwiegend) eingesetzt werden. Sie unterscheidet 4 Kontexte, in denen  die Lerner Tools einsetzen:

  • Didactics: Angeleitetes Lernen, d.h. es gibt Lerner und es gibt Lehrmaterial. Beispiel: Ich möchte lernen, wie man einen Business-Plan macht und belege einen Kursus in einer Online-Akademie.
  • Discovery: Informelles, nicht angeleitetes, exploratives Lernen. Beispiel: Ich möchte lernen, wie man einen Podcast macht, und mache mich selbst auf die Suche nach hilfreichen digitalen Quellen.
  • Discourse: Soziales Lernen, Lernen durch die Interaktion mit anderen. Beispiel: Ich möchte ein Angebot erstellen, und kontaktiere über soziale Netze jemand aus meinem Netzwerk, der viel Erfahrung mit dem Thema hat.
  • Doing: Informelles Lernen während der Arbeit. Dazu braucht es Zeit zur Reflektion. Beispiel: Ich habe in einem Projekt wertvolle Erfahrungen gesammelt, ich analysiere und strukturiere diese Erfahrungen, und teile sie in einem Blogbeitrag.

Innerhalb dieser 4 Kontexte werden die Tools nach ihrem Einsatzbereich geordnet, z.B. „course authoring“ oder „collaboration“. Die meisten Tools finden sich im Bereich Didactics. Es gibt dabei viele Überschneidungen, z.B. die Tools für „presentations and documents“ und „resource creation“ sind sowohl dem Kontext Didactics als auch Doing zugeordnet.

Trends

Nun zu den Tools. Insgesamt hat sich in den oberen Rängen wirklich wenig geändert. Es finden sich die üblichen Verdächtigen: YouTube, Google Search, PowerPoint, Twitter, Linkedin. Unterhalb der Top 10 gibt es durchaus einige bemerkenswerte Veränderungen:

  • Der Trend zu Plattformen mit Online-Kursen hält an. Linkedin Learning hat die Nase vorn und steigt auf, Udemy bleibt fast unverändert, Coursera steigt ab.
  • Bei den soziale Netzen ändert sich im oberen Bereich nichts (Twitter, Linkedin, Facebook), unten verliert Snapchat deutlich.
  • Microsoft Teams steigt weiter auf. Allerdings erwächst eine Konkurrenz in Gestalt des Neuzugangs Workplace by Facebook.
  • Google Tools sind im Kommen (Google Forms, Google Chrome, Google Translate).
  • Das Audience Response Tool Mentimeter hat stark zugelegt, auch das ähnlich gelagerte Plickers.
  • Audio und Video gewinnen gegenüber Text, sowohl was das Konsumieren (Apple Podcasts) betrifft als auch das Herstellen von Inhalten (mit dem Neuzugang Biteable kann man Videos auf der Basis von Templates erstellen).
  • Der Shooting Star des letzten Jahres, Degreed, fällt ab. Obwohl das Tool für lebenslanges Lernen den Trend zum individuellen Kuratieren unterstützt, enttäuscht es wohl die User. Im Auge behalten!
  • Ebenfalls für mich etwas überraschend: GetAbstract macht einen großen Sprung nach oben und überholt Blinkist (beide liefern Zusammenfassungen von Büchern).

Fazit und Vorbehalte

Ja klar, wir wissen es bereits: Das Lernen wird fragmentierter, autonomer und individueller. Ob das immer besser ist, ist keineswegs entschieden.

Ich weise nochmals darauf hin, dass die Liste die Beliebtheit von digitalen Tools widerspiegelt. Über die tatsächliche Eignung der Tools für das Lernen  ist damit noch wenig gesagt.

Immer noch liegt der Schwerpunkt auf dem Wissenserwerb und weniger auf dem Erwerb von Kompetenzen, geschweige denn der Weiterentwicklung von Soft Skills. Das liegt in der Natur der Sache. Digitale Tools eignen sich sehr gut, Wissen zu erwerben und zu teilen, sie eignen sich jedoch nicht, Soft Skills weiter zu entwickeln. Wenn wir hier also über „Lernen“ reden, reden wir über Lernen im Sinne des Wissenserwerbs oder des Aufbaus von Hard Skills.

Beitragsbild: © Jane Hart, mit Einverständnis

Wer hat recht beim digitalen Lernen? Manfred Spitzer vs. Sascha Lobo

Battle

Ein Battle im Themengebiet „Digitales Lernen“. In der einen Ecke der hyperreflektierte, Gedanken sezierende, vor lauter Bewusstsein viel zu langsam redende Sascha Lobo und in der andere Ecke der schnoddrige Hesse mit Humoransätzen der von  Frank-Markus Barwasser verkörperten Figur Pelzig, dabei aber stets um Fakten bemüht. 

Was sind die Positionen und die Argumente der beiden? Fangen wir an mit dem Psychiater Manfred Spitzer, die meisten Punkte sind aus seinem Vortrag vom 9. Oktober 2019 „Genial im Gehirn – wie geht das?“ am Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim entnommen.

Für ihn ist die analoge Schulbildung der wichtigste Weg zu Intelligenz, Aufbau von Gehirnstrukturen und Demenzprophylaxe. 

Kinder aus der Oberschicht haben bei Schulantritt bereits 30 Millionen Wörter mehr gehört als weniger privilegierte Kinder. Das heißt über ihre Synapsen sind ein Vielfaches von Impulsen gegangen, die zu einer Verfestigung der Hirnstruktur beigetragen haben. Je häufiger eine Synapse trainiert wird umso stärker wird die Verbindung. Das kennen wir auch aus dem Firness-Center und dem Trainieren von Muskeln. Bei einer sprachbasierten Wissensvermittlung in der Schule ist selbstredend ein stark sprachlich gebildetes Hirn von enormem Vorteil.

Im Unterschied zu einem herkömmlichen Computer funktionieren Gehirne besser je voller sie bereits mit Wissen und Fertigkeiten sind. Wer bereits drei Musikinstrumente beherrscht, dem fällt es leichter, ein weiteres zu lernen. Wessen Hirn bereits aufgrund von vier Fremdsprachen stabil verdrahtet ist, der lernt die nächste Fremdsprache schneller, als wenn eben diese Wissensstrukturen fehlen. Das liegt daran, dass das Gehirn sowohl Speicher- als auch Informationsverarbeitungseinheit ist und je mehr es Lernfortschritt gibt umso mehr verknüpfte Synapsen weist das Gehirn auf.

Wenn wir jetzt unser Gehirn auslagern und nicht mehr nachdenken, wie hieß noch einmal der Sänger von The Cure oder welche Band hat „Love will tear us apart“ gespielt und wie hieß noch mal der Darsteller von Tony Soprano? Wenn also nicht mehr der Impuls über die Synapse „James Gandolfini“ läuft, sondern über den Google Server in North Carolina, dann verkümmert der Verästelungen unseres Hirns und bilden weniger Halt für neues Wissen.

Das gilt natürlich auch für „körperliche Intelligenz“ und Fertigkeiten. Wie viele Freistöße hat Ronaldo geschossen, damit er zu dem gefürchteten Freistoßschützen wurde. Seine Synapsen im Hirn für Freistoß schießen sind sicherlich monsterdick. Er hat ja auch nicht beim Üben gesagt, ich lasse Google schießen.

Spitzer plädiert für analoges Lernen. So erreichen bei 1,8 Millionen untersuchten MOOCs  gerade einmal 2 (ohne Vorbildung) bis 8 (mit Vorbildung) % einen Abschluss. Die anderen Teilnehmer brechen vorher ab. Die meisten renommierten Universitäten haben ihre MOOCs mittlerweile wieder „in die Tonne gekloppt“ und dabei viel Geld verbrannt.

Die in Holland gegründeten Steve Jobs Schulen mit einer enormen Ausstattung an Technik und Internetzugängen haben alle wieder dicht gemacht.

Eine Studie mit 130.000 Schüler in England untersuchte die Noten nach dem Verbot von Smartphones. Es zeigte sich, dass die Noten um 6,4 % besser wurden, bei den schwächeren Schülern sogar um 14%.

Und nun auf die andere Seite, Sascha Lobo. Hier sind die meisten Punkte seinem Podcast „Lobo – Der Debattencast“ entnommen. Hauptsächlich aus der Folge vom 28. Oktober 2018 „Medienkritik: Das Smartphone ist an allem Schuld“.

Die Position ist, dass das Internet die größte Bildungsmaschine (hier sind noch einmal die Top Tools des Lernens aufgeführt) ist, die wir je gebaut haben. Dabei sollen wir nicht nur auf das Schauen, was negative Konsequenzen hat, sondern viel mehr auch auf die positiven Konsequenzen unserer Auseinandersetzung damit.

Lobo überzeichnet ein Gedankenexperiment aus dem Buch „Everything bad is good for you” (2005) von Steven Johnson. Stellen Sie sich vor, Sie sind in einer Welt in der zuerst das vernetzte Computerspiel und dann der Buchdruck erfunden wurde. Zuerst also versuchen Kinder interaktiv über Länder hinweg online Strategien  zu entwickeln, wie sie Feinde schlagen oder einen Schatz finden und dann Jahre später wird das Buch der neue Hit, das neue TikTok. Man könne die Eltern förmlich hören, wie sie sagen: „Hilfe, mein Kind sitzt alleine im Eck ganz ruhig und liest, ich mache mir Sorgen.“

Ähnlich führt Lobo das Buch „CrazyBusy“ von Edward Hallowell aus dem Jahr 2007 an. Die Arbeitswelt im Großraumbüro gleiche einem Tummelplatz von Kindern, denen man das Ritalin weggenommen hat. Telefon, Slack, Yammer, WhatsApp im Sekundentakt. Es muss sofort darauf reagiert werden. Wie kann man sich auf solche Szenarios am besten vorbereiten? Richtig, durch die vielen Reizüberflutungen, die durch Smartphone und Internet auf die Kids zukommen. Diese sind das Mini-Me der komplexen, vernetzen nicht durchschaubaren echten VUCA Welt.

Wer ein Verzicht des Smartphones in der Schule fordere, verhindere dass Kinder lernen mit den Smartphones umzugehen. Auch der exzessive Umgang damit ist nicht per se schlecht. Gerade  im Extremen lässt sich Erfahrung machen und das Lernen kann entstehen.

Die Erkenntnisse der Neurologie nennt er teilweise Humbug, bei denen Bestseller Autoren ihre Ansichten wissenschaftlich verbrämen und auf die ganze Gesellschaft übertragen wollen, auch wenn die Studien zweifelhaft sind und nur kleine Stichproben aufweisen.

Wer hat nun also recht, wenn es um das digitale Lernen geht? Lobo oder Spitzer? Am Wochenende war ich mit einem guten Freund ein paar Bier trinken. Er ist der Typ engagierter Lehrer, den sich die Politiker gerade gerne reihenweise backen wollen. Er sieht, was ein Großteil der Schüler mit Smartphones macht.  Das Fotografieren der Geschlechtsteile und die Verschickung per WhatsApp (eigentlich erst ab 16 Jahren) eine Spielart, Gewalt und Pornografie eine andere. Die meisten Schüler mit denen er zu tun hat, hätten aktuell keinen konstruktiven Umgang mit den Möglichkeiten, die das Gerät bietet.

Da die Geräte aber in der Welt sind, muss ein Lernen erlernt werden, wie mit ihnen umgegangen wird. Wie die Kinder also das Smartphone nicht zur Verdummung nutzen, sondern konstruktiv. Voller Freude berichtete er von einem 11-jährigen Mädchen, das eigeninitiativ eine Vokabelapp nutze, um besser Englisch zu lernen. Sie sei bereits interessiert und hat eine Art Metalernen verinnerlicht. Unterschiedliche Lernkanäle verstärken die Lerninhalte. Mit den digitalen Möglichkeiten sei es so, was man auch früher zum Fernsehen gesagt hat. Es mache schlaue Menschen schlauer und dumme Menschen dümmer.

Lasst uns schlauer werden und für jeden einen Weg finden.