Ausgerechnet die Learning Professionals lernen zu wenig?

Lernprojekt

Das hat mich überrascht: Die Learning Professionals lernen zu wenig. Dies sagt und schreibt Karlheinz Pape. Doch worum geht es eigentlich?

Die Initiative #MeinZiel2022 der CLC

MeinZiel22 war eine Initiative der Corporate Learning Community (CLC), die von Januar bis Mai 2022 lief und an der ich mich beteiligt habe. Die Idee der Initiative ist es, sich ein individuelles Lernziel zu definieren (mit der Methode OKR), dieses Ziel öffentlich zu machen (Padlet, Blog-Kommentar) und dann über einen Zeitraum von einigen Wochen oder Monaten in einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter an dem eigenen Lernziel zu arbeiten.

Karlheinz Pape von der CLC hat kürzlich einen Blogpost veröffentlicht mit einer provokanten Frage im Titel: #MeinZiel 22: Selbstgesteuertes Lernen ist nichts für uns Learning Professionals? In diesem Beitrag eingebettet bzw. nach Youtube verlinkt findest du auch den Vortrag von Karlheinz zum Ergebnis des CLC-Projektes #MeinZiel22 im Rahmen des Workshops „New Work Future Workplaces“ am 29. September 2022.

Learning Professionals lernen zu wenig

Zusammengefasst sind Aussagen von Karlheinz Pape:

Die Initiative #MeinZiel22 wurde auch deshalb ins Leben gerufen, weil wir als Learning Professionals selbst viel lernen müssen:

„Wir müssen unglaublich viel an uns selber arbeiten, um andere irgendwo hinführen zu können.“

Karlheinz Pape

Als Lernformat wurde das Peer-Learning gewählt, also das Lernen in kleinen Gruppen, mit einem verbindenden Thema (jedoch möglicherweise unterschiedlichen individuellen Lernzielen). Warum? Gemeinsam lernt sich’s leichter. Und die Verbindlichkeit und Motivation ist höher, wenn man mit anderen zusammen lernt. Hinzu kommt der Aspekt des öffentlichen Lernens. Das öffentliche Ziel-Bekenntnis „erzeugt hilfreichen sozialen Druck“ (KH Pape).

Aus der CLC haben sich 260 Personen angemeldet. Das ist weniger als bei anderen Initiativen der CLC, bei denen es um das Lernen „der anderen“ geht. 81 von den angemeldeten Personen haben ihre Ziele veröffentlicht. Und nur 19 haben ihre Ergebnisse öffentlich geteilt.

Die Schlussfolgerungen von Karlheinz lauten sinngemäß:

  • Wir Learning Professionals tun uns damit schwer, uns selbst weiter zu entwickeln. An uns legen wir andere Maßstäbe an. Wir müssen aber diejenigen sein, die mehr lernen als andere.
  • Öffentliches Teilen (Learning in Public) fällt vielen schwer. Öffentliches Teilen ist aber ein Lernbooster. Wer Erkenntnisse öffentlich teilt, denkt dreimal länger nach, und dieses Nachdenken ist Lernzeit.

Karlheinz haut uns die berichteten Zahlen nicht um die Ohren, um Learning Professionals bloßzustellen – er möchte erkennbar aufrütteln. Was mich betrifft, ist das gelungen. Die Beiträge haben mich nachdenklich gemacht. Wenn ich höre, dass nur 19 Beteiligte ihre Lernerfahrung veröffentlicht haben, dann überraschend mich das. Ich bin einer von 19? Allein aus meinem Lern-Circle hatten 4 der Lernenden ihre Erfahrungen veröffentlicht.

Ich möchte das relativieren

Wenn wir uns die nackten Zahlen ansehen, dann muss ich wohl zustimmen: 260 Anmeldungen, 81 mal Ziele veröffentlicht, 19 mal Erfahrungen und Ergebnisse veröffentlicht. 🤔 Es wird zu wenig gelernt. Es wird zu wenig öffentlich gelernt.

Illustration von Gerald Petersen, kreiert mit Dream

Dennoch möchte ich den Eindruck, Learning Professionals kümmerten sich gerne um das Lernen der anderen, aber nicht genug um das eigenen Lernen, hier etwas relativieren:

1. Ich denke, die Lage ist nicht so schlimm wie sie aussieht. Es ist bestimmt mehr passiert als wir anhand der Zahlen sehen. Das vermute ich, wissen kann ich es nicht. Auch Karlheinz Pape sagt, es können mehr sein, die ihr Lernprojekt abgeschlossen haben, ohne dass wir davon wissen.

2. Es könnte eine Rolle spielen, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine einige Pläne durchkreuzt hat oder andere Prioritäten in den Vordergrund gerückt hat. Vielleicht wären sonst mehr am Ball geblieben.

3. Die Learning Professionals, die ich kenne, lernen viel und sind oft innovativ, was das Lernen betrifft. Nicht alles Lernen ist aber organisiertes Lernen, und damit so gut wie unsichtbar.

4. Ich denke nicht, dass Learning Professionals ganz anders (weniger engagiert) sind, wenn es ums Lernen geht, als „die anderen“ Professionals. Im Gegenteil! In den Organisationen wird viel weniger gelernt, und viel weniger geteilt.

Auch wenn die Ergebnisse der Initiative #MeinZiel22 zu wünschen übrig lassen: Insgesamt gesehen, ist es nicht so überraschend. Es wird ganz generell in den Unternehmen wenig gelernt, und wenig öffentlich gelernt. Dazu zwei Zahlen:

  • Nach Aussage eines Learning Professional eines deutschen Unternehmens liegt die gemessene durchschnittliche Lernzeit pro Mitarbeiter pro Jahr bei unter einer Stunde. Pro Jahr! Leute, das ist nichts! (Wenn ihr mich fragt: Das fast ausschließliche E-Learning hat das Lernen kaputtgemacht – aber das ist ein anderes Thema).
  • 58% der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sagen, sie behalten wertvolles Wissen für sich, das für ihre Kolleginnen und Kollegen nützlich sein kann (Kahoot Workplace Culture Report 2022). Da kann man sich vorstellen, wie es um das „öffentliche Lernen“ (Learning in Public) bestellt ist.

Learning Professionals könnten vielleicht noch mehr tun, aber sicher sind sie nicht schlechter aufgestellt als die überwiegende Mehrheit der Mitarbeitenden in den Unternehmen.

Ein Fazit

Es stimmt ja: Wir müssen viel lernen, mehr als andere. Unser Job hat sich disruptiv verändert, und ändert sich weiter. Wir müssen lernen, und wir wollen lernen. Ich kann nicht glauben, dass ich nur für eine Minderheit spreche. Ich lerne organisiert (Trainings, Konferenzen, BarCamps, Peer-Learning) und ich lerne ganz viel in der Arbeit und in der Praxis (Achtung, das ist kein Automatismus, sondern erfordert bewusstes Lernen, siehe Mythos: Agiles Lernen ergibt sich von selbst).

Wir Learning Professionals müssen beim Lernen selbst voran gehen. Insofern wäre es miserabel, wenn wir nur wenig lernen und damit ein schlechtes Vorbild abgeben. Aber ist das so? Learning Professionals lernen weniger als die „anderen“? Das glaube ich nicht.

In einem Blogbeitrag von Matthias Wiencke finde ich vieles, was beschreibt, wie Learning Professionals lernen: Wie lernen eigentlich Learning Professionals? Ein Selbstlernprozess.

Wie gesagt, es geht darum, aufzurütteln. Karlheinz Pape und die CLC glauben an das Lernen der Learning Professionals: Es wird eine nächste Runde #MeinZiel geben. Ich freue mich darauf!

Top Tools for Learning Vergleich 2019 und 2022

Tools For Learning


Wie hat sich der Gebrauch von Tools für das Lernen in den letzten Jahren verändert? Ich schaue mir die Veränderungen der Top Tools for Learning an, vor allem im Vergleich der Jahre 2019 mit 2022.

Treiber für Veränderung

Es gibt viele Faktoren, die beeinflussen, welche Tools von Lernenden verwendet werden:

  • Technischer Fortschritt, Innovation
  • Firmenpolitik, Selbstverständnis von Learning & Development
  • Individuelle Gewohnheiten und Modeerscheinungen
  • Die Pandemie und damit einhergehende veränderte Praktiken der Zusammenarbeit

Insbesondere die Pandemie war ein Treiber für Veränderungen in der Art und Weise, wie wir arbeiten und lernen. Ich stelle mir daher die Frage, welche Veränderungen es gibt hinsichtlich der Nutzung von Tools. Meine erste Anlaufadresse für diese Fragestellung ist Jane Hart. Sie untersucht jährlich die Beliebtheit von Tools bei den Lernenden.

Top Tools for Learning 2022

Zunächst zu den Ergebnisses des Jahres 2022. Das Gesamtbild hat sich nicht wesentlich verändert, aber es gibt doch einige bemerkenswerte Entwicklungen. Hier die zusammenfassende Darstellung, die sich bei Top Tools For Learning als PDF herunterladen lässt:

(c) Jane Hart, Top Tools for Learning

Jane Hart sortiert die Tools in drei Anwendungsbereiche:

  • Tools for Workplace Learning (WPL)
  • Tools for Personal Learning (PPL)
  • Tools for Education (EDU)

Tools for Workplace Learning (WPL) sind Tools, die in der Arbeit verwendet werden. Tools for Personal Learning (PPL) werden für das persönliche Weiterkommen, unabhängig von der Arbeit, eingesetzt. Und Tools for Education (EDU) werden in Schule und Studium angewendet. Die Zuordnung erfolgt dabei nicht durch Jane Hart, sondern durch die Einordnung der Befragten selbst. In der Befragung, die jährlich durchgeführt wird, können Befragte angeben, welche Tools sie verwenden, und in welchem Zusammenhang. So entstehen die Listen.

Veränderungen in der Toolnutzung

Ich habe bereits in früheren Jahren einige Ergebnisse dargestellt:

Top Tools for Learning: Digitale Tools für das Lernen

Top Tools for Learning 2019: Digitale Tools für das Lernen

Auch meine persönliche Liste „Meine Top Tools For Learning 2022“ habe ich kürzlich geteilt.

Für mich am interessantesten ist die Liste der Tools for Workplace Learning (WPL). Hier der betreffende Ausschnitt aus der Gesamtübersicht:

(c) Jane Hart, Top Tools for Learning

Das Jahr 2021 war noch ein Jahr der Experimente. Es gab viele neue Tools, und die Menschen haben viel ausprobiert. 2022 sehen wir eine Konsolidierung, wie Jane Hart bemerkt. Von der Anzahl Tools her wurden sehr viel weniger Tools nominiert, was auch zu einer kürzeren Liste der Top Tools for Learning führt (die Liste umfasst dieses Jahr 100 Tools, letztes Jahr waren es noch 300). Die Menschen wenden sich wieder den Tools zu, die sie bereits früher genutzt haben.

Top Tools for Learning Vergleich 2019 vs. 2022

Die Tools for Workplace Learning (WPL) habe ich mir näher angesehen und die 25 höchstplatzierten Tools mit den Ergebnissen derselben Tools in 2019 verglichen. Es ergibt sich ein Bild der Veränderung mit dem Vergleich „Vor der Pandemie“ (2019) und „Drei Jahre Pandemie“ (2022). Anmerkung: Von „Postpandemie“ zu sprechen, erscheint mir verfrüht.

20192022ToolEinsatzzweck
11YouTubevideo hosting and sharing platform
32PowerPointPresentation software
23Google Searchsearch engine
114Microsoft Teamsenterprise collaboration platform
105Zoomvideo meeting platform
66Google Docs & Driveoffice suite/file sharing platform
57LinkedInprofessional social network
78Worddocument tool
810Wikipediaonline encyclopaedia
1211Slackteam collaboration platform
1612Excelspreadsheet tool
914WordPressblogging/website platform
2015Articulatee-learning tools
2116Kahootlive engagement tool
4117Mentimeterlive engagement tool
5320Vimeovideo hosting and sharing platform
2323Camtasiascreencasting tool
not24Miroonline whiteboard
2725Snagitscreen capture tool
2827Trelloproject/team tool
3830Outlookemail client
1331LinkedIn Learning online course platform
2233OneNotedigital notebook from Microsoft
3334SharePointsocial intranet platform
5039Moodlelearning platform
Daten: Jane Hart, Zusammenstellung: Gerald Petersen


Diese vergleichende Darstellung findet ihr nicht bei Jane Hart, die habe ich aus den aktuellen Ergebnissen und den Ergebnissen von 2019 selbst zusammengestellt. Es sind nur die  Tools for Workplace Learning (WPL) gelistet, daher sieht diese Liste anders aus als die „Top 100 Tools“!

Was sehen wir bei den Top Tools for Learning im Vergleich der Jahre 2019 mit 2022? Es gibt wenig Veränderung in den Top 10. Das Bild ist hier seit Jahren ziemlich stabil. Nur Microsoft Teams hat in der Spitzengruppen einen größeren Sprung nach vorne gemacht.

Die Unternehmen nutzen vermehrt Teams bzw. Microsoft 365, und wenn die Mitarbeitenden die entsprechenden Tools für die Zusammenarbeit nutzen, nutzen sie dieselben Tools auch für das Lernen (das gilt ebenso für Slack). Als Meeting-Plattformen dominieren Teams und Zoom. Google Meet, Whereby und Flipgrid haben es auf die Liste geschafft – Adobe Connect und WebEx sind herausgefallen.

In der unteren Hälfte dieser Tabelle sehen wir mehr Dynamik. Viele hier genannten Tools sind Aufsteiger. Das bedeutet, 2019 wären diese Tools noch nicht in dieser Liste aufgetaucht, jetzt sind sie drin – und andere sind abgestiegen.

Eine auffällige Ausnahme gibt es: Linkedin Learning (in der Tabelle fett rot) gehört nicht zu den Aufsteigern, sondern zu den Absteigern (von Platz 13 in 2019 auf Platz 31 in 2022). Das kann einerseits an der starken Konkurrenz im Markt der Online-Lernplattformen liegen, ich vermute aber auch, dass die Lernenden das reine Konsumlernen auf die Dauer langweilig finden. Es lernt sich besser in einem Event, und mit anderen zusammen, als sich alleine einige Lernvideos reinzuziehen.

Yammer findet sich nicht mehr in den Top 100. Das halte ich eher für bedenklich, denn ein Enterprise Social Network (ESN) ist gemacht dafür, über den eigenen Tellerrand zu schauen. Es eignet sich sehr dafür, miteinander zu lernen und sich teamübergreifend in Communities auszutauschen. Wenn ein ESN nicht genutzt wird, gehen Lernmöglichkeiten verloren.

Die Aufsteiger im Vergleich 2019 – 2022

Einen großen Sprung nach vorne haben drei Tools geschafft: Mentimeter, Vimeo und Miro (in der Tabelle fett grün).

Mentimeter bringt Abwechslung in Events (Trainings, Workshops). Mentimeter ist ein Live Engagement Tool, das Events bereichern kann durch Wortwolken, Abstimmungen (Polls), Quizzes und Q&A-Sessions. Mentimeter ist jetzt gleichauf mit Kahoot, das einen ganz ähnlichen Einsatzbereich hat und schon länger (seit 2014) in der Liste der Top Tools for Learning zu finden ist.

Vimeo ist eine direkte Konkurrenz von Youtube (gehört Google / Alphabet), und wird bei Unternehmen tendenziell beliebter. Ich nehme an, das liegt daran, dass Vimeo weniger ablenkend ist. Wir dürfen allerdings auch nicht vergessen, dass Youtube trotz nervender Werbung immer noch auf Platz 1 steht.

Miro unterstützt die Zusammenarbeit mit virtuellen Whiteboards, und lässt sich hervorragend für das Lernen in Events bzw. Gruppen einsetzen. Bis einschließlich 2019 war Miro noch nicht auf der Liste der Top Tools for Learning. 2020 erstmals dabei, finden wir Miro im Jahr 2022 auf Platz 24. Das ist schon sensationell! Virtuelle Whiteboards werden generell immer mehr genutzt, sowohl für die Zusammenarbeit als auch für das Lernen. Mitbewerber mit vergleichbarem Funktionsumfang sind Mural und Conceptboard.

Was ich bei Betrachtung dieser drei Aufsteiger ermutigend finde: Vimeo repräsentiert zwar noch das Konsumlernen, aber Mentimeter als Live Engagement Tool und Miro als virtuelles Whiteboard repräsentieren das gemeinsame Lernen in Events. Was also ist die Zukunft? Das ist eine wichtige Frage für die Learning & Development Professionals. Ist es das einsame und konsumistische E-Learning oder das gemeinsame abwechslungsreiche Lernen im Event? Nun, es ist kein Entweder-Oder. Beides hat seine Berechtigung. Aber der manchmal zu beobachtende Versuch, alles Lernen als E-Learning abzubilden, sollte aufgegeben werden zugunsten eines wirklich reichen Gesamtangebotes, nicht nur von vielen Inhalten, sondern auch und vor allem von unterschiedlichen Formaten und Methoden. Lasst die Lernenden doch selbst entscheiden, wie sie lernen wollen!

Digitalisierung der Weiterbildung in der Medizintechnik

Eine konkrete Evaluation von Andreia Pinto

Andreia Pinto studiert Master of Science in Digital Business. Digitalisierungsnahe Fähigkeiten sind stark gefragt am Markt. Was man und speziell sie mit ihrem Wissen anstellen kann, hat Andreia bei Siemens Healthineers im Bereich Education des Customer Service eindrucksvoll demonstriert.

Dort wurde pandemiebedingt die Weiterbildung an medizinischen Geräten (z. B. Computertomografen) für das Service Personal von Präsenz-Training auf virtuelle und webbasierte Trainings umgestellt.

Andreia hat nun evaluiert, ob und in wie weit die Umstellung der Lernvermittlungsmethode von präsent auf digital einen signifikanten Einfluss auf die Zufriedenheitsbewertung und vor allen Dingen auf die Service Performance beim Kunden von Healthineers hatte.

Was sind – unabhängig von präsent oder virtuell – die Ziele der Weiterbildung an medizinischen Geräten für die Service Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Siemens Healthineers entwickelt, fertigt und vertreibt eine breite Palette innovativer Produkte für die Diagnostik, Bildgebung und Therapie sowie Dienstleistungen für das Gesundheitswesen. Hinzu kommen klinische Beratungsleistungen, die durch Servicepläne und umfangreiche Schulungen ergänzt werden. Durch die Digitalisierung des Gesundheitswesens liegt der Schwerpunkt darauf, patientenorientierte Innovationen auf den Markt zu bringen, indem die Kunden während des gesamten Versorgungskontinuums unterstützt werden, von der Früherkennung und Prävention über die Diagnose und Behandlung bis hin zur Nachsorge. Für Service Mitarbeiter liegen die wichtigsten Herausforderungen darin, die Kunden gut auszubilden und in jeglichen technik- oder anwendungsbezogenen Fragen bestmöglich zu unterstützen.

In welchem Zeitraum hast du die Daten erhoben, wie hoch war deine Stichprobe und wie bist du methodisch vorgegangen?

In dem von COVID-19 betroffenen Zeitraum von 2018 bis Ende 2021 wurden insgesamt ca. 1.300 Onlinefragebögen von Trainingsteilnehmerinnen und -teilnehmern ausgewertet, 60 statistische Signifikanz-Tests auf Service-Metriken auf Produkt-, Business Line und Business Area Ebene in Deutschland und USA für zwei medizinische Geräte durchgeführt und Service Techniker in einem qualitativen Gruppeninterview befragt.

Die zu untersuchenden, abhängigen Variablen sind einschlägige Servicemetriken und die Zufriedenheit der Service Mitarbeiter mit dem Training selbst.

Welche Ergebnisse hast du gefunden?

Interne Zielvorgaben wurden sowohl für die Zufriedenheit der Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer als auch für die Service-Metriken erreicht. Ebenfalls belegen die Schlussfolgerungen aus dem Gruppeninterview, dass die Virtualisierung der Schulungsmethode keinen negativen Einfluss auf die Service Performance beim Endkunden hatte, auch wenn die meisten Teilnehmer ein Training vor Ort bevorzugen würden und sich mutmaßlich besser vorbereitet fühlen würden.

Hinzu waren viele statistische Tests der Service-Metriken signifikant positiv nach der virtuellen Trainingsumstellung. Darüber hinaus wurden in persönlichen Gesprächen mit den Landesverantwortlichen für die untersuchten medizinischen Geräte weitere Herausforderungen aufgedeckt, die für die wenigen signifikant negativen Ergebnisse der Service -Metriken verantwortlich waren und in Zukunft angegangen werden müssen . Diese sind aber keinesfalls auf die virtuelle Trainingsmethode zurückzuführen.

Was ist deine Empfehlung für zukünftige Trainings in diesem Bereich?

Neben den vielen Vorteilen, die die Virtualisierung von Trainings dem Unternehmen bringen kann, wurde vor allem statistisch belegt, dass diese Umstellung sich nicht signifikant negativ auf die Service Performance auswirkt. Deshalb sollte das Unternehmen weiterhin virtuelle Trainings entwickeln und verbessern. Das Feedback aus dem Gruppeninterview sollte berücksichtigt und gegebenenfalls umgesetzt werden, z. B. durch die Ermöglichung praktischer Erfahrungen während virtueller Schulungen oder die Bereitstellung der richtigen Ausrüstung für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Welche Grenzen siehst du in den virtuellen Trainings? Wo wird auch in Zukunft noch die Präsenz benötigt?

Komplexe und größere medizinische Geräte erfordern eine praktische Erfahrung und sollten daher vor Ort gelehrt werden, während eine virtuelle Schulung für weniger komplexe medizinische Instrumente ausreichen sollte, wenn die richtige Ausrüstung zur Verfügung gestellt wird, um die praktische Erfahrung zu simulieren.

Vielen Dank, Andreia, für deinen fundierten Einblick in die Digitalisierung der Weiterbildung der Medizintechnik.

Verhaltensorientierte Führungskräftetrainings virtualisieren

Kristina Loncar

Kristina Loncar hat im Rahmen eines dualen Studiums bei der Siemens AG ihr Magisterstudium in Management Business Development abgeschlossen. Dabei konnte sie miterleben, wie rasant sich die Weiterbildung im Unternehmen durch die digitale Transformation ändert. Der Trend geht in Richtung Virtualisierung und Individualisierung der Weiterbildungsangebote.

Vor dem Hintergrund der neuen Arbeitskultur New Work/Next Work und dem lebenslangen Lernen ist die Grundvoraussetzung für die Vermittlung neuen Wissens und neuer Kompetenzen eine Optimierung der Lernprozesse in der betrieblichen Weiterbildung. Für ihrer Magisterarbeit hat sie die Virtualisierung von verhaltensorientierten Führungskräftetrainings begleitet.

Welche Fragestellungen bist du in deiner Masterarbeit konkret nachgekommen?

Leitend für meine Arbeit waren unter anderen zwei Fragestellungen:

  1. Wie sieht das Lernkonzept eines virtuellen verhaltensorientierten Führungskräftetrainings aus der konstruktivistischen Perspektive bei der Siemens AG aus?
  2. Welches Verhalten kann online trainiert bzw. umgesetzt werden und wie?

Betrachten wir die erste Fragestellung, was meint hier konstruktivistische Perspektive?

Die Lernenden konstruieren und erfinden ihre Wirklichkeit in der Interaktion mit anderen durch Ausprobieren und Selbstreflexion. Die Voraussetzung von gelingendem Lernen ist, dass sie offen an ihre Wirklichkeit herangehen und die Fähigkeit haben, diese zu hinterfragen und nicht als einzig geltende Wahrheit sehen. Dann können neue Einstellungen und Handlungskompetenzen aufgebaut werden.

Wie wurde diese konstruktivistische Perspektive bei dem Design von verhaltensorientierten Führungskräftetrainings genutzt?

Da die Lernenden ihre Wirklichkeit konstruieren, wollten wir so nah wie möglich die Lernsituationen an ihren realen Herausforderungen in ihrem Arbeitsleben ausrichten. So haben wir Situationen identifiziert, mit denen Führungskräfte häufig konfrontiert sind. Beispielsweise haben wir eine Situation beschrieben, in denen die Leistung eines Mitarbeiters signifikant schlechter geworden ist. Um die Echtheit der Situation zu stärken, haben wir Schauspieler eingesetzt, die den Mitarbeiter gespielt haben.

Darüber hinaus haben wir den kommunikativen Austausch in Gruppen im Lerndesign verankert. Damit wird die Selbsterarbeitung der Lerninhalte und auch die eigene Konstruktion von Wissen und Können der Lernenden unterstützt.

Wie bist du deiner zweiten Fragestellung, welches Verhalten online trainiert werden kann, nachgekommen?

Wir haben drei Kriterien aus dem Führungsleitbild näher analysiert: Respekt, Motivieren und Inspirieren sowie Empowerment und Vertrauen. Diese Kriterien haben wir in Verhaltensanker übersetzt und daraus Beobachtungsbogen erstellt. Ein Verhaltensanker bei dem Kriterium Respekt zum Beispiel ist „Honest and transparent about the good and the bad and addresses it“.

Nun haben wir die Kriterien in Rollenspielen eingeübt, d. h. Lernende haben die Möglichkeit im Ausprobieren ihren Handlungsspielraum zu erweitern. Anschließend haben wir hierzu Selbsteinschätzungen der Führungskräfte sowie Fremdeinschätzungen von Feedbackgeberinnen und Feedbackgeber eingeholt und mit Hilfe des 4-Ebenen Modell von Kirkpatrick evaluiert.

Welche Ergebnisse hast du gefunden?

Die Auswertung zeigt, dass Verhaltensweisen, die der Kompetenz Respekt einzuordnen sind, am erfolgreichsten in der Praxis umgesetzt wurden. Mehr als die Hälfte der Teilnehmenden haben dabei eine hohe Ausprägung gezeigt. Die Verhaltensweisen in Bezug auf Respekt können bewusster gesteuert werden und der Effekt auf das positive oder negative Verhalten ist unmittelbar zu beobachten.

Bei der Umsetzung der Verhaltensweisen die der Kompetenz Motivieren und Inspirieren zuzuordnen sind, hat die Hälfte der Teilnehmenden eine moderate Ausprägung gezeigt. Diese Verhaltensweisen werden sehr individuell in der Praxis umgesetzt und entsprechend auch wahrgenommen.

Die geringste Ausprägung der Verhaltensanker wurde bei der der Kompetenz Empowerment und Vertrauen beobachtet. Bei weniger als der Hälfte der Teilnehmenden fehlten wesentliche Elemente. Empowerment und Vertrauen erfordern sozioemotionale Prozesse, die sich über einen längeren Zeitraum entwickeln. Diese sind ebenso stark durch die individuellen Lebenserfahrungen der Teilnehmenden geprägt. Ein Vertrauensaufbau findet grundsätzlich durch eine direkte persönliche Interaktion statt. Somit ist durch eine rein virtuelle Kommunikation der Vertrauensaufbau erschwert.

Du beschreibst in deiner Arbeit die veränderte Rolle von Lehrenden bzw. Learning Specialists. Im Fokus stehe nicht mehr die Vermittlung der Lerninhalte. Wie sehen hier die Veränderungen aus?

Die klassische Rolle, dass Lehrende lediglich Wissen vortragen, wird es so nicht mehr geben. Vielmehr müssen die Lehrenden viel stärker moderieren und unterschiedlichste Rollen einnehmen. Sie müssen Lernziele setzen, Lernfelder und Umfeld verstehen, coachen und gleichzeitig mehr wissen. 

Konstruktivistisch argumentiert müssen die Lehrenden Lernumgebungen so gestalten, dass die Lernenden eigenständig das Wissen bzw. die neuen Verhaltensweisen konstruktivistisch erarbeiten können. Eine reine Wissensvermittlung wäre in dieser Terminologie lediglich eine Rekonstruktion.

Was empfiehlst du denen, die verhaltensorientierte Führungskräftetrainings virtualisieren möchten?

Auf Basis der Literatur und der gewonnenen Erkenntnisse wurden folgende Verbesserungsmöglichkeiten für virtuelle verhaltensorientierte Führungskräftetrainings erarbeitet:

  • Detaillierte Vorbereitung und Strukturiertheit
  • Kürzung und Fokussierung der Inhalte
  • Mehr Zeit für Austausch ermöglichen, da die Kommunikation und die direkte Ansprache noch wichtiger als in Präsenztrainings sind
  • Fokus auf Beziehungsdidaktik (Beziehung Lehrende/ Teilnehmende; Beziehung Teilnehmende / Teilnehmergruppe)
  • Klare Formulierung der Erwartungshaltung an die Teilnehmenden

Das virtuelle Format hat neben vielen Möglichkeiten wie digitale Interaktion, Flexibilität und Zeitersparnis auch einige Einschränkungen, vor allem in Bezug auf den Beziehungsaufbau, der für die Entwicklung sozialer Kompetenzen von großer Bedeutung ist.

Um ein ganzheitliches Lernerfolg zu gewährleisten, sollte für das virtuelle verhaltensorientierte Training ein hybrides Konzept in Betracht gezogen werden. So würde man die Vorteile des Virtuellen und des Präsenten optimal verbinden. Blended Learning oder integriertes Lernen ermöglicht den Mix verschiedener Lernformen und -methoden, um den individuellen Bedürfnissen der Lernenden gerecht zu werden und erhöht die Akzeptanz des Einsatzes neuer Medien.

Herzlichen Dank für das Interview, Kristina

Transaktionsanalyse in Organisationen: Wirrwarr besprechbar machen

Interview

Die Transaktionsanalyse (TA) hilft, kommunikative Muster zu verstehen. Sie bietet ein psychologisches Erklärungsmodell, lässt eine neue Haltung finden und vermittelt handlungsleitende Hinweise zur Gestaltung der Kommunikation. In meinen Trainings haben wir Elemente der Transaktionsanalyse hergenommen, um zum Beispiel Führungsverhalten zu verbessern oder kompetenter mit Konflikten umzugehen. Heute freue ich mich, über die Transaktionsanalyse in Organisationen mit jemand zu sprechen, der sich in seiner Arbeit als Trainer ganz auf die Transaktionsanalyse fokussiert: Steffen Raebricht.

Steffen Raebricht
Steffen Raebricht

Steffen, welche Bedeutung kann die TA für die Kommunikation in Organisationen haben?

Transaktionsanalyse (TA) ist ein System, mit dem die Persönlichkeit von Menschen, deren Kommunikation und zwischenmenschliche Beziehungen analysiert, vorhergesagt und verändert (entwickelt) werden können.

Durch das Analysieren von Gesprächen kann man Muster erkennen, die zum Beispiel zu immer wiederkehrenden Konflikten führen. Solche Muster können Ausdruck von Verhaltensweisen sein, die uns langfristig schaden. Die Tendenz zu neuen Arbeitsaufgaben nicht nein sagen zu können, kann beispielsweise langfristig zu einem Burnout beitragen. Die Art und Weise, wie wir mit anderen Menschen kommunizieren, kann große Auswirkungen haben. 

Die Transaktionsanalyse hilft, diese Muster zu verändern, indem sie uns neue Verhaltensweisen bietet: Zum Beispiel kann man Kollegen, die sich hilflos geben, durch Rückfragen dazu anregen, ins Handeln zu kommen. Man kann raumgreifenden Mitarbeitern Grenzen setzen. Man kann Missverständnisse reduzieren. Man kann Führung auf Augenhöhe gestalten. Man kann auch an seinen eigenen Verhaltensweisen arbeiten und zum Beispiel das Nein sagen lernen.

Insofern kann TA helfen, die Kommunikation in Organisationen zu verbessern und die Produktivität zu steigern.

Bei einer Umfrage gaben 99 der 100 befragten Führungskräfte an, dass ihre kommunikative Kompetenz durch Transaktionsanalyse gestärkt wurde.

In welchen Situationen hilft die TA? Was sind häufige problematische Transaktionsmuster in Organisationen?

Transaktionsanalyse kann in ziemlich allen Situationen hilfreich sein, die wir als problematisch empfinden oder die wir entwickeln wollen. Mit ihren mentalen Landkarten (Konzepte) macht sie die Prozesse sichtbar und gibt Ideen, was man konkret tun könnte.

Das reicht vom Auflösen von Blockaden bei einem Mitarbeiter, über die die Lösung von Konflikten zwischen Kollegen bis hin zum Vorgesetzten, der klarer Kommunizieren möchte.

Die häufigsten problematischen Transaktionsmuster in Organisationen sind:

  • Ungeklärte Verantwortlichkeiten bei Aufgaben, die Missverständnisse, Fehler und Irrtümer zur Folge haben können.
  • Überverantworliche Mitarbeitende, die sich aufreiben und schlimmstenfalls im Burnout enden.
  • Unterverantwortliche Mitarbeitende, die sich hilflos machen oder “dumm” stellen und eine zusätzliche Belastung für Kollegen bedeuten können.
  • Vorgesetzte, die ihre Funktionen nicht wahrnehmen und damit die Produktivität hemmen.
  • Das Zusammenkommen dieser drei Typen und daraus entstehende Beziehungsprobleme mit negativen Folgen für die Produktivität der Organisation und das Betriebsklima.

Ein sehr wichtiges Element sehe ich in der transaktionsanalytischen Haltung, Mitmenschen auf Augenhöhe zu begegnen. Diese Haltung ermöglicht, Situation in neuem Licht zu betrachten. Statt einen sich hilflos stellenden Kollegen als Nichtsnutz abzuwerten, könnte man überlegen: “Welchen Beitrag kann ich dazu leisten, dass der Kollege seine Arbeit erledigt?”

Das heißt nicht, dass man jetzt der Therapeut des Kollegen wird oder seine Arbeit für ihn erledigt. Es könnte eher bedeuten, dass man auf die Verantwortlichkeit des Kollegen setzt, ggf. Unterstützung anbietet oder ihn unter vorheriger Ankündigung nicht mehr aus einem Schlamassel zieht.

Ein anderes wichtiges Element sehe ich in den Konzepten der Transaktionsanalyse.

Eines zum Beispiel wird “Vertragsarbeit” genannt. Das klingt etwas trocken und nach seitenlangen Dokumenten mit kleiner Schrift, die keiner liest.

Tatsächlich geht es bei Vertragsarbeit aber um gelungene und tragfähige Absprachen: In welcher Situation sollte ich Absprachen treffen? Wenn alle im Mittagstief sind oder doch eher, wenn die Energie hoch ist? Jeder weiß inzwischen: Die Kommunikation entsteht beim Empfangenden. “Wie kann ich sicherstellen, dass ich richtig verstanden wurde?” Was tue ich, wenn trotz klarer Absprache das Ergebnis nicht geliefert wird? Das Vertragskonzept der Transaktionsanalyse hält tolle Methoden bereit, Transparenz in die gemeinsame Arbeit zu bringen.

Transaktionsanalyse beruht auf Augenhöhe.

Du warst Offizier bei der Bundeswehr. Wurde die TA bei der Bundeswehr an Offiziere vermittelt?

Transaktionsanalyse war kein Bestandteil der Offiziersausbildung bei der Bundeswehr. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass es ihr gut getan hätte.

Transaktionsanalyse beruht auf Augenhöhe. Davon ist eine Organisation wie die Bundeswehr weit entfernt. Ihre Strukturen mit Dienstgraden, dem soldatischen Gruß und militärischen Abzeichen zielt bewusst auf die Herstellung von “oben und unten” ab.

Das hat Vorteile: Zum Beispiel gibt die Hierarchie den Dienenden viel Orientierung über ihre Stellung, Verpflichtungen und Freiheiten.

Aus diesem Fakt ergeben sich auch die Probleme dieser Organisation. Einige wenige übernehmen das Denken für viele. Der uns angeborene Gestaltungswille wird durch Vorschriften, Vorgesetzte und starre Strukturen ausgebremst.

Menschen, die etwas bewegen wollen, gehen nicht zur Bundeswehr. Denn dort machst du eben nicht, was zählt. 90% deiner Zeit bist du mit Dingen beschäftigt, wie warten, Machtspielchen spielen oder Anträge schreiben.

Transaktionsanalyse hat mir jedoch als Einzelperson in diesem System geholfen. Ich konnte mich erfolgreich gegen Willkür ausübende Vorgesetzte wehren. Ich habe meine Soldaten zum selbst denken angeregt. Ich habe verstanden, dass man in diesem System weiterkommt, wenn man sich anpasst. TA hat mir dabei geholfen mich selbst zu klären. Deswegen habe ich mich entschlossen, die Bundeswehr zu verlassen und den Mut aufzubringen, mich selbstständig zu machen.

Wie gelingt Kommunikation auf Augenhöhe?

Kommunikation auf Augenhöhe fängt mit Selbstreflexion an.

Zunächst kann ich mir die Frage stellen, in welchen Situationen ich nicht auf Augenhöhe kommuniziere. Das hat oftmals etwas mit dem Selbst- und Menschenbild zu tun. Die TA hat dafür das Konzept der “Lebensgrundpositionen”. Es zeigt auf, wie ich mich in einer Situation betrachte. Bin ich okay und finde mein gegenüber vielleicht nicht okay? Oder umgekehrt? Oder sehe ich mich und die andere Person als okay? Dann hätten wir zumindest von meiner Seite bereits Augenhöhe erreicht.

Lebensgrundpositionen
Lebensgrundpositionen

Wenn ich feststelle, dass keine Augenhöhe besteht, weil ich mich selbst oder die andere Person als nicht okay oder sogar uns beide als nicht okay betrachte, kann ich nach Ursachen suchen.

Das können einfache Umstände sein, beispielsweise weil du hungrig bist oder weil du kurz vorher eine schlechte Nachricht erhalten hast. Das können jedoch auch tiefer liegende Ursachen sein, wie beispielsweise Glaubenssätze: “Wer Gefühle zeigt, ist ein Schwächling.” oder “Mein Kollege ist zehn Jahre älter. Dem bin ich doch total unterlegen.”

An solchen Stellen kann ein Hinterfragen zweckmäßig werden. Durch eine Erweiterung der Perspektiven mit Hilfe von TA-Modellen kann Augenhöhe hergestellt werden.

Jedoch ist man im Kommunikationsprozess nicht allein dafür verantwortlich. Gerade hatte ich ein Interessentengespräch mit einer jungen Frau für ein Praktikum bei mir im Unternehmen. Sie war sehr verunsichert. Ich achtete darauf, keine Zeichen von Dominanz zu senden. Wir setzten uns über Eck, ich saß auf einem Hocker, ich stellte interessierte Fragen, alberte ein wenig. Alles Einladungen, um auf Augenhöhe zu kommen.

Sie blieb jedoch kindlich, verunsichert in ihrer ganzen Erscheinung. Da kann ich dann auch nichts machen. Genauso kann es sein, wenn ein Querdenker einem Reporter die Kamera wegschlägt. In solchen Situationen kommt man nicht auf Augenhöhe, weil die andere Seite es nicht möchte.

Wir können also nicht steuern, was unser Gegenüber tut. Wir können lediglich schauen, dass wir wenig bewerten, viele Fragen stellen und die Beziehungsebene verstärken.

Aber: Sollte die junge Frau ihr Praktikum bei mir beginnen, kann es sein, dass sie schneller ihr kreatives Potenzial entfaltet, weil ich konstant weiter Angebote auf Augenhöhe mache. Ich frage nach ihrer Meinung, gebe Gestaltungsspielräume, reagiere gelassen auf Fehler usw.

Meine Mitarbeitenden zeigen ein hohes Maß an Selbstständigkeit. Sie bringen eigene Vorschläge, recherchieren und bilden sich selbstständig weiter, teilen mir mit – was sie für eine gute Arbeit benötigen und arbeiten gern mit mir. Mitunter führen sie mich, wenn sie auf einem Gebiet besser sind als ich. Das nenne ich Augenhöhe.

Wie kann man TA in einem virtuellen Live Training lernen? Was machst du da konkret, bzw. was macht ihr da konkret?

Wenn ich Weiterbildungen durchführe, bekommen die Teilnehmenden Zugriff zu Vorab-Sessions. In diesen finden sie Lernvideos, die die theoretischen Grundlagen legen.

Wenn wir uns dann live treffen, klären wir zunächst Fragen zur Theorie. Anschließend erhalten die Teilnehmenden eine Übung, die in Kleingruppen virtuell und live bearbeitet wird. Häufig sind das Übungen zum Erkennen und zum Umgang mit bestimmten Interaktionsmustern. Zum Beispiel, wie man mit zweideutigen Aussagen von Kollegen umgehen kann. Nach der Übung wird reflektiert, wie die gesammelten Erfahrungen der Übung auf die Praxis übertragen werden können.

In diesen Diskussionen werden dann meistens noch einmal die Möglichkeiten und die Grenzen des jeweiligen Konzepts deutlich gemacht. Viele Teilnehmende haben dann bereits eine Idee, in welchen Situationen sie das verwenden können.

TA- Konzepte machen relevante Dinge im Wirrwarr der Kommunikation sichtbar und besprechbar, die wir sonst nicht adressieren und damit nicht verändern könnten.

TA- Konzepte machen relevante Dinge im Wirrwarr der Kommunikation sichtbar und besprechbar, die wir sonst nicht adressieren und damit nicht verändern könnten. Das sehe ich als eine große Stärke der TA. Diese Stärke können Menschen nutzen, die die Kommunikationsgepflogenheiten ihrer Organisation weiterentwickeln möchten.

Das waren viele interessante Einblicke zur Transaktionsanalyse in Organisationen. Vielen Dank, Steffen!

Virtuelle Nähe – der entscheidende Faktor für die virtuelle Zusammenarbeit

Interview
Stefan Meister
Stefan Meister (intercultures)

Die virtuelle Zusammenarbeit ist mittlerweile der etablierte „Normalzustand“ für Teams und Projektarbeit. Anders als früher nicht nur vorwiegend in der internationalen Zusammenarbeit, sondern heute auch zum Beispiel in der Zusammenarbeit von Mitarbeitern eines Standortes in Deutschland. Der entscheidende Faktor für die Performance in der virtuellen Zusammenarbeit ist die virtuelle Nähe – das sagt Stefan Meister, Kopf von intercultures. Ich spreche heute mit Stefan über dieses Konzept der virtuellen Nähe. Was ist das und was kann das?

Stefan, wir können uns ja viel vorstellen unter „virtueller Nähe“, aber was ist das genau? Was ist „virtuelle Nähe“?

Der Ausgangspunkt war die Frage: Was sind Erfolgskriterien virtueller Zusammenarbeit? Wir, also Marcus Hildebrandt und ich, haben uns vor 15 Jahren diese Frage gestellt. Es gab virtuelle Zusammenarbeit, aber wenig Erkenntnisse über die grundlegenden Mechanismen erfolgreicher virtueller Zusammenarbeit. Zu den Pionieren der Erforschung virtueller Zusammenarbeit gehören Jessica Lipnack und Jeffrey Stamps. Wir sind den Weg weiter gegangen und haben in vielen Workshops, auch international, die Menschen nach ihren Erfolgskriterien gefragt. Die häufigste Antwort war: Vertrauen.

Vertrauen ist die Basis, um erfolgreich virtuell zusammen zu arbeiten. Das können wir uns ja auch leicht vorstellen. Es gab damals eine Internationale Vertrauensforschung. Hier werden mindestens 12 Dimensionen von Vertrauen genannt. Da haben wir gezweifelt, ob man Vertrauen verlässlich international so operationalisieren kann, dass Leitlinien für die Praxis abgeleitet werden können.

Da haben wir gesagt: Lass uns doch mal gucken, ob es etwas gibt, was einfacher zu erfassen ist und eine Grundvoraussetzung für Vertrauen sein könnte. Da sind wir auf das Konzept „virtuelle Nähe“ gekommen.

Virtuelle Nähe ist der Grad, in dem Menschen über eine virtuelle Distanz hinweg sich anderen Menschen, einem Team, einem Zweck oder einem Thema verbunden fühlen.

Virtuelle Nähe ist der Grad, in dem Menschen über eine virtuelle Distanz hinweg sich anderen Menschen, einem Team, einem Zweck oder einem Thema verbunden fühlen. Und Menschen haben ein schnelles Verständnis davon, um was es geht. Virtuelle Nähe ist wahrgenommen, ist gefühlt.

Ihr habt dazu ein Buch veröffentlicht, nämlich „Closeness at a Distance: Leading Virtual Groups to High Performance“.

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Ich sehe den Unterschied von virtueller Nähe zu psychologischer Sicherheit darin, dass sich außer den zwischenmenschlichen Dimensionen auch andere Dimensionen in der virtuellen Nähe wiederfinden, z.B. die gefühlte Nähe zu einem Thema – ich kann mich einem Thema nahe fühlen, weil es mich interessiert oder ich sogar dafür brenne.

Ja, und wenn es virtuelle Nähe gibt und die virtuelle Nähe unterschiedlich erlebt wird, dann ist die nächste Frage: In welchen Bereichen kann ich virtuelle Nähe aufbauen? Wir haben in unserer Forschung 20 Dimensionen ermitteln können, die wir in 5 Kategorien organisiert haben.

Die erste Dimension betrifft die räumliche und zeitliche Trennung. Es geht darum, inwieweit die geografische Trennung als Vorteil oder als Nachteil gesehen wird. Finde ich es vorteilhaft, dass wir geografisch verteilt zusammenarbeiten oder hin ich eher davon genervt?

Die zweite Dimension umfasst das klassische Projektmanagement. Haben wir die richtigen Menschen und Erfahrungen im Team? Haben wir gemeinsam unseren Purpose so definiert, dass unser Purpose attraktiv ist? Wenn die richtigen Menschen beisammen sind und wir unseren Purpose als attraktiv wahrnehmen, dann erleben wir mehr virtuelle Nähe.

Der dritte Bereich ist all das, was die organisatorische Seite betrifft. Haben wir Visibility, haben wir Rückhalt vom Management, haben wir alle benötigten Ressourcen? Wenn die organisatorischen Rahmenbedingungen schlecht sind, können andere positiv ausgeprägte Dimensionen der virtuellen Nähe ausgehebelt werden.

Der vierte Bereich ist die „E-Culture“. Inder müssen nicht Deutsche werden und umgekehrt. Wir begeben uns in einen neuen, künstlichen Raum. Und da dieser Raum neu ist, können wir den aushandeln. Den Raum Indien oder den Raum Deutschland können wir nicht aushandeln. Den neuen virtuellen Raum können wir aushandeln und die Inder müssen nicht mehr Inder bleiben und die Deutschen nicht mehr Deutsche. In diesen Bereich gehört die Fragen: Welche Medien wollen wir für welchen Zweck nutzen? Welche Netiquette soll für uns gelten?

Die „E-Culture“ öffnet Freiräume und kann auch helfen, sich von eigenen kulturellen Hintergründen zu lösen. Was wir da sehen, ist eine Globalisierung der Kultur virtueller Zusammenarbeit.

Und der fünfte Bereich ist die Inklusion. Wir meinen damit nicht nur organisatorische oder nationale kulturelle Unterschiede, sondern auch Arbeitsstile, Kommunikationsstile und Feedbackstile. In der Online-Kommunikation passiert es leicht, dass wir Menschen verlieren. Und wir merken das oft zu spät. Die Frage ist also, wie kann ich einem virtuellen Raum mit Menschen, die völlig unterschiedliche Arbeits- und Kommunikationsstile haben, die vorhandene Vielfalt zum Vorteil nutzen?

Also eine Wertschätzung von Diversität in jeglicher Hinsicht. Ich fasse zusammen:

  • Räumliche und zeitliche Trennung
  • Projektmanagement
  • organisatorische Rahmenbedingungen
  • E-Culture
  • Inklusion

Wie können wir denn den Grad der virtuellen Nähe bestimmen?

Wir haben ein psychometrisches Tool aufgesetzt, das heißt im Moment noch „Virtual Performance Assessment“ (VPA®). Das VPA bildet die gefühlte Nähe – das ist wichtig: die gefühlte Nähe – zu den einzelnen Aspekten ab.

Ausgeprägte virtuelle Nähe bedeutet nicht automatisch hohe Leistung.

Es kann durchaus sein, dass die Ergebnisse nicht den Erwartungen der Befragten entsprechen. Zum Beispiel sind die Teammitglieder der Meinung, wir verbringen viel Zeit in synchroner Kommunikation und finden das toll. Es kann aber sein, dass das kontraproduktiv ist, weil wir dafür extrem viel Zeit investieren müssen. Ausgeprägte virtuelle Nähe bedeutet nicht automatisch hohe Leistung. Wir müssen das immer im Zusammenhang sehen. Das ist wie ein System kommunizierender Röhren. Wir haben ja auch nur eine bestimmte Menge an Energie und wenn wir alle sehr viel synchron miteinander kommunizieren, dann kippt wahrscheinlich etwas an der anderen Seite.

Das ist wohl auch typisch für die Phase, in der wir uns befinden. Ich habe den Eindruck, dass wir zu oft versuchen, die gewohnten synchronen Vorgehensweisen der Zusammenarbeit in die virtuelle Welt zu übertragen, wobei die Möglichkeiten der asynchronen Kommunikation nicht ausgeschöpft werden.

Genau. Und wenn wir in der VPA Auswertung sehen oder in Gesprächen hören, es sei doch klar, welche Medien für welchen Zweck eingesetzt werden, dann sagen wir „lasst uns da lieber gemeinsam draufgucken“. Denn wenn den Menschen die Wahl gelassen wird, sagen die meisten „das machen wir alles synchron“. Und das geht eben nicht, die Menschen und Teams werden überlastet. Wir müssen da strategisch rangehen und die Vorteile der synchronen und der asynchronen Kommunikation bewusst nutzen.

Man sollte sich klarmachen, dass bestimmte Handlungen nur synchron durchgeführt werden können, und andere Handlungen besser asynchron durchgeführt werden. Sogenannte divergente Handlungen, zum Beispiel Brainstorming, Fragen stellen oder Kennenlernen können wir auch asynchron durchführen. Da gibt es häufig erstmal Unverständnis nach dem Motto „was, Kennenlernen asynchron?“, aber das sind Dinge, die man auch asynchron machen kann.

Auf der anderen Seite haben wir konvergente Handlungen, zum Beispiel Entscheidungen treffen oder Konflikte lösen, und diese müssen zwingend synchron durchgeführt werden. Es gibt ja nichts schlimmeres, als Konflikte per E-Mail lösen zu wollen.

Ja, das ist aus meiner Sicht eine typische Situation in vielen Unternehmen: Die Tools sind mittlerweile vorhanden und bereitgestellt. Aber die virtuelle Zusammenarbeit ist anders als die gewohnte Zusammenarbeit, es gelten andere Regeln für Effizienz. Und die neuen Vorgehensweisen müssen ausgehandelt werden.

Damit sprichst du weitere Aspekte der virtuellen Nähe an. Das eine ist das „geteilte Führen“, ein großer Erfolgsfaktor für die virtuelle Zusammenarbeit. Und das geteilte Führen ist auch kulturgebunden. Man kann sich vorstellen, dass das Skandinaviern leichter fällt als Indern. Der zweite Faktor ist ebenfalls ganz wichtig, nämlich die Rahmensetzung. Führen heißt Rahmen setzen. Die meisten Führungskräfte haben noch nicht realisiert, dass sie auch und gerade in der virtuellen Welt ständig Rahmen setzen müssen, zum Beispiel was die Einhaltung von Spielregeln betrifft.

Stefan, ganz lieben Dank für die Einblicke, die du mit uns teilst und deine Zeit!

Wirkungsvoll kommunizieren im digitalen Zeitalter

Wirkungsvoll kommunizieren im digitalen Zeitalter

Gestern habe ich in dem unprätentiösen und nicht nur deshalb zu empfehlendem Podcast „Online-Geister“ gelernt, dass wir Menschen seit ca. 500.000 Jahren die physiologische Voraussetzung haben zu sprechen und seit ca. 250.000 Jahren tatsächlich eine Sprache besitzen.

Im Jahr 2020 haben wir aber nicht nur unsere Sprache, sondern auch eine Vielzahl an kommunikativen und digitalen Tools, die uns helfen, wirkungsvoll zu kommunizieren: Skype for Business, MS Teams, Zoom, Webex Meetings, Yammer oder Conceptboard.
Wie schaffen wir es, bewusst und zielgerichtet mit diesen Tools im digitalen Raum zu kommunizieren, so dass wir uns sicher sind, dass unsere Botschaft bei der richtigen Zielgruppe über den richtigen Kanal wirkt? Wie erlernen wir eine bewusste und effiziente Kommunikation mit Hilfe der Infrastruktur, die unser Unternehmen uns zur Verfügung stellt. Dieser Fragestellung gehen wir seit 2016 für die Siemens AG in dem Live Online Training DIGICOM nach.

Hier gilt, nichts ist so beständig wie der Wandel. Art der Tools und deren Vielzahl ändern sich, wie sich unsere Arbeit ändert. Neue Features und damit auch Möglichkeiten in der Zusammenarbeit und Problemlösung kommen hinzu. Das souveräne Agieren im digitalen Raum ist heute einerseits von dem Wissen der Möglichkeiten, die die Tools bieten bestimmt und gleichzeitig von meinen kommunikativen Fähigkeiten.

Diesen Aspekt vertieft die Product Ownerin von Siemens Learning Campus Dr. Theresia Tauber so:

In unserem Live Online Seminar DIGICOM lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in ihrem Kontext und mit ihren Problemstellungen aus dem Arbeitsalltag ihr kommunikatives Anliegen mit den digitalen Tools umzusetzen. Daher werden Tools nicht als zusätzlich zu erlernende Programme gesehen, sondern als Gebrauchsgegenstände, die der eigenen Arbeit dienen. Deshalb ist DIGICOM keine Toolschulung, sondern ein ganzheitliches Kommunikations-Seminar, das sofort den Teilnehmerinnen und Teilnehmern hilft.“

Wir erarbeiten im DIGICOM individuelle Kommunikationspläne für herausfordernde, kommunikative Fälle der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Ein typischer Fall ist der Aufbau und das Implementieren einer modernen Kommunikations-Struktur für das Projektmanagement. Welche Projektmitglieder muss ich wofür erreichen? Mit welchen Tools wird was kommuniziert. Welche Inhalte können asynchron auf Kollaborations-Plattformen behandelt werden und vor allen Dingen, wie etablieren ich und meine Projektmitglieder die Kommunikationswege.

Das Rahmen-Konzept der 7 Schritte der digitalen Kommunikation strukturiert die Fälle, so dass am Ende des Seminars jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer einen klaren Fahrplan besitzt, wie das kommunikative Anliegen umgesetzt wird: Bewusst und zielgerichtet, mit der richtigen Kommunikation und den richtigen Tools. 

Weitere Informationen zu dem Live Online Seminar erhalten Sie hier >>>

Beitragsbild: Foto von fauxels (Pexels)

Social Media Week – ein Event-Format für die Stärkung der Vernetzungskompetenz

Social Media Week

Im Sinne von „Narrate your work“ berichte ich hier kurz über die Social Media Week, die letzte Woche für Mitarbeiter des Siemens Bereiches Factory Automation stattgefunden hat. Es war die erste virtuelle Social Media Week bei Siemens, mitorganisiert von Global Learning Campus.

Worum es geht

Jeder weiß, dass Social Media irgendwie wichtig sind, und jeder hat Profile auf internen und externen Plattformen. Für die „Normalnutzer“ (also nicht diejenigen, die bereits intensiv Social Media nutzen oder als Influencer unterwegs sind) besteht aber oft auch Unklarheit über den möglichen Nutzen von Social Media und viel Unsicherheit im Umgang mit den Social Media.

  • Was soll das alles?
  • Wie gehe ich um mit meiner privaten Person und meiner professionellen Person?
  • Wofür stehe ich?
  • Wie beeinflusse ich meine Personal Brand positiv?
  • Darf ich das teilen?
  • Welche Inhalte eignen sich zum Teilen?
  • Wie schreibe ich einen guten Post?
  • Warum vernetzen und mit wem?
  • Wie nutze ich Social Media, um mein Netzwerk auszubauen?
  • Zählt Masse oder Klasse?
  • Welche Kanäle sollte ich nutzen?
  • Lohnt es sich, auch auf externen Kanälen präsent zu sein?
  • Machen kann man viel – aber was passt zu mir?
  • Ich möchte wohl gerne, aber ich trau mich nicht – was kann mir helfen, Schritte in die Sichtbarkeit zu gehen?
  • Ich möchte endlich sichtbar werden – wie geht das?
  • Ich möchte gar nicht meine Person verkaufen, ich möchte ein Thema voranbringen – wie geht das?
  • Von welchen Fallbeispielen in meinem Unternehmen kann ich lernen?
  • Wie kann ich andere einbeziehen?
  • Wie schlimm ist es, wenn ich einen Fehler mache?
  • Wie gehe ich um mit Kritik?

Solche und mehr Fragen bewegen sehr viele Menschen in Unternehmen. Man hat früher vielleicht geglaubt, man braucht einfach nur Tools bereitstellen und alles andere passiert von selbst. Aber der Faktor Mensch ist der wichtigste Faktor in diesem Spiel. Bei Social Media geht es in erster Linie um die Menschen, micht um die Technik. Menschen möchten oft erstmal verstehen, was das alles soll, und welche Möglichkeiten sie weiter bringen, bevor sie aktiv(er) werden (vgl. Simon Sinek: „Start With Why„). Daher ist es ein sinnvolles Vorhaben, den Menschen Tipps und Anregungen zu geben, Erfahrungen zu teilen, Möglichkeiten aufzuzeigen, zu inspirieren, und sie einzuladen, präsenter zu werden in den Social Media.

Die Module

Die Social Media Week war voll von Wissen, Erfahrungen, Ideen, Anregungen, Diskussionen, Reflektionen und Lernen. Angeboten wurden fünf Module von unterschiedlichen Experten, gerahmt von einer Key Note Speech und einer Abschluss-Session. Der Module wurde jeweils zwei mal angeboten, so dass immer eine überschaubare Gruppe teilnehmen konnte (10-15 Teilnehmende) und genug Raum für Interaktivität gegeben war. Die Modul-Sessions dauerten je 1,5 Stunden.

Siemens-Influencer Mirko Ross begeisterte in der Key Note dazu, die eigene Social Media Präsenz zu stärken. Menschen folgen Menschen! Was ist deine Superkraft?

Jens Kummermehr zeigte in der Session „Best Practice aus dem Enterprise Social Network bei Siemens“ ausgesuchte Best Practices. Einige Best Practices wurden genauer auf die Erfolgsfaktoren hin analysiert und Ideen generiert, wie diese Faktoren im eigenen Umfeld der Teilnehmenden umgesetzt werden können. Es gibt wunderbare Erfolgsgeschichten, lasst uns davon lernen!

Gerald Petersen (der Autor dieser Zeilen) stellte in der Session „Personal Branding“ das Personal Brand Canvas vor. Auf dem Canvas finden sich die wesentlichen Elemente einer Personal Branding Strategie auf einem Blatt. Auf diese Weise behält man die Übersicht und sieht die Verknüpfungen besser. In dieser Session wurden gleich erste Schritte und kleinere Übungen unternommen. Darüber hinaus gab es wertvolle und ganz praktische Hinweise darauf, was Teilnehmende nach der Woche tun können für ihr Personal Branding. Bring deinen Stern zum leuchten!

Anja Gild teilte in der Session „Der optimale Post“ konkrete Tipps, wie man in Social Media schreibt und Inhalte teilt. Ganz wichtig ist es, echten Mehrwert zu schaffen. Schreibe zielgruppengerecht und nutze Hashtags!

Barbara Engel bereicherte die Diskussion mit der Session „Will ich? Soll ich? Darf ich?„. Viele trauen sich nämlich zunächst nicht hinaus in die Sichtbarkeit. Die narrative Struktur der Heldenreise kann dabei helfen, sich den eigenen Befürchtungen zu stellen und diese auch zu überwinden. Sei mutig!

Jutta Pfister zeigte in der Session „Externe Social Media“ sehr klar, dass auch die externe Social Media Landschaft sehr relevant ist für Mitarbeiter. Da sind nämlich unsere Kunden! Und selbst wenn man selbst nicht so viel teilt: Zuhören ist ganz wichtig!

Abschluss und Eindrücke

In der Abschluss-Session konnten alle Sessions in 5 Minuten von den Sessiongebern zusammengefasst werden. Das ist eine gute Möglichkeit, Lerneffekte zu vertiefen und wichtige Botschaften noch einmal in den Vordergrund zu holen. Nach diesen Recaps folgten Questions & Answers und Rückmeldungen.

Meine Eindrücke: Die Haltung zur Nutzung von Social Media ist noch positiver geworden. Die Teilnehmenden trauen sich mehr zu. Die Vernetzungskompetenz ist stärker geworden. Das Interesse am Thema und an der Veranstaltung war groß (es gab sogar die Frage nach einer Fortsetzung). In der Abschluss-Session wurden nur wenige Fragen gestellt – vielleicht kann man im Nachgang noch erfahren, woran das lag. Es kann natürlich sein, dass die Fragen in den Modul-Sessions bereits gut beantwortet wurden.

Von der Teilnehmerseite gab es positive Rückmeldungen und auch Hinweise zur Verbesserung: Die Sessions sollten zeitlich so aufeinander folgen, dass es zwischen den Sessions eine kurze Pause gibt – für diejenigen, die direkt von einer Session in die nächste wechseln möchten. Und es gab den Wunsch, ruhig etwas längere Sessions anzubieten.

Zur Technik

Das Event war komplett virtuell, alle Beteiligten waren räumlich verteilt. Realisiert wurden die Sessions mit MS Teams und Conceptboard – eine Kombination, die Collaboration ermöglicht und sich wieder mal sehr gut bewährt hat.

Der Ablauf für die Sessions vom Jens und von mir war so gestaltet, dass sich die Gruppe in MS Teams trifft und einen Check-in macht. Dann wechselt die Gruppe in Conceptboard, was über einen geteilten Link sehr einfach und schnell möglich ist. Im Conceptboard führt der Moderator (Sessiongeber) durch die Inhalte und interaktiven Teile der Session. Es gab immer wieder Gelegenheit für die Teilnehmenden, eigene Ideen, Reflektionen und Impulse festzuhalten oder zu teilen.

Wer hat die Woche auf die Beine gestellt?

Die Social Media Week war im Wesentlichen die Co-Creation vom Orga-Team Lea Mengert und Kristina Loncar von Global Learning Campus sowie Julia Herpich und Emely Krimm von DI FA. Vielen Dank nochmal, auch im Namen der Teilnehmenden! So eine Angebot ist nicht selbstverständlich und eine großartige Gelegenheit, sich die Social Media noch mehr zur Freundin zu machen.

Fazit

Eine Veranstaltung wie die Social Media Week ist ein wertvolles Angebot für Mitarbeiter, die in den Social Media bewusster und selbstbewusster agieren möchten und die eigene Vernetzungskompetenz stärken möchten. Das sind zentrale Skills für die heutige agile und vernetzte Arbeitswelt. Daher ist Organisationen und Unternehmen zu empfehlen, die Mitarbeiter nicht mit einer technischen Bereitstellung von Tools allein zu lassen, sondern Angebote wie die Social Media Week zu schaffen, wo es nicht um die Bedienung geht, sondern um die Nutzung.

Social Media ist kein Sprint, sondern ein kontinuierlicher Prozess.

Wie bei allen echten Lernvorgängen geht es jetzt um die weitere Umsetzung. Social Media ist kein Sprint, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Ich wünsche dabei viel Erfolg und viel Spaß!

Was könnte ein nächster Schritt für Teilnehmende sein? Teilnehmende, die mehr wollen, oder am Ball bleiben wollen, können sich einmal ansehen, was es mit Working Out Loud auf sich hat und inwieweit die Teilnahme an einem WOL Circle sie weiterbringt.

Welche Erfahrungen hast du in deiner Organsiation gemacht? Welche Ideen hast du, um die Social-Media-Kompetenz von Mitarbeitern weiter zu entwickeln? Schreibe einen Kommentar!

Beitragsbild: Gerald Petersen

Das Lernen lernen – Wie können wir Lernkompetenz lernen?

Lernen lernen

Lernkompetenz ist die Schlüsselkompetenz für die Zukunft. Wir brauchen Lernkompetenz, weil wir in der VUCA-Welt leben (VUCA = Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity). Die Welt ändert sich stetig und immer schneller, es passieren unvorhergesehene Dinge usw. Daher brauchen wir lebenslanges Lernen und Lernkompetenz, um mit Änderungen Schritt zu halten und uns auf künftige, möglicherweise unbekannte Herausforderungen vorzubereiten.

Sehr anschaulich ist das geworden durch die Corona-Krise. Eine positive Erfahrung dieser Krise ist es, dass Menschen sich anpassen können und neue Kompetenzen aufbauen können, um virtuell zusammenzuarbeiten. Zum Beispiel, Videokonferenzen durchzuführen und die entsprechende Technik zu beherrschen. Also: Lernen geht! Einschränkend muss man aber auch feststellen: Lernen passiert oft nur dann, wenn der äußere Druck da ist. Es muss erst eine Krise geben, eine unausweichliche Notwendigkeit und Alternativlosigkeit.

Was ist Lernkompetenz?

Was ist das eigentlich, Lernkompetenz? Eine Definition (von REFA-Consulting) lautet:

Lernkompetenz ist die Fähigkeit, das eigene Wissen aktiv aufzubauen, zu erhalten und zu erweitern.

In der Wikipedia wird festgestellt: „Zur Lernkompetenz gehört insbesondere auch die Fähigkeit und Bereitschaft, im Beruf und über den Berufsbereich hinaus Lerntechniken und Lernstrategien zu entwickeln und diese zur Weiterbildung zu nutzen.“

„Lernen lernen“, „Lernkompetenz“, „lebenslanges Lernen“ – das sind Konzepte, die in der VUCA-Welt eine noch höhere Bedeutung bekommen haben, soweit ist das richtig. Allerdings werden diese Worte oft so kommuniziert, als seien das neue Entdeckungen. Weit gefehlt (Wikipedia):

Lernen lernen ist ein Schlüsselbegriff der Bildungsreformdebatte. Dieser Begriff wurde durch die Empfehlungen des Deutschen Bildungsrats um 1970 bundesweit rezipiert.
Mit Lernen lernen wurde die ‚Fähigkeit, immer wieder neu zu lernen‘, in den Mittelpunkt der Überlegungen gestellt. Zeitgleich wurde ‚Lebenslanges Lernen‘ (Life-long-learning) als ständiges Dazulernen als quasi kumulatives Verständnis von Lernen als Variante entwickelt.“

Diese Konzepte sind also alles andere als neu (50 Jahre „jung“), nur wurden sie scheinbar kürzlich wiederentdeckt.

Was kann man als Lerner tun, um Lernen zu lernen?

In meinem Studium der Wirtschaftspsychologie musste ich schnell lernen, zu lernen. In der Schule war mir das nicht beigebracht worden. Ich habe – wie alle anderen auch – vorwiegend gelernt, um die geforderten Scheine zu machen und die Prüfungen zu bestehen. Ich habe zusätzliche Lehrveranstaltungen auf freiwilliger Basis gemacht. Projekte im Team waren positive Lernerfahrungen. Und sowieso war alles Lernen selbstgesteuert. Aber einen richtigen Lern-Kick habe ich erst erlebt, als ich völlig auf mich allein gestellt meine Diplomarbeit geschrieben habe. Ich musste Lösungen für Herausforderungen finden, die ich zu Beginn der Arbeit noch gar nicht kannte. Am Ende des Studiums wusste ich, wie man studiert. Ich hätte aber gerne schon zu Beginn des Studiums mehr darüber gewusst, wie man noch effektiver lernt.

Heute findet man viele Hinweise zu diesem Thema im Internet. In diesem Beitrag werden zum Beispiel „13 Tipps aus der Gehirnforschung“ geteilt (ich sehe mal darüber hinweg, dass die meisten Tipps auch vor deren Bestätigung durch die Gehirnforschung bereits in Pädagogik und Psychologie bekannt waren).

Lernen lernen: 13 Tipps aus der Gehirnforschung

Und hier sind die Tipps als Liste:

  • Lerne kurz, aber oft. Lerne regelmäßig, und entspanne zwischendurch.
  • Finde deinen eigenen Stil: Lernst du lieber allein, lieber mit anderen?
  • Schlafe ausreichend und gut. Das hilft, neue Informationen zu verknüpfen.
  • Lerne fokussiert: Vermeide Ablenkungen, suche einen ruhigen Ort, lass das Handy aus.
  • Lerne mit der Pomodoro-Technik: Konzentrier dich für 25 Minuten, mach dann 5 Minuten Pause.
  • Mache die schwierigen Dinge zuerst (danach lernt es sich leichter).
  • Lerne nicht nur. Bewege dich, meditiere, und tausche dich aus.
  • Geh an andere Orte, suche andere visuelle Anhaltspunkte.
  • Nimm Vergnügen ernst! Spaß darf sein.
  • Mache regelmäßige Wiederholungen des Stoffes (nach 1-2 Tagen, nach 1 Woche, nach 1 Monat).
  • Wenn du auswendig lernen oder eine Rede halten willst: Verwende 30% der Zeit für das Lesen und 70 % für das Rezitieren.
  • Teste dich selbst: Eigenleistung ist schwieriger als Konsum, daher verankern sich Eigenleistungen viel besser.
  • Zwinge dich nicht!

Die Tipps sind, unschwer zu erkennen, eher an Wissensaneignung ausgerichtet, nicht an Kompetenzerwerb. Etwas weitergehend und etwas fundierter spricht Barbara Oakley in diesem TED Talk über das Lernen lernen („Learning how to learn“).

Learning How To Learn

Übrigens ist ihr Online-Kurs „Learning How To Learn“ laut Wikipedia „the world’s most popular online course“. Wow!

Was können wir mitnehmen aus Barbara Oakley’s TED Talk? Sie spricht zunächst darüber, auf welchen Umwegen sie Engineering Professor wurde und schließlich bei Neuro Science gelandet ist. Um effektiv zu lernen, sagt sie, benötigen wir zwei völlig unterschiedliche Modi. Den einem Modus nennt sie „Focus Mode„. Das ist die Konzentration auf bestimmte Wahrnehmungen oder Gedanken. Den andere Modus nennt sie „Diffuse Mode„. Dieser Modus ist nicht fokussiert, sondern frei fließend. In diesem Modus kommen wir auf neue Gedanken. Sie zeigt anhand des Bildes vom Flipper, wie man sich das ungefähr vorstellen kann. Der Trick ist, sich in den „Diffuse Mode“ zu bringen, und so in Kontakt zu kommen mit neuen Gedanken. Beim Lernen wechseln wir zwischen den Zuständen.

Wenn du merkst, dass du in einem Lernprozess oder einer Lösungsfindung nicht weiter kommst, beschäftige dich nicht weiter in der fokussierten Art mit dem Thema, sondern wechsle in den entspannten Diffuse Mode. Oakley zeigt anhand von Salvador Dali und Thomas Edison, wie das in der Praxis funktioniert: Man entspannt sich, holt sich aus dem Entspannungszustand, und nutzt die zugeflogenen, heraufkommenden, oder hängengebliebenen Ideen für die fokussierte Arbeit.

Eine weitere Technik, die sie vorschlägt, ist die Pomodoro-Technik (hatten wir oben auch bereits erwähnt, da scheint also was dran zu sein). Man lernt 25 Minuten, und macht dann 5 Minuten etwas, das Spaß macht. So können wir Prokrastination vermeiden. Mit der Pomodoro Technik übst du, fokussiert zu lernen (oder zu arbeiten). Und ebenso lernst du, dich zu entspannen, was ebenfalls Teil des Lernprozesses ist.

Wichtig dabei ist, sich nicht vorzunehmen, ein konkretes Ziel innerhalb von 25 Minuten zu erreichen („In 25 Minuten habe ich einen neuen Blogartikel geschrieben“), sondern 25 Minuten fokussiert zu lernen (oder zu arbeiten).

Dazu gehört auch eine Portion Selbsterkenntnis und Selbstwertschätzung. Wenn ich nicht so konzentriert arbeiten kann wie andere, dann bin ich wahrscheinlich oft kreativer als andere, weil neue Ideen es leichter haben, in das Bewusstsein zu kommen. Wenn ich das Gefühl habe, ich bin langsamer als andere, dann kann ich das auch so sehen, dass ich eben eine andere Art der Fortbewegung habe. Einige fahren einen Sportwagen, andere fahren per Anhalter. Das Erlebnis ist sehr unterschiedlich, aber nicht schlechter.

Als weitere Wege, effektiv zu lernen, nennt Oakley:

  • Übung: Es ist neurophysiologisch gut nachvollziehbar, dass sich auf diesem Wege Nervenverbindungen stärken lassen.
  • Testen: Sich selbst immer wieder prüfen (auch das wurde oben bereits erwähnt).
  • Hausaufgaben erledigen.
  • Für die Aufnahme von Informationen durch Lesen: Lesen, dann wegsehen, und versuchen zu erinnern.

Gemeinsam ist diesen Ansätzen, dass der Konsumanteil geringer wird, und der Eigenleistungsanteil höher wird. Das Lernen geht leichter.

Auch bei Oakley geht es vorwiegend um Wissenserwerb, und sie sagt auch ganz deutlich (Minute 16:45): Verstehen ist wichtig, aber nur dann effektiv, wenn es in die Praxis umgesetzt werden kann.

Oakley hat noch eine besondere Empfehlung für uns: „Don’t just follow your passions! Broaden your passions! And your life will be enriched beyond measure.“

Und was ist mit der Motivation?

Das bringt mich zur nächsten wichtigen Frage: Was ist mit der Motivationsstruktur? Warum soll ich mich als Lerner überhaupt auf den Weg machen, etwas zu lernen? Warum sollte ich meine Neugier erweitern (in Oakleys Worten: „Broaden your passions“)?

Hier verweise ich nur auf das Thema Fixed Mindset vs. Growth Mindset. Dazu komme ich ein anderes mal.

An erster Stelle steht für mich: Bewahre deine Neugier, bewahre deinen Willen zu lernen!

Was können Learning Enabler tun?

Die bisherigen Tipps richten sich an die Lerner. Was können Learning Enabler tun, also wir als Trainer, Weiterbildner, L&D-Experten, damit Lernen effektiv sein kann?

Zunächst können wir die Techniken und Tipps weiter bekannt machen (dieser Blogbeitrag dient ebenfalls diesem Zweck).

Die oben aufgeführten Techniken und Tipps sind hilfreich, wir können aber mehr tun. Es ist so, wie Oakley sagt: Verstehen ist wichtig, aber nur dann effektiv, wenn es in die Praxis umgesetzt werden kann.

Übertragen auf das Corporate Learning bedeutet das, dass E-Learning niemals genug sein kann. Lernen darf nicht nur Lernkonsum sein. Die Menschen brauchen echte Trainingsangebote, um nicht nur zu verstehen, sondern auch Kompetenzen weiter zu entwickeln. Dafür braucht es Freiräume zum Ausprobieren, Feedback, unterschiedliche Herausforderungen, Anwendungs-Übungen. Wenn es nicht nur um Wissensakkumulation geht, sondern auch um Kompetenzerweiterung und Verhaltensänderung, dann brauchen wir Trainings. Für effektives Lernen sollte der Eigenleistungsanteil der Lerner hoch sein!

Auch das Setting ist wichtig. Für ein gutes Lernen brauchen wir eine angenehme Lernumgebung. Seminarhotels und Trainingscenter können da sehr unterschiedlich sein, manche sind funktional kalt und andere sind funktional kreativ oder besonders gastlich. Die Raumgestaltung und Mediengestaltung gehört dazu, ebenso wie die Organisation und der zeitliche Ablauf. Für Live-Online-Trainings ist das Setting vor allem die Toolumgebung. Manche Trainer nutzen nur ein Tool, andere kombinieren geschickt unterschiedliche Tools.

Lernen braucht Zeit. Die Erwartung, dass Lernen stattfindet, indem sich die Lernen auf der Fahrt zum Büro mal eben ein Learning Nugget reinziehen, ist in Wirklichkeit gegen das Lernen gerichtet. Lernen, insbesondere das Lernen von Kompetenzen, braucht Zeit. Die Lerner benötigen Freiraum zum Ausprobieren, Erfahrungen machen, üben und Feedback einholen. Vorgaben wie „bei uns darf ein Seminar nur X Stunden dauern“ sind unsinnig. Das Zeitbudget sollte sich nicht an willkürlichen Limits orientieren, sondern am Lernbedarf der Lerner und den Lernzielen.

Lerner brauchen psychologische Sicherheit (siehe dazu die Beiträge „Psychologische Sicherheit – Voraussetzung für effektive Teams“ und „Psychologische Sicherheit fördern – Maßnahmen, Methoden, konkrete Tipps„). Es muss sehr darauf geachtet werden, dass Lernen von Assessment getrennt wird und nicht mit Eignungsdiagnostik und Leitungsbewertungen vermischt wird. Lerner müssen Fehler machen dürfen, das gehört zum Ausprobieren dazu.

Daher ist auch die Erwartung unsinnig, dass Lernen nur in der Arbeit stattfinden solle. Ich kann nicht Mitarbeiter unvorbereitet losschicken, damit die erst beim Kunden lernen, was sie eigentlich mitbringen sollen. Es ist sehr teuer, Verhandler unvorbereitet in eine Verhandlung zu schicken, damit die durch ihre kostspieligen Fehler in den Verhandlungen lernen. Sehr viel wird während und in der Arbeit gelernt – aber längst nicht alles.

Lernen ohne Anwendung und ohne Rückmeldung ist Konsumlernen und wirkungslos. Zum Lernen gehört die Möglichkeit, Dinge auszuprobieren und Feedback zu erhalten. Feedback ist wichtig, um eigene blinde Flecke zu erkunden und wertvolle Hinweise zum eigenen Verhalten zu bekommen. Feedback ist ein Lernbooster!

Zum Feedback gehört auch, Fortschritte wertzuschätzen. Möglicherweise ist das Lerntempo der Lerner unterschiedlich (siehe oben: Oakleys Analogie von Auto und Anhalter), und Lernbegleiter sollten unterschiedliche Arten von Fortschritten erkennen und wertschätzen können.

Lernen funktioniert nicht wie eine Druckbetankung. Unser Job als Learning Enabler ist es, attraktive Lernangebote und günstige Lernumgebungen zu schaffen und die Lerner zum Lernen anzuregen und zu ermutigen. Dazu gehört auch, dass wir Verständnis dafür aufbringen, dass Verhaltensänderung schwierig sein kann.

Ganz wichtig ist die Metakommunikation, das heißt hier: Mache das Lernen selbst zum Gegenstand der Reflektion. Stelle anregende Fragen zu den Lernerfahrungen der Teilnehmer. Talk about Learning!

Beitragsbild: tomertu (Adobe Stock)

Der Aufbau einer neuen L&D Einheit bei Siemens Energy Learning. Ein Interview mit Alexa Hardtke

Seit April 2020 ist Siemens Energy, in dem das weltweite Energiegeschäft von Siemens gebündelt ist, ein eigenständig geführtes Unternehmen. Zu dieser Eigenständigkeit gehört selbstverständlich auch eine eigene L&D Einheit, die die Anforderungen im Energiegeschäft kennt und auf die spezifischen Lernbedürfnisse der Mitarbeiter*innen eingehen kann. 47 Lernexperten umfasst diese neue Einheit derzeit, Alexa Hardtke ist eine von ihnen. Sie hat wie ihre Kolleg*innen die spannende Herausforderung angenommen, die 88.000 Lernenden im neuen Unternehmen mit den richtigen Lösungen zu versorgen. Ihre Expertise bringt sie von Siemens Global Learning Campus mit, wo sie sich als Senior Consultant und Trainerin unter anderem um Trainings und Projekte auf dem weiten Feld der Kommunikationsthemen gekümmert hat. Schon früh hat sie außerdem E-Learnings entwickelt, u.a. war sie inhaltlich verantwortlich für das größte Web Based Training von Siemens, das allen neuen Mitarbeiter*innen weltweit – immerhin zwischen 25.000 und 30.000 pro Jahr – den Einstieg ins Unternehmen erleichtert.

Alexa Hardtke
Alexa Hardtke

Eine neue L&D Einheit aufzubauen stelle ich mir als unglaublich reizvolle Aufgabe vor. Was ist Eure Vision von Eurer Einheit, dem Siemens Energy Learning?

Das ist tatsächlich eine reizvolle Aufgabe. Denn wir sind komplett auf der grünen Wiese gestartet. Die Erfahrung, die wir alle aus unseren vorherigen Jobs als Lernexperten mitbringen, hilft uns jetzt dabei, Siemens Energy Learning von Grund auf neu zu gestalten. Die Vision ist es, dass sowohl einzelne Mitarbeiter*innen als auch Teams und ganze Organisationseinheiten mit uns ihre Aufgaben besser erfüllen als ohne uns. Für sie wollen wir passende und effektive Lernlösungen anbieten – weltweit. Lernlösungen in dem Sinne, dass wir als vertrauensvoller Partner den 88.000 Kolleg*innen die für sie beste Maßnahme bereitstellen und sie fit für die Zukunft machen. Das kommt natürlich dem ganzen Unternehmen zugute. Denn nur Mitarbeiter, die auf aktuelle und kommende Herausforderungen vorbereitet sind, sind in der Lage, die Unternehmensziele umzusetzen.

Welche Maßnahmen können das sein?

Da bedienen wir uns der gesamten Palette an Tools und Maßnahmen, die die Lernenden unterstützen. Coaching, Workshops, virtuelle und Präsenz-Seminare, E-Learning in vielen verschiedenen Formaten, maßgeschneiderte Trainings für Teams und Learning Consulting für ganze Organisationseinheiten. Aktuell bauen wir eine Learning Experience Plattform auf, die die Klammer zu unserem gesamten Angebot bildet.

Welche Herausforderungen erleben Sie aktuell?

Wir bauen jetzt unsere Einheit bis Oktober auf und gleichzeitig liefern wir bereits. Hinzu kommt das Ausprobieren und Integrieren der VUKA Welt und von New Work. Wie gehen wir mit dem agilen Lernen um? Wie werden wir dem gerecht, dass sich die Rolle der Lernenden verändert, dass beispielsweise in einem Team abwechselnd alle im Lern-Lead sind und eben nicht nur eine Person. Wie unterstützen wir beim „Learning on the Job“? Das sind Fragen, mit denen wir uns beschäftigen.

Was ist hier wichtig in der Abgrenzung zu dem Siemens Global Learning Campus der Siemens AG?

Wir wollen und werden kein zweiter Global Learning Campus sein. Wir verstehen das spezielle Energiegeschäft unserer Kunden und stimmen daraufhin unsere Angebote ab. So sind wir gerade dabei, die Projektmanagement-Ausbildung und den damit verbundenen Zertifizierungsprozess komplett auf Energy auszurichten, mit den Themen und Tools, die im Energy Business benötigt werden. Zu verstehen, wie die Arbeit unserer Kolleg*innen aussieht und was sie brauchen, steht im Fokus.

Und was haben Sie von Global Learning Campus mitgenommen?

Einerseits haben wir unsere Kontakte und unseren hervorragenden Trainerpool mitgenommen. Zusätzlich hatten wir die Möglichkeit, E-Learning Konzepte, die wir bei Siemens bereits ausprobiert und eingesetzt haben, die also weit über die Proof of Concept-Phase hinaus waren, mitzunehmen und für Energy anzupassen. Natürlich profitieren wir grundsätzlich von den vielen Erfahrungen, die wir bei Global Learning Campus gesammelt haben. Unter anderem von der Erfahrung, dass sich vieles auch virtuell realisieren lässt.

Was macht Ihnen persönlich am meisten Spaß an der neuen Aufgabe?

Siemens Energy Learning ist zentralfinanziert. Das heißt, wir L&D-Experten können uns voll mit unseren Ideen und unserer Kreativität einbringen, ohne dass unsere Arbeitskraft von einem internen Investor – einem Auftraggeber – finanziert werden muss. Das gibt uns die Gelegenheit, wertvolle Konzepte Energy-weit ohne Kosten anzubieten – zumindest solange wir keinen externen Partner mit ins Boot holen, was natürlich auch vorkommen wird. So haben wir zum Beispiel vor Kurzem ein neues Format namens Learning Hour entwickelt – eine regelmäßige Veranstaltung, in denen wir aktuelle Lernhöhepunkte einem breiten Publikum virtuell vorstellen und uns dazu austauschen. Ganz neu gibt es auch die Methodenwerkstatt, in der wir mit einem begrenzten Teilnehmerkreis Lernthemen vertiefen. Eine Art Spielwiese, experimenteller und interaktiver als die Learning Hour, um neue Tools und Möglichkeiten der Vermittlung auszuprobieren – alles natürlich virtuell.

Frau Hardtke, ich will Sie gar nicht weiter von Ihrer spannenden Arbeit abhalten und bedanke mich für Ihre Zeit und Ihre Antworten und wünsche viel Erfolg mit Energy.