Top Tools for Learning Vergleich 2019 und 2022

Tools For Learning


Wie hat sich der Gebrauch von Tools für das Lernen in den letzten Jahren verändert? Ich schaue mir die Veränderungen der Top Tools for Learning an, vor allem im Vergleich der Jahre 2019 mit 2022.

Treiber für Veränderung

Es gibt viele Faktoren, die beeinflussen, welche Tools von Lernenden verwendet werden:

  • Technischer Fortschritt, Innovation
  • Firmenpolitik, Selbstverständnis von Learning & Development
  • Individuelle Gewohnheiten und Modeerscheinungen
  • Die Pandemie und damit einhergehende veränderte Praktiken der Zusammenarbeit

Insbesondere die Pandemie war ein Treiber für Veränderungen in der Art und Weise, wie wir arbeiten und lernen. Ich stelle mir daher die Frage, welche Veränderungen es gibt hinsichtlich der Nutzung von Tools. Meine erste Anlaufadresse für diese Fragestellung ist Jane Hart. Sie untersucht jährlich die Beliebtheit von Tools bei den Lernenden.

Top Tools for Learning 2022

Zunächst zu den Ergebnisses des Jahres 2022. Das Gesamtbild hat sich nicht wesentlich verändert, aber es gibt doch einige bemerkenswerte Entwicklungen. Hier die zusammenfassende Darstellung, die sich bei Top Tools For Learning als PDF herunterladen lässt:

(c) Jane Hart, Top Tools for Learning

Jane Hart sortiert die Tools in drei Anwendungsbereiche:

  • Tools for Workplace Learning (WPL)
  • Tools for Personal Learning (PPL)
  • Tools for Education (EDU)

Tools for Workplace Learning (WPL) sind Tools, die in der Arbeit verwendet werden. Tools for Personal Learning (PPL) werden für das persönliche Weiterkommen, unabhängig von der Arbeit, eingesetzt. Und Tools for Education (EDU) werden in Schule und Studium angewendet. Die Zuordnung erfolgt dabei nicht durch Jane Hart, sondern durch die Einordnung der Befragten selbst. In der Befragung, die jährlich durchgeführt wird, können Befragte angeben, welche Tools sie verwenden, und in welchem Zusammenhang. So entstehen die Listen.

Veränderungen in der Toolnutzung

Ich habe bereits in früheren Jahren einige Ergebnisse dargestellt:

Top Tools for Learning: Digitale Tools für das Lernen

Top Tools for Learning 2019: Digitale Tools für das Lernen

Auch meine persönliche Liste „Meine Top Tools For Learning 2022“ habe ich kürzlich geteilt.

Für mich am interessantesten ist die Liste der Tools for Workplace Learning (WPL). Hier der betreffende Ausschnitt aus der Gesamtübersicht:

(c) Jane Hart, Top Tools for Learning

Das Jahr 2021 war noch ein Jahr der Experimente. Es gab viele neue Tools, und die Menschen haben viel ausprobiert. 2022 sehen wir eine Konsolidierung, wie Jane Hart bemerkt. Von der Anzahl Tools her wurden sehr viel weniger Tools nominiert, was auch zu einer kürzeren Liste der Top Tools for Learning führt (die Liste umfasst dieses Jahr 100 Tools, letztes Jahr waren es noch 300). Die Menschen wenden sich wieder den Tools zu, die sie bereits früher genutzt haben.

Top Tools for Learning Vergleich 2019 vs. 2022

Die Tools for Workplace Learning (WPL) habe ich mir näher angesehen und die 25 höchstplatzierten Tools mit den Ergebnissen derselben Tools in 2019 verglichen. Es ergibt sich ein Bild der Veränderung mit dem Vergleich „Vor der Pandemie“ (2019) und „Drei Jahre Pandemie“ (2022). Anmerkung: Von „Postpandemie“ zu sprechen, erscheint mir verfrüht.

20192022ToolEinsatzzweck
11YouTubevideo hosting and sharing platform
32PowerPointPresentation software
23Google Searchsearch engine
114Microsoft Teamsenterprise collaboration platform
105Zoomvideo meeting platform
66Google Docs & Driveoffice suite/file sharing platform
57LinkedInprofessional social network
78Worddocument tool
810Wikipediaonline encyclopaedia
1211Slackteam collaboration platform
1612Excelspreadsheet tool
914WordPressblogging/website platform
2015Articulatee-learning tools
2116Kahootlive engagement tool
4117Mentimeterlive engagement tool
5320Vimeovideo hosting and sharing platform
2323Camtasiascreencasting tool
not24Miroonline whiteboard
2725Snagitscreen capture tool
2827Trelloproject/team tool
3830Outlookemail client
1331LinkedIn Learning online course platform
2233OneNotedigital notebook from Microsoft
3334SharePointsocial intranet platform
5039Moodlelearning platform
Daten: Jane Hart, Zusammenstellung: Gerald Petersen


Diese vergleichende Darstellung findet ihr nicht bei Jane Hart, die habe ich aus den aktuellen Ergebnissen und den Ergebnissen von 2019 selbst zusammengestellt. Es sind nur die  Tools for Workplace Learning (WPL) gelistet, daher sieht diese Liste anders aus als die „Top 100 Tools“!

Was sehen wir bei den Top Tools for Learning im Vergleich der Jahre 2019 mit 2022? Es gibt wenig Veränderung in den Top 10. Das Bild ist hier seit Jahren ziemlich stabil. Nur Microsoft Teams hat in der Spitzengruppen einen größeren Sprung nach vorne gemacht.

Die Unternehmen nutzen vermehrt Teams bzw. Microsoft 365, und wenn die Mitarbeitenden die entsprechenden Tools für die Zusammenarbeit nutzen, nutzen sie dieselben Tools auch für das Lernen (das gilt ebenso für Slack). Als Meeting-Plattformen dominieren Teams und Zoom. Google Meet, Whereby und Flipgrid haben es auf die Liste geschafft – Adobe Connect und WebEx sind herausgefallen.

In der unteren Hälfte dieser Tabelle sehen wir mehr Dynamik. Viele hier genannten Tools sind Aufsteiger. Das bedeutet, 2019 wären diese Tools noch nicht in dieser Liste aufgetaucht, jetzt sind sie drin – und andere sind abgestiegen.

Eine auffällige Ausnahme gibt es: Linkedin Learning (in der Tabelle fett rot) gehört nicht zu den Aufsteigern, sondern zu den Absteigern (von Platz 13 in 2019 auf Platz 31 in 2022). Das kann einerseits an der starken Konkurrenz im Markt der Online-Lernplattformen liegen, ich vermute aber auch, dass die Lernenden das reine Konsumlernen auf die Dauer langweilig finden. Es lernt sich besser in einem Event, und mit anderen zusammen, als sich alleine einige Lernvideos reinzuziehen.

Yammer findet sich nicht mehr in den Top 100. Das halte ich eher für bedenklich, denn ein Enterprise Social Network (ESN) ist gemacht dafür, über den eigenen Tellerrand zu schauen. Es eignet sich sehr dafür, miteinander zu lernen und sich teamübergreifend in Communities auszutauschen. Wenn ein ESN nicht genutzt wird, gehen Lernmöglichkeiten verloren.

Die Aufsteiger im Vergleich 2019 – 2022

Einen großen Sprung nach vorne haben drei Tools geschafft: Mentimeter, Vimeo und Miro (in der Tabelle fett grün).

Mentimeter bringt Abwechslung in Events (Trainings, Workshops). Mentimeter ist ein Live Engagement Tool, das Events bereichern kann durch Wortwolken, Abstimmungen (Polls), Quizzes und Q&A-Sessions. Mentimeter ist jetzt gleichauf mit Kahoot, das einen ganz ähnlichen Einsatzbereich hat und schon länger (seit 2014) in der Liste der Top Tools for Learning zu finden ist.

Vimeo ist eine direkte Konkurrenz von Youtube (gehört Google / Alphabet), und wird bei Unternehmen tendenziell beliebter. Ich nehme an, das liegt daran, dass Vimeo weniger ablenkend ist. Wir dürfen allerdings auch nicht vergessen, dass Youtube trotz nervender Werbung immer noch auf Platz 1 steht.

Miro unterstützt die Zusammenarbeit mit virtuellen Whiteboards, und lässt sich hervorragend für das Lernen in Events bzw. Gruppen einsetzen. Bis einschließlich 2019 war Miro noch nicht auf der Liste der Top Tools for Learning. 2020 erstmals dabei, finden wir Miro im Jahr 2022 auf Platz 24. Das ist schon sensationell! Virtuelle Whiteboards werden generell immer mehr genutzt, sowohl für die Zusammenarbeit als auch für das Lernen. Mitbewerber mit vergleichbarem Funktionsumfang sind Mural und Conceptboard.

Was ich bei Betrachtung dieser drei Aufsteiger ermutigend finde: Vimeo repräsentiert zwar noch das Konsumlernen, aber Mentimeter als Live Engagement Tool und Miro als virtuelles Whiteboard repräsentieren das gemeinsame Lernen in Events. Was also ist die Zukunft? Das ist eine wichtige Frage für die Learning & Development Professionals. Ist es das einsame und konsumistische E-Learning oder das gemeinsame abwechslungsreiche Lernen im Event? Nun, es ist kein Entweder-Oder. Beides hat seine Berechtigung. Aber der manchmal zu beobachtende Versuch, alles Lernen als E-Learning abzubilden, sollte aufgegeben werden zugunsten eines wirklich reichen Gesamtangebotes, nicht nur von vielen Inhalten, sondern auch und vor allem von unterschiedlichen Formaten und Methoden. Lasst die Lernenden doch selbst entscheiden, wie sie lernen wollen!

Meine Top Tools For Learning 2022

Tools For Learning


Was sind deine liebsten digitalen Tools für das Lernen? Und warum? Diese Fragen stellt Jane Hart jedes Jahr und stellt die Ergebnisse als „Top Tools For Learning“ vor. Es ist interessant, sich die Fragen zu beantworten, und dann auch die Gesamtergebnisse zu sehen. Was ändert sich, was sind die Trends?

Für dieses Jahr sind meine zehn persönlichen Top Tools For Learning:

1. OneNote

OneNote ist mein Second Brain, d.h. mein Ideenspeicher und Personal Knowledge Management System.

2. Microsoft Teams

Teams ist die Plattform für alle Arten von Events, die ich für Kunden durchführe, also Live-Online-Trainings, Seminare, Workshops. Zoom mag international verbreiteter sein, und einfacher zu bedienen sein, aber Teams ist das, was meine Kunden vorwiegend nutzen. Und es macht Sinn, dass das Lernen auf der Plattform stattfindet, mit der auch vorwiegend gearbeitet wird. Teilnehmende finden sich bereits gut auf der Plattform zurecht, und sie brauchen kein neues Tool lernen. Daher fällt meine Wahl auf Teams, und nicht etwa Zoom oder Webex, die zweifellos ihre Vorzüge haben.

3. Conceptboard

Teams allein ist nicht ausreichend, um eine wirklich interaktive und funktionsstarke Lernumgebung zu realisieren. Ich verwende bei allen (wirklich bei allen) Veranstaltungen, die über ein Format von 2 Stunden Dauer hinausgehen, ein virtuelles Whiteboard zusätzlich zur Meeting-Software. Daher darf Conceptboard in dieser Liste nicht fehlen. Natürlich könnte man auch Miro oder Mural verwenden, doch Conceptboard setzt den Datenschutz in vorbildlicher Weise um und pflegt ein zurückhaltendes Marketing. Der Funktionsumfang der drei genannten Tools ist vergleichbar, würde ich sagen, nur die Bedienung ist unterschiedich. Da auch meine großen Kunden Conceptboard verwenden, bewege ich mich mit meinen Events auch hier im für die Teilnehmenden mehr oder weniger bekannten Rahmen.

4. Twitter

Ist Twitter ein Lern-Tool? Es kommt darauf an. Und zwar auf dich. Wozu nutzt du Twitter? Wem folgst du? Welche Themen vefolgst du? Twitter kann ein Lern-Tool sein, wenn du deinen Feed sorgsam kuratierst. Für mich hat Twitter sehr an Wert gewonnen, als ich mich mehr im englischsprachigen Twitter umgesehen habe. Da gibt es viele Accounts, die Interessantes zu den Themen Produktivität und Lernen twittern. Leider ist das Format „Thread“ extrem unhandlich. Ich kann zwar Threads liken oder bookmarken und dadurch (vielleicht) wieder auffindbar machen. Aber es ist extrem umständlich, einen Thread in mein OneNote zu überführen. Das ginge über den Umweg mit Readwise und Instapaper oder anderen Tools, aber da ich lieber weniger Tools verwende als eine Vielzahl von Tools (think Marie Kondo), bleibt es für mich ein Nervfaktor. Nichtsdestotrotz, Twitter ist für mich ein Lerntool.

5. WordPress

WordPress ist für mich das Blog-Tool, um zu lernen, indem ich schreibe, und um eigenes Lernen öffentlich zu machen. Wovon andere profitieren können.

6. Feedly

Feedly ist der für mich beste RSS-Reader. RSS ist ein Format, das zu Unrecht vergessen wurde. Ich kann mit Feedly Blogs organisieren und schnell sehen, was veröffentlicht wurde. Im Prinzip kann man mit Feedly noch mehr machen, nämlich auch andere Quellen als nur Blogs verfolgen, sofern von der Quelle ein RSS Feed zur Verfügung gestellt wird. Auch Newsletter ließen sich auf diese Weise ordnen und darstellen. Ich persönlich nutze Feedly nur für Blogs. Diesen Blog hinzufügen: Add Content, Adresse https://talk-about-learning.de/ eingeben, go!

Gähn, ja, die Google-Suche. Ist als Recherche-Tool und Sprungbrett unverzichtbar. Daher werden wir Google Search auch in den Ergebnissen der aktuellen Erhebung auf einem Spitzenplatz wiederfinden.

8. PowerPoint

PowerPoint wird immer wieder mal totgesagt, aber am Ende nutzen es doch fast alle. So auch ich. Powerpoint ist für mich das Tool, Lerninhalte zweckgerecht und wirksam aufzubereiten. In der Präsenz-Situation habe ich viel mit Flipchart und Pinwand gearbeitet. In virtuellen Events arbeite ich mit Conceptboard und Powerpoint. Bei der Content Creation komme ich um PowerPoint kaum herum.

9. Mentimeter

Ich habe ja schon Conceptboard als Tool für das virtuelle Whiteboard genannt. Nicht immer ist der Einsatz eines virtuellen Whiteboards möglich oder zweckmäßig. Für kürzere Events oder große Gruppen bietet sich Mentimeter an. Mentimeter ist ein Audience Response Tool und ich kann damit unterschiedliche Use Cases realisieren, z.B. Polls, Feedback, Quizzes, Wortwolken oder interaktive Präsentationen. @Microsoft: Wann geht das, was Menti kann, mit PowerPoint?

10. LISA

LISA ist eine Bibliothek der Liberating Structures. Liberating Structures sind klar strukturierte Moderationsmethoden, die in Workshops oder anderen sozialen Lernformaten eingesetzt werden können und alle Teilnehmenden gleichberechtigt einbeziehen. LISA ordnet die einzelnen Structures und macht Vorschläge für sogenannte Strings (eine bestimte Abfolge von Liberating Structures). LISA ist für Moderatoren eine übersichtliche Referenz – und kostenlos.

Auf einen Blick ↥

Eigene Stimme abgeben?

Das waren sie, meine persönlichen Top Tools For Learning 2022.

Wenn du auch deine Stimme abgeben möchtest, kannst du das bis zum 25. August 2022 tun. Jane Hart bietet dafür unterschiedliche Wege an:

  • Use the online form below. https://www.toptools4learning.com/voting/
  • Email your 10 tools to jane.hart@c4lpt.co.uk with indication of (a) which context you use them (ie 1,2, and/or 3 above) together with your job role
  • Tweet your 10 tools to @C4LPT with indication of indication of which context you use them (ie 1,2, and/or 3 above)
  • Write a blog post about your choice and send the link to Jane Hart.

Ich habe hier von der vierten Möglichkeit Gebauch gemacht.

Zusammenfassung (auf Englisch)

Und hier die Zusammenfassung für meine „Top Tools For Learning 2022“ Liste:

  1. OneNote
    At work (For self-improvement and self-development)
    OneNote serves as my Second Brain (Personal Knowledge Management System).
  2. Microsoft Teams
    At work
    Teams is the platform for events, like live-online-trainings, seminars, workshops.
  3. Conceptboard
    At work
    The virtual whiteboard solution Conceptboard serves as supplement to Teams for immersive interactive events.
  4. Twitter
    For self-improvement and self-development
    Twitter can be an inspiring learning tool if you curate your feed diligently.
  5. WordPress
    At work
    WordPress is for learning by sharing and sharing for learning.
  6. Feedly
    At work
    Feedly is my RSS reader to keep up with the blogs I read.
  7. Google Search
    At work
    Yawn. But you cannot without, you know it.
  8. PowerPoint
    At work
    Content Creation is PowerPoint. To a great deal.
  9. Mentimeter
    At work
    The audience response tool I use for shorter events and for working with big groups.
  10. LISA
    At work
    LISA is a library of Liberating Structures, a set of structured methods for facilitating meetings, fostering collaboration and co-creation.

Was sind deine Top Tools For Learning? Wie verändert sich dein Toolstack über die Zeit? Hier ein Rückblick in die Ergebnisse 2019, also vor der Pandemie:

Top Tools for Learning 2019: Digitale Tools für das Lernen

Top Tools for Learning 2019: Digitale Tools für das Lernen

Top Tools for Learning 2019

Top Tools for Learning

Die neue Liste der Top Tools for Learning von Jane Hart ist bereits im September erschienen, ich habe sie mir jedoch erst jetzt genauer angesehen. Gefragt wird, welche digitalen Tools in irgendeiner Weise für Lernen verwendet werden. Es gibt keine Vorauswahl, jeder kann jedes Tool angeben. Die Top 200 Tools werden von Jane Hart kategorisiert und auf 3 Listen aufgeteilt (Überschneidungen sind möglich):

  • Top 100 Tools for Personal & Professional Learning (PPL100): Digitale Tools, die einzelne Lerner verwenden, um irgendwelche Dinge zu lernen – bei der Arbeit oder außerhalb der Arbeit.
  • Top 100 Tools for Workplace Learning (WPL100): Digitale Tools, die das Lernen in der Arbeit irgendwie unterstützen können.
  • Top 100 Tools for Education (EDU100): Digitale Tools, die von Lernenden und Lehrenden in Schule und Studium zur Unterstützung des Lernens verwendet werden können.

Für Corporate Learning und L&D ist besonders die WPL-Liste interessant.

Was hat sich geändert im Vergleich zum letzten Jahr (Top Tools for Learning 2018)? Zu den Tools komme ich gleich noch, zunächst einige Bemerkungen zur Methodik und Darstellung der Ergebnisse. Ich hatte im verlinkten Beitrag zu den Top Tools 2018 kritisiert, dass die Tools nur nach dem Kriterium der Beliebtheit und sonst völlig ungeordnet dargestellt werden. Da sind wir dieses Jahr erheblich weiter.

  • Devices (z.B. Smartphones) gehen nicht mehr in die Auswertung ein. Das ist ein guter Schritt.
  • Es gibt jetzt mehr Informationen zur Population der Stimmabgeber. Wir erfahren, dass ca. 2.500 Stimmabgaben ausgewertet wurden, davon 22% aus dem Bereich EDU (daher ist die EDU-Liste nicht so aussagefähig wie die WPL Liste), und immerhin die Angabe, dass die Antworten aus 46 Ländern kommen. Hilfreich wäre hier eine grobe regionale Unterteilung (z.B. nach den Weltwirtschaftsräumen AMER, APAC, EMEA). Ich vermute nämlich, dass der allergrößte Teil der Stimmen aus den USA kommt.
  • Die visuelle Darstellung ist durch den Zeilenaufbau übersichtlicher geworden.
  • Jane Hart setzt die WPL100 Tools in Beziehung zu ihrem 4D-Modell des Lernens (Didactics, Discovery, Discourse and Doing). Das halte ich für einen großen Fortschritt.

Das 4D-Modell des digitalen Lernens

Was ist das 4D-Modell des digitalen Lernens („The 4 D’s of Modern Learning“)? Jane Hart beschreibt damit den Kontext, in dem die Tools (vorwiegend) eingesetzt werden. Sie unterscheidet 4 Kontexte, in denen  die Lerner Tools einsetzen:

  • Didactics: Angeleitetes Lernen, d.h. es gibt Lerner und es gibt Lehrmaterial. Beispiel: Ich möchte lernen, wie man einen Business-Plan macht und belege einen Kursus in einer Online-Akademie.
  • Discovery: Informelles, nicht angeleitetes, exploratives Lernen. Beispiel: Ich möchte lernen, wie man einen Podcast macht, und mache mich selbst auf die Suche nach hilfreichen digitalen Quellen.
  • Discourse: Soziales Lernen, Lernen durch die Interaktion mit anderen. Beispiel: Ich möchte ein Angebot erstellen, und kontaktiere über soziale Netze jemand aus meinem Netzwerk, der viel Erfahrung mit dem Thema hat.
  • Doing: Informelles Lernen während der Arbeit. Dazu braucht es Zeit zur Reflektion. Beispiel: Ich habe in einem Projekt wertvolle Erfahrungen gesammelt, ich analysiere und strukturiere diese Erfahrungen, und teile sie in einem Blogbeitrag.

Innerhalb dieser 4 Kontexte werden die Tools nach ihrem Einsatzbereich geordnet, z.B. „course authoring“ oder „collaboration“. Die meisten Tools finden sich im Bereich Didactics. Es gibt dabei viele Überschneidungen, z.B. die Tools für „presentations and documents“ und „resource creation“ sind sowohl dem Kontext Didactics als auch Doing zugeordnet.

Trends

Nun zu den Tools. Insgesamt hat sich in den oberen Rängen wirklich wenig geändert. Es finden sich die üblichen Verdächtigen: YouTube, Google Search, PowerPoint, Twitter, Linkedin. Unterhalb der Top 10 gibt es durchaus einige bemerkenswerte Veränderungen:

  • Der Trend zu Plattformen mit Online-Kursen hält an. Linkedin Learning hat die Nase vorn und steigt auf, Udemy bleibt fast unverändert, Coursera steigt ab.
  • Bei den soziale Netzen ändert sich im oberen Bereich nichts (Twitter, Linkedin, Facebook), unten verliert Snapchat deutlich.
  • Microsoft Teams steigt weiter auf. Allerdings erwächst eine Konkurrenz in Gestalt des Neuzugangs Workplace by Facebook.
  • Google Tools sind im Kommen (Google Forms, Google Chrome, Google Translate).
  • Das Audience Response Tool Mentimeter hat stark zugelegt, auch das ähnlich gelagerte Plickers.
  • Audio und Video gewinnen gegenüber Text, sowohl was das Konsumieren (Apple Podcasts) betrifft als auch das Herstellen von Inhalten (mit dem Neuzugang Biteable kann man Videos auf der Basis von Templates erstellen).
  • Der Shooting Star des letzten Jahres, Degreed, fällt ab. Obwohl das Tool für lebenslanges Lernen den Trend zum individuellen Kuratieren unterstützt, enttäuscht es wohl die User. Im Auge behalten!
  • Ebenfalls für mich etwas überraschend: GetAbstract macht einen großen Sprung nach oben und überholt Blinkist (beide liefern Zusammenfassungen von Büchern).

Fazit und Vorbehalte

Ja klar, wir wissen es bereits: Das Lernen wird fragmentierter, autonomer und individueller. Ob das immer besser ist, ist keineswegs entschieden.

Ich weise nochmals darauf hin, dass die Liste die Beliebtheit von digitalen Tools widerspiegelt. Über die tatsächliche Eignung der Tools für das Lernen  ist damit noch wenig gesagt.

Immer noch liegt der Schwerpunkt auf dem Wissenserwerb und weniger auf dem Erwerb von Kompetenzen, geschweige denn der Weiterentwicklung von Soft Skills. Das liegt in der Natur der Sache. Digitale Tools eignen sich sehr gut, Wissen zu erwerben und zu teilen, sie eignen sich jedoch nicht, Soft Skills weiter zu entwickeln. Wenn wir hier also über „Lernen“ reden, reden wir über Lernen im Sinne des Wissenserwerbs oder des Aufbaus von Hard Skills.

Beitragsbild: © Jane Hart, mit Einverständnis

Top Tools for Learning: Digitale Tools für das Lernen

Top Tools for Learning 2018

Top Tools for Learning

Top Tools for Learning ist eine Liste mit Tools, die von Jane Hart zusammengestellt wird (Liste, interaktive Infografiken). Sie macht jedes Jahr eine Befragung und wertet aus, welche digitalen Tools in irgendeiner Weise für Lernen verwendet werden. Sie hat 200 Tools kategorisiert und auf 3 Listen aufgeteilt (Überschneidungen sind möglich):

  • Top 100 Tools for Personal & Professional Learning (PPL100): Digitale Tools, die einzelne Lerner verwenden, um irgendwelche Dinge zu lernen – bei der Arbeit oder außerhalb der Arbeit.
  • Top 100 Tools for Workplace Learning (WPL100): Digitale Tools, die das Lernen in der Arbeit irgendwie unterstützen können.
  • Top 100 Tools for Education (EDU100): Digitale Tools, die von Lernenden und Lehrenden in Schule und Studium zur Unterstützung des Lernens verwendet werden können.

Vielleicht fällt Ihnen auf, dass ich Worte wie „in irgendeiner Weise“, „irgendwelche Dinge“ oder „irgendwie“ verwende. Das liegt daran, dass die Liste sehr umfassend ist und die Tools zum allergrößten Teil keineswegs spezifisch für das Lernen gedacht sind oder verwendet werden. Sehr viele Tools sind schlichtweg allgemein gebräuchliche Tools, die für alle möglichen Zwecke – unter anderen auch für Lernzwecke – verwendet werden können. Auf der Liste finden sich zum Beispiel Suchmaschinen wie Google, Office Software wie Word, Cloud-Speicher wie Dropbox, Geräte wie das iPhone, Kommunikations-Apps wie Zoom, Tools für Virtual Collaboration wie Trello undsoweiterundsofort. Plattformen oder Tools, die wirklich für die Unterstützung von Lernen kreiert wurden, wie Khan Academy oder Moodle, muss man mit der Lupe suchen. Und andere echte Learning Tools tauchen gar nicht erst auf.

Hinzu kommt, dass der Begriff „Lernen“ offensichtlich sehr allgemein verstanden wird (eine Definition wird nicht bereitgestellt). Der verwendete Begriff umfasst explizites wie auch implizites (unbewusstes) Lernen, Lernen innerhalb und ausserhalb der Arbeit, und es geht vorwiegend um Wissensvermittlung und Wissensaneignung. Das Erlernen von Soft Skills wird kaum berücksichtigt. Die Frage ist, wie aussagefähig und wie nützlich der Begriff des Lernens dann noch ist.

Der Nutzen dieser Aufstellung ist also eingeschränkt – je nachdem, was man sich davon erhofft.

Trends

Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Einschränkungen, lassen sich einige Trends ablesen, was die Beliebtheit bestimmter Tools angeht:

  • Youtube ist immer noch die Nummer 1
  • Hör‘ mal: Audio-Quellen werden häufiger genutzt (Podcasts!)
  • Bücher werden nicht im Original, sondern vermehrt als Zusammenfassung gelesen (getAbstract, Blinkist)
  • Slideshare ist auf dem absteigenden Ast
  • Soziale Netze: Twitter ist immer noch stark, während Facebook abrutscht, und LinkedIn weiter an Bedeutung gewinnt
  • Content wird nach wie vor gerne mit Powerpoint präsentiert, aber zum Beispiel die Adobe Creative Cloud suite wird vermehrt für die Entwicklung von Content verwendet
  • Der Shooting Star der Liste ist Degreed, eine Plattform für lebenslanges Lernen
  • Anders Pink („Content Curation for Learning“) unterstreicht den Trend zu individualisiertem Lernen
  • Tools für virtuelle Zusammenarbeit können das soziale Lernen in der Arbeit unterstützen
  • Slack steigt auf, ebenso wie Microsoft Teams, während Yammer absteigt (vielleicht weil Teams aufsteigt)
  • Überhaupt: Microsoft is back! Das Microsoft Ökosystem wird richtig mächtig durch die Integrationsfähigkeit unterschiedlicher Anwendungen
  • Digitale Notizbücher sind bedeutsam als Erweiterung des eigenen Gehirns, und hier macht OneNote (ebenfalls von Microsoft) das Rennen
  • Videokonferenzing verdrängt Audiokonferenzing (auch weil man z.B. mit Skype oder Zoom den Bildschirm teilen kann)
  • Um ein wenig Interaktion mit großen Gruppen herzustellen, gewinnen „audience response tools“ an Beliebtheit (z.B. kann man mit Kahoot oder Mentimeter sehr einfach Polls durchführen)

Fazit

Eine reine Betrachtung der Beliebtheit von digitalen Tools ist in der Aussagefähigkeit sehr eingeschränkt. Es bleibt der Gesamteindruck, dass Lernen sich stärker individualisiert und digitalisiert. Damit ändert sich die Rolle von Learning & Development. L&D muss in Zukunft nicht nur Inhalte, Seminare und Curricula bereitstellen für die Lernenden, sondern auch in höherem Maße ein selbstgesteuertes Lernen ermöglichen. Dieser Trend ist nicht zu leugnen. Digitale Tools können jedoch nicht leisten, soziale Fähigkeiten zu vermitteln. Und es besteht ebenso kein Zweifel daran, dass soziale Fähigkeiten, Soft Skills, Lifetime Skills noch viel wichtiger sind und werden als früher. Wir müssen noch mehr darüber lernen, welche Methoden welches Lernen am besten unterstützen.

Neuere Ergebisse findest du im Beitrag Top Tools for Learning 2019: Digitale Tools für das Lernen.

Beitragsbild: © Jane Hart, mit Einverständnis