Führungsfeedbacks in virtuellen 3D Welten – Interview mit Ulrike Gerhart

Ulrike Gerhart
Ulrike Gerhart

Ulrike Gerhart arbeitet als Organisationsberaterin, Prozessbegleiterin und Management-Coach.  Wir kennen und schätzen sie seit der Zeit als Gerald Petersen das Seminar „Leader Moves“  entwickelte.  Ulrike Gerhart war die Projektleiterin auf Kundenseite und für die Implementierung verantwortlich. Inzwischen ist sie seit vielen Jahren freiberuflich tätig und für ihre innovativen Konzepte in der Personal-und Führungskräfteentwicklung bekannt. Auch wenn es um die konkrete Umsetzung dieser Konzepte geht, ist sie stets vorne dabei. Letztes Jahr hat sie in virtuellen 3D-Lernwelten Führungsfeedbacks durchgeführt.

Was sind Führungsfeedbacks?

Führungskräfte erhalten in einem 4-stündigen strukturierten und moderierten Workshop von ihrem Team Feedback. Dabei geht es um konkret wahrgenommenes Führungsverhalten. Die Führungskraft und das Team erarbeiten dann gemeinsam bis zu drei sehr konkrete Punkte zur Verhaltensänderung, die nach dem Workshop sofort in die Umsetzung gehen.

Was sind da typische Ergebnisse?

Es geht hier ausschließlich um Führungsverhalten, welches die Führungskraft beeinflussen und folglich auch verändern kann. Insbesondere das Kommunikationsverhalten der Führungskraft ist hier ein großes Thema. Zum Beispiel „Wie transparent und nachvollziehbar sind Entscheidungen der Führungskraft für das Team?“ Oder „Wie klar werden Arbeitsaufträge vermittelt?“ Wohlgemerkt geht es beim Führungsgespräch aber nicht nur um die Identifizierung von Verbesserungspotenzialen, sondern auch um konstruktives Feedback. Schließlich sollen – wie immer beim Feedback – Stärken gestärkt und Schwächen geschwächt werden.

Also haben wir das Führungsfeedback in den virtuellen Raum verlegt.

Vor welchen Herausforderungen hat das von dir beratene Unternehmen gestanden und was war die Lösung?

Charakteristisch für diesen Workshop ist ein wirklich sehr intensiver Austausch zwischen Team und Führungskraft. Erfahrungsgemäß beteiligen sich nahezu alle TeilnehmerInnen sehr aktiv. Bisher fanden diese Führungsfeedbacks also verständlicherweise  ‚live‘ vor Ort statt. Man kann sich allerdings vorstellen, dass dies ein globales Unternehmen zunehmend vor Probleme stellt. Multinationale Teams mit 10-15 Personen für 4 Stunden „mal eben“ an einem (analogen) Ort zusammenzubringen, ist weder ökonomisch noch ökologisch vertretbar. Also haben wir das Führungsfeedback in den virtuellen Raum verlegt. In einer virtuellen 3D-Lernwelt gibt es Medienwände und Gruppenräume wie im ‚echten‘ Leben.  Jede teilnehmende Person wird in der virtuellen Welt durch einen Avatar repräsentiert. Dieser Avatar wird in Echtzeit von der realen Person gesteuert, spricht via Headset in Echtzeit mit der Stimme der realen Person und interagiert in Echtzeit mit den anderen Avataren, die ja ebenfalls reale Personen repräsentieren. Wir konnten also annehmen, dass sich das Führungsfeedback in der virtuellen 3D Welt sehr gut abbilden und nachbauen lässt.

Was sind deine Erfahrungen?

Ich habe mit ca. 10 Teams Führungsfeedbacks in einer virtuellen 3D Welt durchgeführt. Die jeweilige Gruppengröße lag – wie sonst auch – bei 10-15 Personen. Die Teammitglieder waren physisch in Schweden, Frankreich, England, China, Indien, USA und Deutschland – also multinational, multikulturell und über den Globus verstreut. Was uns sehr überrascht hat, war, dass bei allen Workshops in der virtuellen Welt die Teilnahme und die Interaktion genauso engagiert und intensiv wie bei den Präsenz-Workshops war.

Woran hast du das erkannt?

Wenn ein Avatar – ich sage mal – nicht bewohnt ist, dann steht er leblos in der Gegend herum oder im Weg. Er blockiert eventuell auch Aktionen der anderen Avatare, wenn diese zum Beispiel an einer Pinwand gemeinsam arbeiten. Alle merken es also sehr schnell, wenn die reale Person hinter dem Avatar sich ausklinkt. Und dies ist in der Tat nur sehr selten vorgekommen. Auch die Workshop-Ergebnisse waren mit den Präsenz-Workshops vergleichbar.

Wirklich erstaunlich waren auch die Rückmeldungen der Teilnehmenden: die Zeit – immerhin 4 Stunden – verging für sie ähnlich schnell wie bei einem Präsenz-Workshop und auch die Konzentration blieb bei der Sache. Das ist ein enormer Unterschied zu langen Webkonferenzen. Da wandert die Aufmerksamkeit ja oft sehr schnell zur Bearbeitung von E-Mails.

Was glaubst du, warum im Vergleich zu Webkonferenzen die Aufmerksamkeit in den virtuellen Lernwelten erhöht ist?

Noch ist es etwas Neues und das ist ja oft per se spannend. Dann kommt ein gewisser Gamification-Effekt hinzu, der einfach Spaß macht: Die Avatare können sich coole Outfits zulegen oder ungewöhnliche Frisuren, sie können bewegt werden, manche können sogar fliegen, es gibt viele Features, wie klatschen, zeigen, Medienwände, Abstimmungen. Eigentlich ist immer etwas zu tun.

Ein ganz wichtiger Aspekt ist, dass sich die realen Personen offensichtlich recht schnell mit ihrem jeweiligen Avatar identifizieren. Zu diesem Phänomen wird mittlerweile auch geforscht.

Welche Vorteile siehst du noch beim Einsatz von virtuellen 3D-Lernwelten?

Das hängt natürlich auch vom Funktionsumfang der eingesetzten Software ab. Die von uns genutzte Software hatte einen Plenumssaal, mehrere Gruppenräume, ein Sonnendeck und sogar eine Bar!  Wenn die Teilnehmer sich also vorübergehend in Kleingruppen aufteilen, müssen sie – anders als bei den meisten Webkonferenzen – nicht aus dem Tool raus, sondern sie bewegen ihre Avatare in einen anderen Raum innerhalb der virtuellen 3D Welt. Zwischen den Räumen bestehen Soundbarrieren. So können Kleingruppen ungestört voneinander arbeiten. ModeratorIn und Teilnehmende, bzw. deren Avatare, können sich in der virtuellen 3D Welt frei bewegen, also von einem Raum in den anderen gehen. Es ist wie in der realen Welt. Wenn sich ein Avatar einer Gruppe nähert, hört er zunehmend besser, was in der Gruppe gesprochen wird, bzw. weniger, wenn er sich entfernt. Dies ist ein wichtiges Feature, denn so ist gewährleistet, dass niemand unbemerkt die anderen belauschen kann. Das ist fast besser als in der realen Welt!

Für internationale Teams ist das von unschätzbarem Vorteil.

Wo siehst du die größten Anwendungsbereiche für 3D-Lernwelten?

Im Grunde genommen sind wohl fast alle Workshop-Formate in eine virtuelle 3D Welt transferierbar. Für internationale Teams ist das von unschätzbarem Vorteil. Auch große Konferenzen können in diesem Raum stattfinden – hier wird auch schon sehr viel ausprobiert. Viele Seminar- und Trainingsformate eignen sich ebenfalls, z.B. interaktive Sprachtrainings oder bestimmte Weiterbildungen für Führungskräfte. Natürlich gibt es auf der technischen Seite noch einiges zu verbessern. Die verschiedenen Anbieter solcher Tools bzw. Plattformen sind da ständig am Weiterentwickeln.

Welche Skills benötigt man als Moderator von virtuellen 3D Welten?

Wir ModeratorInnen benötigen zunächst die Skills, die wir auch in Präsenz-Workshops und Seminaren brauchen: Aktivieren, strukturieren, zusammenfassen, Gruppenprozesse steuern etc. Ein Manko in der virtuellen Welt besteht allerdings darin, dass für mich als Moderatorin die Körpersprache und Mimik der teilnehmenden realen Personen nicht erkennbar sind. Und oft sind es ja gerade die nonverbalen Signale, die mir als Moderatorin zeigen, was da unter der Oberfläche arbeitet und eventuell im Gruppenprozess berücksichtigt werden muss. Das bedeutet, dass ich sehr genau hinhören muss: wie ist der Tonfall, wo gibt es Zwischentöne, welche Formulierungen werden verwendet, wer hat schon länger nichts mehr gesagt, wer wird von wem unterbrochen etc. Und ich muss viel mehr Fragen stellen als in einem Präsenz-Workshop, natürlich Fragen nach Verständnis oder Einverständnis, aber  insbesondere auch Fragen nach Eindrücken und Gefühlen.

Wie kann man so etwas lernen?

Eine gewisse Coaching-Kompetenz ist da als Grundlage sehr hilfreich. Ansonsten ist es wie bei allem, was man neu lernt:  Machen und aus den Erfahrungen anwendbares Wissen ableiten.

Vielen Dank, liebe Ulli. Die Entwicklung ist spanend. Schön dass wir die Gelegenheit hatten, mit dir über dein angewandtes Wissen zu sprechen.

Bernhard Schulwitz, der Mann, der beide Welten kennt. Personalentwicklung und Psychotherapie.

Bernhard Schulwitz

Der Diplom Psychologe Bernhard Schulwitz arbeitet seit 25 Jahren als Coach und Personalentwickler und seit fünf Jahren ebenso als Psychotherapeut. Was können die beiden Bereiche voneinander lernen? Das wollen wir wissen und fragen ihn als Menschen, der sich in beiden Welten auskennt.
 
Was kann die Personalentwicklung von einer psychotherapeutischen Klinik lernen?
 
Viel. Die Klinik kann aber auch viel von der Personalentwicklung im Business-Umfeld lernen. Ich denke an Zielorientierung, Besprechungs- und Kommunikationskultur und an Effizienz. Wer da von wem lernen kann, ist die Frage und von den jeweils handelnden Personen abhängig. Grundsätzlich finde ich, dass bewusst eingesetzter Perspektivwechsel und die Bereitschaft zum Modelllernen zur notwendigen Weiterentwicklung sehr gut geeignet sind.

Echter Kontakt zu sich selbst kann nie schaden. Das ist für viele Manager ein Riesenlernfeld.

Welche Methodiken aus der Psychotherapie kann man für Personalentwicklung verwenden?

Grundsätzlich alle. Die komplementäre Beziehungsgestaltung zum Beispiel – natürlich wird die im Management-Bereich nicht so genannt – ist eine der zentralen Coaching-Techniken. Das heißt Wertschätzung für alle erbrachten Lebensleistungen geben und Motivation entfachen, in die dunklen Ecken zu blicken. Damit entsteht Raum für Weiterentwicklung, persönlich und übergreifend. So funktioniert Change, so funktioniert Leben. Andere Beispiele sind zirkuläre Fragen, die sogenannte Wunder-Frage und andere Frage-Techniken. Echter Kontakt zu sich selbst kann nie schaden. Das ist für viele Manager ein Riesenlernfeld. Meine Lieblingsmethode, um ein weiteres Beispiel zu nennen, sind paradoxe Interventionen. Entscheidend sind aber nicht die Methoden.
 
Sondern?

Meiner Erfahrung nach drei Faktoren:
Erstens, die Beziehung zwischen Klient und Coach.
Zweitens, die innere Haltung. Hier sind Schlüsselworte „Neugier“, „Offenheit“ und „Mut“. Personen und Unternehmen sind bereit, sich in der mentalen und praktischen Auseinandersetzung auf Unbekanntes und Unsicheres Terrain zu begeben.
Drittens als wesentliche Voraussetzung hierfür: Vertrauen in sich selbst. Dieses wächst, während diese Entwicklungsprozesse in Gang gesetzt und vollzogen werden.

Wo sind die Unterschiede?

Es gibt fast keine Unterschiede. Das Wording ist natürlich ein anderes. Ich sage bewusst „fast“ weil es meist um andere Themen geht und weil die Ausgangslage eine komplett andere sein kann. Menschen mit bisher unbewältigten traumatischen Erfahrungen arbeiten an anderen Zielen als Menschen, die sich im beruflichen Kontext weiterentwickeln möchten.

Wo sehen Sie sich und Ihre Arbeit?

Ich sehe mich als Mittler, der Menschen darin unterstützt, das zu erreichen, was gewünscht ist.
 
Welche Wünsche werden denn geäußert?

Mehr Effizienz, mehr Verständnis, klarere Ziele, Antworten auf Fragen. Erfolg. Auch hier gibt es eine enge Verbindung zu den 5 psychologischen Grundbedürfnissen: Wert und Selbstwert. Austausch, Zusammenhalt und Kommunikation. Erfolgserlebnisse und Spaß. Autonomie. Und nicht zuletzt Kontinuität.
 
Wie sehen Sie die Zukunft der Personalentwicklung?

Es gibt viele Trends wie zum Beispiel Blended Learning, Training on Demand oder virtuelle Welten. Die Grundprinzipien werden gleichbleiben und sich gleichermaßen verändern. Leben bedeutet Adaption und Veränderung.

Agil braucht Impro! Ein Interview mit Simone Kirsch

Simone spielt seit über 20 Jahren Improvisationstheater und ist eine Improvisationskünstlerin by heart. Ähnlich wie Ihr Vater, der Küchenchef ist und die genialsten Gerichte kreiert, wenn er improvisieren muss, so geht es Simone, wenn es zu Unerwarteten in ihrem beruflichem oder privatem Leben kommt. Als Communication und Collaboration Expertin hat sie in diversen Positionen unter anderem in einem DAX20-Unternehmen erfahren können, wie Menschen agile Methoden implementieren, aber allzu oft am Mindset scheitern. Das möchte sie ändern, und zwar durch Erlebnisse und mit Spaß. So hat sie während ihrer Elternzeit sich in das Thema Applied Improv Science reingefuchst und ihr eigenes Konzept Impro-Effekt entwickelt. Der Impro-Effekt ermöglicht Menschen, besser mit Veränderungen umgehen und diese gestalten zu können, Co-Creation und Kommunikation innerhalb von Teams zu beflügeln und vor allem wieder mit Spaß Chancen zu erkennen und diese furchtlos zu ergreifen.

Zentral in den Workshops ist das undigitalisierbare Erleben. Ohne unmittelbare Erlebnisse gibt es keine Veränderung im Verhalten.

Wie sieht ein typischer Workshop mit dir aus?

Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen kommen in den Raum und es gibt keine Stühle. Das heißt alle sind immer aktiviert. Wir kennen das vom Theater, auch wenn ihr nicht auf der Bühne seid, seid ihr auf der Bühne. Ich will Aktivität, dass der Mensch direkt bei seinen Ressourcen ist und nicht im Stand-By Modus. In der Aktivität kann er die Chancen erkennen und jederzeit einsteigen, eingreifen ins Geschehen und Lösungen finden.

Zentral in den Workshops ist das undigitalisierbare Erleben. Ohne unmittelbare Erlebnisse gibt es keine Veränderung im Verhalten. Wir alle sind intelligente Lebewesen und lesen und lesen. Die Frage ist, wie viele Bücher und Blogbeiträge und Lernvideos haben wir schon über gesundes Leben gelesen und gesehen und wie hat das unser Leben verändert. Da passt das Diätbeispiel aus eurem letzten Interview  ganz gut.

Alles, was ich mache, ist erlebbar und hat einen direkten Businessbezug. Nur so können die Teilnehmer etwas für sich mitnehmen und in der täglichen Arbeit umsetzen. Die Erlebnisse werden stufenweise kreiert und Aha-Effekte erzeugt. Das Tun ist entscheidend und das daraus entstehende Vertrauen, auch unerwarteten Situationen nicht nur meistern, sondern sie aktiv in Richtung der eigenen Ziele gestalten zu können. Dieses Vertrauen wird mit aus dem Impro entlehnten Übungen aufgebaut. Basis hierfür sind unsere Fähigkeiten, Wissen und Erfahrungen, die wir immer wie eine Art Erste-Hilfe-Set bei uns tragen, aber nur selten aktivieren.

Welche Skills lernen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen für ihren Arbeitsalltag?

Wir sind oft im Geschäftsleben konfrontiert mit Problemen und wissen nicht zu agieren. Dann sollten wir unsere Kreativität anschalten und unsere Glaubenssätze beiseiteschieben. In uns sind viele Antworten bereits aus Erfahrungen. Die gilt es ad hoc zu aktivieren. Die Skills, die trainiert werden, sind Anpassungsfähigkeit, spontan auf unerwartet Situationen mit seinen persönlichen Ressourcen reagieren und diese aktiv gestalten zu können, keine Angst vor Fehlern zu haben, Entscheidungen treffen und vor allem Co-Creation and Collaboration.

Warum passt Impro und die dahinterliegenden Fertigkeiten in die heutige Arbeitswelt?

google, Uber, Facebook, alle trainieren mit Prinzipien aus dem Impro. Für die aktuellen Businessaufgaben können wir nie perfekt vorbereitet sein. Wir benötigen ein Vertrauen zu uns selbst. Im Kreativitätsprozess nennt das Tim Brown Creation Confidence. Vergleichbar sehe ich das so im Verhalten. In der vielzitierten VUCA Welt sind wir mit neuen herausfordernden Situationen konfrontiert, auf die wir nicht immer im Schema F reagieren können. Neue Verhaltensweisen müssen sich in uns bahnen und wir müssen lernen zu uns und unseren Lebens-Skills Vertrauen zu haben.

Kannst du dazu ein Beispiel nennen?

Dazu gibt es unzählige. Sie passieren andauernd. Das Leben ist die Bühne. Ein Kunde kommt mit einem neuen Wunsch. Mögliche und stark erlernte und daher schnell gezeigte Verhaltensantworten sind entweder „Nein, geht nicht“ oder „Das muss ich erstmal checken.“ Häufig wird die Möglichkeit verpasst, jetzt schon ein kleines sich inspirierendes Tänzchen mit dem Kunden zu wagen und – ganz im Impro – dem Kunden eine Idee zu geben, die dann im Gespräch wächst: „Ja, ich habe eine Idee. So etwas Ähnliches haben wir schon gemacht. Wir könnten das eventuell für Sie folgendermaßen gestalten…? Wie passt das zu Ihren Vorstellungen?“ Das ist Co-Creation mit dem Kunden.

Oder das typische Beispiel der Gehaltserhöhung. Der Chef lehnt diese ab und sagt, dass die Zahlen, das nicht zulassen. Eine eher deprimierende Antwort ist dann häufig, „Ok, die Zahlen lassen es nicht zu“. Ende des kreativen Kommunikationsprozesses. Eine vom Impro befeuerte Antwort wäre: „Ja, die Zahlen sehe ich auch und was hältst du davon, wenn du mich 2 Stunden pro Woche für Weiterbildung freistellst“ Jetzt kann etwas passieren, dass mit einem „Ja, ok.“ nie entstanden wäre.

Vielen Dank, Simone, das war sehr inspirierend. Spontan habe ich zu dem Interview zwei Assoziationen, die ich ganz im Sinne von Impro rauslasse:

Erstens erinnert mich das an Erobique und seinen TED Vortrag „From Nothing to Something“, speziell, was er zwischen 2:00 bis 4:15 über die drei Optionen bei einem Klaviervorspiel von Kindern sagt.

Zweitens erinnert es mich an ein sehr schönes Bild eines Teilnehmers vorletzter Woche im Seminar. Unsere Kreativität und Weiterentwicklung sind vergleichbar mit einem Raumschiff. Fliegt es stets um den einen Himmelskörper, so bleibt es dort und kennt und lernt eben das, was in seinem Orbit ist. Möchte es da ausbrechen und wie das Raumschiff Enterprise zu neuen Galaxien aufbrechen, braucht es Treibstoff, eine Energie von außen. Unser Treibstoff sind andere Menschen. Kreativität und Weiterentwicklung haben eben auch immer einen starken sozialen Anteil.

everskill – Transfer mit digitalem Coach

Handy in der Hand und gleichzeitig lernen? Das ist, wenn es um zwischenmenschliche Fähigkeiten geht, ein scheinbarer Widerspruch. Wir können über das Handy Informationen recherchieren, Wissen akkumulieren, Informationen austauschen, aber nicht Einflussfähigkeiten oder emotionale Intelligenz lernen. Die Auflösung des Widerspruchs liegt in der Kombination: Ich lerne in der Realität und mache echte Erfahrungen – und eine App unterstützt mich beim Transfer. Ich kann nicht nur auf Inhalte zugreifen, sondern auch eigene Lernziele verfolgen, die Anwendung planen, meinen Erfolg messen, und mich mit anderen Teilnehmern austauschen. Das ist die Idee von everskill: Ein digitaler Coach zum Dabeihaben. everskill („Reinventing Corporate Training“) motiviert Teilnehmer von Soft-Skill-Trainings, die gelernten Fähigkeiten in ihren Arbeitsalltag zu integrieren. Ich spreche mit Dr. Daniel Schmelzer, Managing Director von everskill.

Daniel Schmelzer, everskill
Daniel Schmelzer, everskill

Wir müssen Training wie Sport denken und nicht wie Mathe auf der Schulbank.

Die Idee der Verbindung von Präsenztraining und digitaler Transferunterstützung gefällt mir sehr gut. Was zeichnet im Kern die Lösung everskill aus?

Wir versuchen nicht, das Präsenztraining durch ein digitales Angebot zu ersetzen und das gleiche zu machen, nur digital. Das wäre ja die alte Schulbank. Wir gehen einen komplett neuen Weg im Blended Learning, nämlich: Verbindung von Präsenztraining und App zur Transferunterstützung. Die App ergänzt das Präsenztraining. Wir sagen „hey, du hast gute neue Inhalte bekommen, jetzt ist es wichtig, die zu trainieren“. Wir müssen Training wie Sport denken und nicht wie Mathe auf der Schulbank. Fähigkeiten lernt man nicht durch Theorieinput, sondern wenn man es tut.

Woher kam der Anstoß für die Entwicklung von everskill?

Ich habe in Verhaltenspsychologie über Kommunikationsverhalten promoviert. In der Forschung habe ich mich gefragt – wenn man gutes Kommunikationsverhalten kennt – wie würde man das trainieren? Und das ist nicht so trivial. Wenn man zum Beispiel an ein Präsentationstraining denkt, und jemand sagt „lassen Sie doch die ‚Ähms‘ weg“, dann ist das für viele schwer, die eigene Kommunikation anzupassen. Ich war dann 7 Jahre bei der Boston Consulting Group als Berater und habe auch da oft solche Herausforderungen gesehen. Verhaltensänderungen scheitern nicht am Inhalt, sondern in der Umsetzung. Das ist so wie mit einer Diät: Ich weiß, wie es geht – aber wenn ich Erfolge sehen will, muss ich es auch machen.

Ich sage immer: Kennen ist nicht Können. Viele kennen Feedback, viele kennen Schulz von Thun – das zu können, das umzusetzen, ist die Herausforderung.

Ganz genau.

everskill Logo

Wohin entwickelt sich Blended Learning? Wie sieht die Zukunft des Lernens in Organisationen aus?

Eine sehr bedeutende Frage. Ich hoffe, dass wir aufhören, Training wie Schule zu betrachten. Und dass wir aufhören, Blended Learning so zu verstehen, dass wir das Alte in neuen Schläuchen vermitteln. Ich hoffe, dass wir aufhören mit dieser Vorgehensweise: Ich nehme die Trainingsunterlage, mache da ein Video draus, 5 Micro-Learning-Einheiten, ein Quiz, und habe damit das Training dupliziert. Ich möchte, dass wir Lernen und Training neu denken. Dass wir Fertigkeiten neu denken. Dass wir die Fertigkeiten anwenden und probieren. Wenn wir das schaffen, revolutionieren wir die Lernkultur in Unternehmen. E-Learning hat seine Berechtigung, indem es gute Lerninhalte skaliert. Ich glaube aber, das ist nur ein kleiner Teil. Fertigkeiten lassen sich nicht als digitales Medium vermitteln. Wenn es um Fertigkeiten geht, dann geht es um persönliche Interaktion.

Wieviele Menschen verwenden everskill?

Wir haben pro Zeiteinheit einige Tausend Menschen auf unserer Plattform. Wir arbeiten mit vielen großen deutschen Unternehmen zusammen, zum Beispiel Siemens, Deutsche Vermögensberatung oder Kienbaum. Als junges Unternehmen haben wir natürlich noch Luft nach oben.

Wie sind die Rückmeldungen der Lernenden, welche Erfahrungen machen die Lernenden?

Die entscheidende Frage ist: Wie viele Menschen in einem Training sind tatsächlich bereit, zu lernen? Wir gehen implizit davon aus, dass alle Teilnehmer lernwillig sind, in der Realität ist das bei einigen Teilnehmern nicht der Fall. Mit everskill sehen wir allerdings genau, welche Teilnehmer auch nach dem Training noch engagiert sind und welche nicht weiter machen. Die Mehrheit der Teilnehmer ist lernwillig und bleibt auch nach dem Training am Ball. Wir erreichen nicht deshalb viele, weil wir digitalisieren, sondern weil Menschen lernen wollen.

Ein wunderbares Schlusswort, dankeschön!

Lern-Podcasts: Interview mit Ralf Podszus

Ralf Podszus
Ralf Podszus

Podcasts sind in allen Ohren und die Nutzerzahlen so hoch wie nie. Da stellt sich die Frage, wie können wir die Form Podcast zum Lernen nutzen. Eine Frage, die wir am besten an Ralf Podszus weiterreichen. Er hat 20 Jahre vor und hinter dem Mikrofon Radio gemacht. Unter anderem moderierte er die Morning Show bei Radio ENERGY und war Unterhaltungschef von RPR1. Ganz nach der Devise Podcasts sind das neue Radio, kümmert er sich jetzt bei Schlenker PR um die professionelle Konzeption und Produktion von Podcasts. Für interessierte Unternehmen konzipiert er Podcasts – entweder für den internen Gebrauch der Mitarbeiter oder als Branded Podcast für die Unternehmenskommunikation.

Warum hat der Podcast gerade so einen Boom?

Aus meiner Sicht gibt es da drei klare Gründe, die auch zusammenspielen. Erstens kann Wartezeit in sinnvolle Zeit umgewandelt werden. Laut einer Studie verbringt der Mensch durchschnittlich 374 Tage seines Lebens mit Warten: In Staus, in Arztpraxen, an der Bushaltestelle: dank Podcasts wird leere Zeit nun Lehrzeit. Denn ein Podcast ist perfekt dazu geeignet, um zu informieren. Der zweite Grund ist, dass es für mittlerweile jedes denkbare und noch so obskure Thema einen Podcast gibt und der Hörer zu seinem eigenen Regisseur wird. Er entscheidet, was er, wann und wie häufig hört. Der dritte Grund ist die Möglichkeit des entspannten Hörens mit Bewegungsfreiheit. Sie brauchen keinen Bildschirm oder sonstige Hilfsmittel, ein Smartphone in der Hosentasche reicht. Sie können dabei joggen, Essen zu bereiten oder putzen.

Das Prinzip „Kino im Kopf“, das aus dem Radio kommt, muss entfacht werden.

Was muss bei der Produktion eines Lern-Podcasts bedacht werden?

Kurz und knackig auf dem Punkt mit einfachen Aussagesätzen muss es sein. Wer für das Hören schreibt muss Schachtelsätze und Kommata vermeiden. Das Prinzip „Kino im Kopf“, das aus dem Radio kommt, muss entfacht werden. Wenn du jemanden fragst, wie war das Beyonce-Konzert und die Person sagt „super“ und „toll“ hat sie praktisch nichts gesagt. Es entsteht erst dann etwas, wenn die Person mit klaren Bildern spricht: „ Beyonce hat sich 10 mal umgezogen, unter anderem ein silbernes Paillettenkleid, ein schwarzes Lederkleid aus 20 Gürteln und ein goldbestickter enganliegender Hosenanzug. Jay-Z kam kopfüber von der Decke aus einer überdimensionalen Rose nach unten geschwebt, während 30 Tänzer gleichzeitig 1,5m in die Luft sprangen. Ich habe noch nie so viele filmende Handys gesehen.“  Dann entsteht etwas im Kopf. Das „Kino im Kopf“ – Prinzip funktioniert auch wunderbar bei Lern-Podcasts.
Hilfreich ist zudem die Wortpyramide: das Wichtigste eines Themas kommt immer an den Anfang und bildet die Spitze der Aussage. Dann folgt das Zweitwichtigste, das Drittwichtigste, usw. Kurze, einfache und anschauliche Lern-Informationen können so gut verarbeitet werden und prägen sich ein. Dieses Sprachkonzept ermöglicht es auch Inhalte schnell zu kürzen: einfach den unteren Teil der Wortpyramide weglassen – das wesentliche wurde ja bereits am Anfang gesagt. Und ohne unteren Teil bleibt die Pyramide immer noch spitz.
Ein wichtiger Aspekt ist auch die Vermittlung der Lerninhalte. Das muss attraktiv im Sprachfluss sein, damit der Hörer mitgenommen wird. Pausen an der richtigen Stelle, so dass die wichtigen Punkte wirken. Ein guter Moderator variiert Sprechgeschwindigkeit und spielt mit der Tiefe und der Höhe seiner Stimme, so dass er ständig die Aufmerksamkeit der Hörer hat. Das kann kein Text! Audio ist und bleibt die natürlichste Verständigungsform.

Welche Vorteile siehst du beim Einsatz von Lern-Podcasts?

Der Lernende kann sich sooft das anhören, was er lernen möchte, bis er es kann und das in seinem individuellen Lernrhythmus. Gut gestaltete Lern-Podcasts haben eine Trackliste mit Markern, so dass der Hörer dort hinspringen kann, was er lernen möchte.
Und Audio wirkt! Der Vater eines Freundes in den 80ern Jahren hatte wichtige Verhandlungen mit amerikanischen Business Partnern. Sein englisch war allerdings verbesserungswürdig. Er hat sich BBC auf VHS aufgenommen und auf Audiokassette überspielt. Diese hat er jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit gehört und schon nach ein paar Wochen konnte er besser englisch sprechen, als zur Schulzeit und die Verhandlungen in den USA verliefen erfolgreich. Heute ist die Verfügbarkeit von Lerninhalten im Audioformat ungleich höher. Und statt VHS haben wir jetzt alle unser Smartphone in der Tasche.

Welche Inhalte sind für Lern-Podcasts geeignet?

Fremdsprachen sind sicherlich ein großes Feld. Auch alles was deklaratives Wissen ist, kann mit Podcasts vermittelt werden. Die Anzahl an Wissenspodcasts bei Spotify, Apple oder Castbox nimmt deutlich zu. Auch hier sind die Verfügbarkeit und das einfache Handling Schlüssel zu besserem Lernen. Vor allem die zahlreichen Info-Podcasts bereichern unsere Allgemeinbildung, was wiederum eine Weiterentwicklung ist. Ich habe meine Erdkundeklausuren früher mit dem Sehen der Fernsehsendung „Abenteuer Forschung“ verbessert. Jetzt kann jeder, wann er will zu vielen Fachgebieten einfach einen Podcast hören und seinen Horizont erweitern – easy mit dem Kopfhörer am Ohr beim Tramfahren. Eine perfekte Zeit für alle Lernwilligen. Das ist noch nie so gut gewesen.

Welche Beispiele für gute Lern-Podcasts kennst du?

Im Bereich der englischen Sprache ist BBC 6 Minute English eine Empfehlung. Wer sich auf dem neusten Stand der Digitalisierung halten möchte, sollte t3n und das Deutschlandfunkformat Breitband hören. Natürlich gibt es lohnende TED Talks zu wissenschaftlichen Themen. Ein neuerer interessanter Podcast zum modernen Arbeitsleben ist der LinkedIn Podcast Hello Monday. Es wird auch immer mehr gute Lern-Podcasts geben, der Durst danach wird größer. Das liegt auch an der Zielgruppe: Es sind vor allem die besser Gebildeten, welche dieses Audio-Format am meisten nutzen. Und die sehnen sich einfach nach mehr Wort. Gutes Wort.

blink.it – Effektivere Trainings mit Blended Learning

Für uns als Trainer und Trainingsunternehmen ist es eine enorme Herausforderung, eigene digitale Lerneinheiten für Blended Learning bereitzustellen. blink.it liefert hier eine Plattform. Trainer können mit blink.it Teilnehmer zusätzlich zur Präsenzveranstaltung mit eigenen Inhalten online begleiten und so den Wirkungsgrad der Trainingsmaßnahmen erhöhen.

Ich spreche mit Michael Witzke, Mitgründer von blink.it.

Die Vorteile aus beiden Lernformen, Präsenzlernen und Online-Lernen werden stärker gelebt.

Michael Witzke

Was ist das Besondere an blink.it?

Wir unterstützen Weiterbildner, Blended Learning zu gestalten. Was da sehr wichtig ist: Einfachheit. Die Trainer wollen keine komplexen Lösungen, sondern eine einfache Lösung, die sie sofort einsetzen können. Das ist der Kern der Software-Lösung. Darüber hinaus unterstützen wir Weiterbildner konzeptionell, wie man Blended Learning gestaltet. Wir haben also zwei Seiten: Erstens die Software, plus zweitens die didaktische Beratung. Bei uns geht es nie um die Inhalte – die Inhalte kommen immer vom Experten für das Thema.

Wie sieht die didaktische Beratung aus?

Wir haben Fallstudien von Trainern, wo man sehen kann, wie jemand etwas gut umgesetzt hat, wir haben einen Blog, und wir haben Lernmaterial, das sind Informationen, Leitfäden und Online-Kurse – alles, was man so braucht, um E-Learning und Blended Learning umzusetzen. Wir machen auch eintägige Train-the Trainer-Workshops, die rocket days, wo wir zum Beispiel gemeinsam Videos produzieren oder ein Blended Learning Konzept erstellen.

Woher kam der Anstoß für die Entwicklung von blink.it?

Wir haben blink.it Mitte 2015, also vor 3,5 Jahren gestartet. Der Anstoß kam aus wissenschaftlichen Studien zum Trainingstransfer. Ich habe damals gelesen, dass im klassischen Trainingssetting relativ wenig bei den Teilnehmern hängen bleibt. Und ich habe mich gefragt: Warum ist das so? Blended Learning ist doch ein toller Ansatz – warum wird das noch nicht so genutzt? Ein wesentlicher Grund war, dass bestehende Software-Angebote für Trainer nicht praktikabel waren. Eine einfach zu bedienende Plattform ist die Lösung.

blink.it Logo

Wohin entwickelt sich Corporate Learning?

Die Vorteile aus beiden Lernformen, Präsenzlernen und Online-Lernen werden stärker gelebt. Wir nutzen die wertvolle Präsenzzeit mehr, um zu diskutieren, in Erfahrungen zu gehen, in Emotionen zu gehen. Die Theorievermittlung und das weitere Lernen am Arbeitsplatz werden online begleitet. Heute wird oft nur E-Learning gemacht, das ist auch nicht die Lösung. Mit Präsenz allein bleiben wir auch unter den Möglichkeiten. Im Blended Learning, der Verbindung von Präsenzlernen und Online-Lernen können die Vorteile beider Lernformen ausgespielt werden.

Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Was sagen die Trainer, was sagen die Teilnehmer?

Ich denke, 80% der Trainer, die unser Konzept anwenden, haben auch damit Erfolg. Mit „Erfolg“ meine ich, sie bekommen das technisch hin, und vor allem, sie bekommen es auch beim Kunden platziert. Und die Evaluation ist gut. Entscheidend ist, ob der Trainer in der Lage ist, einen Mehrwert für die Teilnehmer zu realisieren. Treffe ich als Trainer wirklich den Bedarf der Zielgruppe?

Stichwort Evaluation: Wie läuft das mit der Evaluation?

Da ist der übliche Feedbackbogen, aber im Blended Learning können wir mehr machen: Nach einigen Wochen kann ich nachfragen, zum Beispiel „Welche Fertigkeiten hast du angewendet?“. Eine sehr interessante Variante ist die „Nagelprobe“, die ich auch schon mit dem Einsatz von Seminarschauspielen erlebt habe: Eine Abschlussübung, in der Lernende zeigen können, was sie gelernt haben. Ein wichtiges quantifiziertes Kriterium ist die „Dranbleiberquote“ (diejenigen Teilnehmer, die am Ball bleiben – das Gegenteil von Abbrecherquote). Wir kennen Quoten von 30% bis 95%. Da kommt vieles zusammen: Ich muss gute Inhalte haben, ein gutes Konzept, das didaktisch gut vermitteln etc.

95% sind sensationell. Es kommt also nach wie vor sehr auf die Qualität von Trainer und Präsenzveranstaltung an. Michael, vielen Dank!

Trainerlegende Herbert Holzapfel im Interview

Interview


Alle reden über den Megatrend Lernen, wir auch. Wir möchten das machen mit der Trainerlegende Herbert Holzapfel. Dieser hat nach 33 Jahren und über 3300 Trainingstagen die Flipcharts und Pinnwände an den Nagel gehängt. Wir konnten ihn zum Glück noch bei einem seiner letzten Trainings in Parsberg im Frühling 2019 interviewen.

Herbert Holzapfel
Herbert Holzapfel im Training

Also, Herr Holzapfel, was ist das denn, das Lernen?

Jeder stellt sich unter dem Begriff etwas anderes vor. Für mich ist es, dass jemand Schlüsse zieht aus dem, was er selbst erlebt hat und dann zukünftig etwas anderes macht als er oder sie es vorher gemacht hätte. Bestenfalls zieht der Lernende Schlüsse aus etwas Neuem, das er tatsächlich ausprobiert oder umsetzt. Über die Theorie und das Lesen und Schauen und Surfen kann der Lernende auch seine Schlüsse ziehen, allerdings speichern die Menschen die Infos nach meiner Beobachtung einfach ab und verhalten sich in ihrem vertrauten Muster. Es passiert also nichts oder sehr wenig. Es ist nie so einschleifend wie wenn das der Mensch macht. Am besten sofort, sonst werden wichtige Impulse vergessen.

Wo sollte das Lernen auf alle Fälle mit dem Ausprobieren einhergehen?

Dann, wenn es um das Lernen von nicht einfach zu beobachtbaren Verhaltensweisen geht, wie zum Beispiel das Kommunikationsverhalten. Das Kommunikationsverhalten besteht ja nicht nur aus der Inhaltsebene, wie es oft implizit angenommen wird, sondern auch wie die Person kommuniziert. Das Bewusstsein des „Wie“ im Kommunikationsverhalten entwickelt sich erst beim Ausprobieren.

Es gibt Studien, die erahnen lassen, wie viel Aktivität im menschlichen Gehirn während eines Gespräches entsteht. Was da der Mensch alles gleichzeitig beachten muss, ist der Wahnsinn. Was möchte ich sagen, wie sage ich es, wie ist meine Körpersprache und Mimik, was macht die andere Person, wie reagiert sie, wie muss ich auf das wiederum reagieren. Man sagt, wir senden im Gespräch bis zu 2 Millionen Signale aus – gezählt habe ich sie nicht. Unser Gehirn registriert es und macht etwas Sinnvolles daraus. Dass die Kommunikation für uns so einfach scheint, fasziniert mich immer wieder.

Was haben Sie als Trainer in den 3300 Trainertagen gelernt?

So einiges. Aber das wichtigste ist Geduld und Toleranz basierend auf der Annahme, dass jeder Mensch anders ist. Jeder hat andere Sichtweisen und andere Geschichten, mit denen er ins Training kommt. Die Sichtweisen und die Lernschwerpunkte müssen nicht unbedingt die Schwerpunkte des Trainers sein. Jeder Teilnehmer lernt das, was für ihn wichtig ist, und nicht dass was der Theorie oder dem Trainer wichtig erscheint. Dabei habe ich gelernt, den Teilnehmern Freiraum zu geben, andere Sichtweisen und Bewertungen zu akzeptieren. Ein guter Trainer kreiert einen Inspirationsraum, in dem sich alle Teilnehmer wieder finden. Ich unterstelle meinem Gesprächspartner positive Einstellung und Absichten. Damit trage ich wesentlich zu einer angenehmen Gesprächsatmosphäre bei. Darüber hinaus habe ich natürlich viele tolle Menschen in kurzer Zeit sehr intensiv erlebt.

Herr Holzapfel, was lernen Sie noch, nach Ihrer Trainerlaufbahn?

Zu Zeit mache ich mich in der Küche nützlich und taste mich ans Kochen. Mein Hit sind Pfannenkuchen, die esse ich seit meiner Kindheit besonders gern.

Na dann, guten Appetit.

Herbert Holzapfel war bei der Siemens AG Trainer für Kommunikation und leitete dort unter anderem das Ausbilderseminar „Schlüsselqualifikationen bei jungen Menschen fördern“ und die Trainings „Positive Power and Influence“, „Kommunikative Kompetenzen“ und „Konflikte verstehen und bewältigen“. Dabei hat er 6000 Siemensianer, davon 1000 Multiplikatoren, inspiriert und unterstützt, besser zu werden.