Die Transaktionsanalyse (TA) hilft, kommunikative Muster zu verstehen. Sie bietet ein psychologisches Erklärungsmodell, lässt eine neue Haltung finden und vermittelt handlungsleitende Hinweise zur Gestaltung der Kommunikation. In meinen Trainings haben wir Elemente der Transaktionsanalyse hergenommen, um zum Beispiel Führungsverhalten zu verbessern oder kompetenter mit Konflikten umzugehen. Heute freue ich mich, über die Transaktionsanalyse in Organisationen mit jemand zu sprechen, der sich in seiner Arbeit als Trainer ganz auf die Transaktionsanalyse fokussiert: Steffen Raebricht.
Steffen, welche Bedeutung kann die TA für die Kommunikation in Organisationen haben?
Transaktionsanalyse (TA) ist ein System, mit dem die Persönlichkeit von Menschen, deren Kommunikation und zwischenmenschliche Beziehungen analysiert, vorhergesagt und verändert (entwickelt) werden können.
Durch das Analysieren von Gesprächen kann man Muster erkennen, die zum Beispiel zu immer wiederkehrenden Konflikten führen. Solche Muster können Ausdruck von Verhaltensweisen sein, die uns langfristig schaden. Die Tendenz zu neuen Arbeitsaufgaben nicht nein sagen zu können, kann beispielsweise langfristig zu einem Burnout beitragen. Die Art und Weise, wie wir mit anderen Menschen kommunizieren, kann große Auswirkungen haben.
Die Transaktionsanalyse hilft, diese Muster zu verändern, indem sie uns neue Verhaltensweisen bietet: Zum Beispiel kann man Kollegen, die sich hilflos geben, durch Rückfragen dazu anregen, ins Handeln zu kommen. Man kann raumgreifenden Mitarbeitern Grenzen setzen. Man kann Missverständnisse reduzieren. Man kann Führung auf Augenhöhe gestalten. Man kann auch an seinen eigenen Verhaltensweisen arbeiten und zum Beispiel das Nein sagen lernen.
Insofern kann TA helfen, die Kommunikation in Organisationen zu verbessern und die Produktivität zu steigern.
Bei einer Umfrage gaben 99 der 100 befragten Führungskräfte an, dass ihre kommunikative Kompetenz durch Transaktionsanalyse gestärkt wurde.
In welchen Situationen hilft die TA? Was sind häufige problematische Transaktionsmuster in Organisationen?
Transaktionsanalyse kann in ziemlich allen Situationen hilfreich sein, die wir als problematisch empfinden oder die wir entwickeln wollen. Mit ihren mentalen Landkarten (Konzepte) macht sie die Prozesse sichtbar und gibt Ideen, was man konkret tun könnte.
Das reicht vom Auflösen von Blockaden bei einem Mitarbeiter, über die die Lösung von Konflikten zwischen Kollegen bis hin zum Vorgesetzten, der klarer Kommunizieren möchte.
Die häufigsten problematischen Transaktionsmuster in Organisationen sind:
Ein sehr wichtiges Element sehe ich in der transaktionsanalytischen Haltung, Mitmenschen auf Augenhöhe zu begegnen. Diese Haltung ermöglicht, Situation in neuem Licht zu betrachten. Statt einen sich hilflos stellenden Kollegen als Nichtsnutz abzuwerten, könnte man überlegen: “Welchen Beitrag kann ich dazu leisten, dass der Kollege seine Arbeit erledigt?”
Das heißt nicht, dass man jetzt der Therapeut des Kollegen wird oder seine Arbeit für ihn erledigt. Es könnte eher bedeuten, dass man auf die Verantwortlichkeit des Kollegen setzt, ggf. Unterstützung anbietet oder ihn unter vorheriger Ankündigung nicht mehr aus einem Schlamassel zieht.
Ein anderes wichtiges Element sehe ich in den Konzepten der Transaktionsanalyse.
Eines zum Beispiel wird “Vertragsarbeit” genannt. Das klingt etwas trocken und nach seitenlangen Dokumenten mit kleiner Schrift, die keiner liest.
Tatsächlich geht es bei Vertragsarbeit aber um gelungene und tragfähige Absprachen: In welcher Situation sollte ich Absprachen treffen? Wenn alle im Mittagstief sind oder doch eher, wenn die Energie hoch ist? Jeder weiß inzwischen: Die Kommunikation entsteht beim Empfangenden. “Wie kann ich sicherstellen, dass ich richtig verstanden wurde?” Was tue ich, wenn trotz klarer Absprache das Ergebnis nicht geliefert wird? Das Vertragskonzept der Transaktionsanalyse hält tolle Methoden bereit, Transparenz in die gemeinsame Arbeit zu bringen.
Transaktionsanalyse beruht auf Augenhöhe.
Du warst Offizier bei der Bundeswehr. Wurde die TA bei der Bundeswehr an Offiziere vermittelt?
Transaktionsanalyse war kein Bestandteil der Offiziersausbildung bei der Bundeswehr. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass es ihr gut getan hätte.
Transaktionsanalyse beruht auf Augenhöhe. Davon ist eine Organisation wie die Bundeswehr weit entfernt. Ihre Strukturen mit Dienstgraden, dem soldatischen Gruß und militärischen Abzeichen zielt bewusst auf die Herstellung von “oben und unten” ab.
Das hat Vorteile: Zum Beispiel gibt die Hierarchie den Dienenden viel Orientierung über ihre Stellung, Verpflichtungen und Freiheiten.
Aus diesem Fakt ergeben sich auch die Probleme dieser Organisation. Einige wenige übernehmen das Denken für viele. Der uns angeborene Gestaltungswille wird durch Vorschriften, Vorgesetzte und starre Strukturen ausgebremst.
Menschen, die etwas bewegen wollen, gehen nicht zur Bundeswehr. Denn dort machst du eben nicht, was zählt. 90% deiner Zeit bist du mit Dingen beschäftigt, wie warten, Machtspielchen spielen oder Anträge schreiben.
Transaktionsanalyse hat mir jedoch als Einzelperson in diesem System geholfen. Ich konnte mich erfolgreich gegen Willkür ausübende Vorgesetzte wehren. Ich habe meine Soldaten zum selbst denken angeregt. Ich habe verstanden, dass man in diesem System weiterkommt, wenn man sich anpasst. TA hat mir dabei geholfen mich selbst zu klären. Deswegen habe ich mich entschlossen, die Bundeswehr zu verlassen und den Mut aufzubringen, mich selbstständig zu machen.
Wie gelingt Kommunikation auf Augenhöhe?
Kommunikation auf Augenhöhe fängt mit Selbstreflexion an.
Zunächst kann ich mir die Frage stellen, in welchen Situationen ich nicht auf Augenhöhe kommuniziere. Das hat oftmals etwas mit dem Selbst- und Menschenbild zu tun. Die TA hat dafür das Konzept der “Lebensgrundpositionen”. Es zeigt auf, wie ich mich in einer Situation betrachte. Bin ich okay und finde mein gegenüber vielleicht nicht okay? Oder umgekehrt? Oder sehe ich mich und die andere Person als okay? Dann hätten wir zumindest von meiner Seite bereits Augenhöhe erreicht.
Wenn ich feststelle, dass keine Augenhöhe besteht, weil ich mich selbst oder die andere Person als nicht okay oder sogar uns beide als nicht okay betrachte, kann ich nach Ursachen suchen.
Das können einfache Umstände sein, beispielsweise weil du hungrig bist oder weil du kurz vorher eine schlechte Nachricht erhalten hast. Das können jedoch auch tiefer liegende Ursachen sein, wie beispielsweise Glaubenssätze: “Wer Gefühle zeigt, ist ein Schwächling.” oder “Mein Kollege ist zehn Jahre älter. Dem bin ich doch total unterlegen.”
An solchen Stellen kann ein Hinterfragen zweckmäßig werden. Durch eine Erweiterung der Perspektiven mit Hilfe von TA-Modellen kann Augenhöhe hergestellt werden.
Jedoch ist man im Kommunikationsprozess nicht allein dafür verantwortlich. Gerade hatte ich ein Interessentengespräch mit einer jungen Frau für ein Praktikum bei mir im Unternehmen. Sie war sehr verunsichert. Ich achtete darauf, keine Zeichen von Dominanz zu senden. Wir setzten uns über Eck, ich saß auf einem Hocker, ich stellte interessierte Fragen, alberte ein wenig. Alles Einladungen, um auf Augenhöhe zu kommen.
Sie blieb jedoch kindlich, verunsichert in ihrer ganzen Erscheinung. Da kann ich dann auch nichts machen. Genauso kann es sein, wenn ein Querdenker einem Reporter die Kamera wegschlägt. In solchen Situationen kommt man nicht auf Augenhöhe, weil die andere Seite es nicht möchte.
Wir können also nicht steuern, was unser Gegenüber tut. Wir können lediglich schauen, dass wir wenig bewerten, viele Fragen stellen und die Beziehungsebene verstärken.
Aber: Sollte die junge Frau ihr Praktikum bei mir beginnen, kann es sein, dass sie schneller ihr kreatives Potenzial entfaltet, weil ich konstant weiter Angebote auf Augenhöhe mache. Ich frage nach ihrer Meinung, gebe Gestaltungsspielräume, reagiere gelassen auf Fehler usw.
Meine Mitarbeitenden zeigen ein hohes Maß an Selbstständigkeit. Sie bringen eigene Vorschläge, recherchieren und bilden sich selbstständig weiter, teilen mir mit – was sie für eine gute Arbeit benötigen und arbeiten gern mit mir. Mitunter führen sie mich, wenn sie auf einem Gebiet besser sind als ich. Das nenne ich Augenhöhe.
Wie kann man TA in einem virtuellen Live Training lernen? Was machst du da konkret, bzw. was macht ihr da konkret?
Wenn ich Weiterbildungen durchführe, bekommen die Teilnehmenden Zugriff zu Vorab-Sessions. In diesen finden sie Lernvideos, die die theoretischen Grundlagen legen.
Wenn wir uns dann live treffen, klären wir zunächst Fragen zur Theorie. Anschließend erhalten die Teilnehmenden eine Übung, die in Kleingruppen virtuell und live bearbeitet wird. Häufig sind das Übungen zum Erkennen und zum Umgang mit bestimmten Interaktionsmustern. Zum Beispiel, wie man mit zweideutigen Aussagen von Kollegen umgehen kann. Nach der Übung wird reflektiert, wie die gesammelten Erfahrungen der Übung auf die Praxis übertragen werden können.
In diesen Diskussionen werden dann meistens noch einmal die Möglichkeiten und die Grenzen des jeweiligen Konzepts deutlich gemacht. Viele Teilnehmende haben dann bereits eine Idee, in welchen Situationen sie das verwenden können.
TA- Konzepte machen relevante Dinge im Wirrwarr der Kommunikation sichtbar und besprechbar, die wir sonst nicht adressieren und damit nicht verändern könnten.
TA- Konzepte machen relevante Dinge im Wirrwarr der Kommunikation sichtbar und besprechbar, die wir sonst nicht adressieren und damit nicht verändern könnten. Das sehe ich als eine große Stärke der TA. Diese Stärke können Menschen nutzen, die die Kommunikationsgepflogenheiten ihrer Organisation weiterentwickeln möchten.
Das waren viele interessante Einblicke zur Transaktionsanalyse in Organisationen. Vielen Dank, Steffen!