Influence Skills im digitalen Raum

ISDA

Im letzten Jahr haben wir sechs Live Online Trainings ISDA durchgeführt. ISDA bedeutet Influencing Skills For The Digital Age. Hier geht es um das Aneignen von exzellenten Influencing Skills und dem souveränen Agieren im digitalen Raum. Eine der Absolventinnen ist Katrin Fruh. Sie hat im Januar 2022 teilgenommen. Ein guter Zeitpunkt also, einmal zurückzuschauen, was aus den Beeinflussungs-Fertigkeiten wurde. Sie arbeitet bei Siemens Healthineers im Bereich Treasury und kümmert sich um die Konzern-Versicherungsprogramme.

Mit welchen Erwartungen bist Du in das Training?
Im Vorfeld war für mich klar, wenn ich das Training abgeschlossen habe, dann kann ich besser und nachvollziehbarer erklären und meinen Standpunkt deutlich machen. Meine Erwartungen waren hoch, da ich in das Training und meine Fähigkeiten eine Woche Zeit investieren wollte. Das Training sollte in fünf Sessions am Vormittag stattfinden.

Inwieweit wurden diese Erwartungen erfüllt und wie viel konntest Du anwenden?
Das Training war für mich eine Inspiration, mich mit meiner Sprache und deren Wirkung näher auseinander zu setzen. Ich habe angefangen verschiedene Situation zu reflektieren. Die Fragen, die ich mir stelle, sind:

  • Ist bei meinem Gegenüber das angekommen, was ich ihm mitteilen wollte?
  • War meine Sprache präzise genug?
  • War der Aufbau meiner Inhalte logisch nachvollziehbar?

Durch das Reflektieren und die konsequente Anwendung vertiefen sich die Fertigkeiten immer mehr.

Was ist Dir aus dem ISDA-Training am stärksten in Erinnerung geblieben?
Aus dem Training konnte ich ein Tool mitnehmen, dass ich jetzt regelmäßig anwende: das Energie-Modell. Beim Small Talk bewege ich mich im grünen Bereich (Verhaltensweisen, die zum gegenseitigen Verständnis führen), die blaue Energie (logisch, rationale Beeinflussung) nutze ich für das Bilden von Argumentationsketten und um Lösungen zu erreichen, rot (schnelle vereinbarungsorientierte Kommunikation) ist für Entscheidungen und für Strategien und Visionen nutze ich die violette Energie.

Beeinflussung ist ein Life-Skill. Was nimmst Du hiervon mit, was Du auch außerhalb der Arbeit nutzen kannst?
Persönlich – und auch bei der Arbeit – würde ich mich als eine Person bezeichnen, die sich in der blauen (logisch, rationalen) Energie sehr wohlfühlt und ausgeprägte Stärken im grünen (empathischen) Bereich hat.
Nach dem Training setze ich bewusst mehr rote Energie ein, um Entscheidungen herbeizuführen und unkonstruktive Diskussionen abzukürzen. Sehr wahrscheinlich haben diese Abkürzungen bereits dazu geführt, dass das Zeitinvestment des Trainings schon längst wieder ausgeglichen wurde.

Herzlichen Dank, liebe Katrin, für Deine Antworten.

Business Theater – Ganzheitlich und innovativ

Tobias Gelbert ist Diplom-Psychologe mit fast 20 Jahren Beratungs- und Führungserfahrung als Senior Manager und Geschäftsführer. Sehr lange war er im Ausland tätig, vor allem in Asien. Mit Begeisterung unterstützt er Menschen bei ihren Veränderungen in komplexen Organisationen.

Gleichzeitig hat er eine Ausbildung als Schauspieler und produziert Theater und Performing Arts. Theater ist also seine zweite große Leidenschaft. Business und Theater hat er jetzt bei GOXAM verbunden und führt hier Business Theater Trainings, Workshops und Events durch.

GOXAM Business Theater
Tobias Gelbert


Was bedeutet für Dich Business Theater?

Business Theater fokussiert den Aspekt des Performens im Geschäftsalltag, betrifft also Führungskräfte, aber auch alle, die regelmäßig präsentieren und andere überzeugen. Dabei geht es ja nicht nur um die reine Kommunikation von Inhalten, sondern auch um Leidenschaft, Unterhaltung, Glaubwürdigkeit. All das sind entscheidende Elemente der Performing Arts: On-stage überzeugen. Business Theater schließt den Kreis vom analytischen Vortrag zur leidenschaftlichen Überzeugung.

Was sind die Zielsetzungen, wenn Ihr Business Theater in Unternehmen durchführt?

Die Zielsetzungen unseres Business Theaters sind die Entwicklung von Soft Skills und die Erweiterung des eigenen Verhaltensrepertoires. Wir haben festgestellt, dass theoretisches Wissen nur bedingt weiterhilft. Allein dadurch, dass ich schon einmal von Aktiv Zuhören gehört habe, habe ich es noch nicht verinnerlicht und ausgeübt. Viele Synapsen verschalten sich erst beim Machen. Erst das eigene Erleben, das tatsächliche Begreifen und das intensive, spielerische Ausprobieren neuer Lösungen bringt entscheidende Fortschritte auf der Verhaltensebene.

Hier setzen wir mit Business Theater an. Wir führen ungewöhnliche Ansätze aus Theater und darstellender Kunst zusammen. Die Trainings setzen wichtige Impulse und zeigen neue Blickwinkel auf sich und andere – bei Führungspersönlichkeiten und auch in hoch diversifizierten Teams.

Wie ist typischer Weise die Situation von Unternehmen, wenn sie Dich buchen?

Ich denke wir sind interessant für Teams und Organisationen, die bereits seit einiger Zeit bei der Persönlichkeitsentwicklung unorthodoxe, nicht-traditionelle Wege gehen oder gehen wollen, also hier explorieren und bereit sind, etwas anderes auszuprobieren. Sie sind davon überzeugt, dass nur so ein ganzheitliches Entwicklungskonzept funktionieren kann mit echter Umsetzung und echter Änderung. Wir Menschen sind komplexe Wesen, die Situationen im Leben, auf die wir treffen, egal ob geschäftlich oder privat, werden ebenfalls immer komplexer und damit herausfordernder. Es ist also verständlich, nach ganzheitlichen Methoden zu streben, komplementär zu den traditionellen Wegen.

Wie sehen typische Sessions Eurer Maßnahme aus?

Wir konzipieren die Sessions individuell, es kommt auf einige Faktoren an: Wie groß ist die Gruppe? Kennen sich die Teammitglieder gut? Gibt es Konflikte, von denen man weiß? Gibt es spezifische Lernziele, wie z. B. Stimmtraining, Körpersprache oder Umgang mit Lampenfieber.
Die Übungen drehen sich üblicherweise um die Themenkomplexe individuelle Entwicklung, Team- und Organisationsentwicklung und Kreativität und Innovation.

Um was geht es im Themenkomplex „Individuelle Entwicklung“?

Die Teilnehmenden können spielerisch Neues lernen. Alle können sich ausprobieren und neue Kommunikationsstile anwenden. Es geht hier nicht nur um das Wissen und das Machen, sondern auch um den emotionalen Aspekt von Verhalten. Das emotionale Verhalten ist ein entscheidender Faktor in Führung und Management. Wieder geht es um Glaubhaftigkeit. Vertraue ich dem Mensch on-stage? Ist das überzeugend? Lasse ich mich von ihr / ihm führen?

Was leistet Euer Business Theater im Bereich „Team- und Organisationsentwicklung“?

Mit unserer Intervention können wir Vertrauen und Resilienz aufbauen, ganz im Sinne der Psychologischen Sicherheit. Wir können Konflikte nicht nur vage erkennen, sondern sie konkret sichtbar machen, um sie dann konstruktiv zu lösen. Das Gemeinsame steht im Mittelpunkt. Theater eröffnet dabei neue Perspektiven und stärkt den Teamgeist. Inspirierend und ganzheitlich.

Wann bearbeitet Ihr das Thema „Kreativität und Innovation“ mit Business Theater?

Schwierige Situationen brauchen kreative Lösungen. Genau dorthin führt der gezielte Einsatz des darstellenden Spiels, wir trainieren die Fähigkeit, out-of-the-box zu denken. Das stärkt Selbstvertrauen und Empathie und versetzt ihr Unternehmen in die Lage, innovative neue Lösungen zu entwickeln. Dabei arbeiten immer mit dem gesamten Team mit absoluter Transparenz und Offenheit, das ist essenziell. Hierarchien gibt es bei uns nicht.

Herzlichen Dank, Tobias, für das spannende Thema und die spannenden Antworten.

Hybride Zusammenarbeit – eine Standortbestimmung


Ich spreche heute mit Gesine Engelage-Meyer, zusammen mit Sonja Hanau Autorin des Buches „Mit hybriden Teams mehr erreichen“, das ich bereits hier vorgestellt habe. Im Anschluss an ein Arbeitsmeeting reden wir locker über den Stand der Dinge in  der hybriden Zusammenarbeit.

Gesine Engelage-Meyer (Foto: Inga Sommer)

Gesine, was ist dein Hintergrund, was war dein Weg zum Thema hybride Zusammenarbeit?

Ich habe einen Hintergrund in Prozessoptimierung. Zehn Jahre lang habe ich in der Zentrale der Marke Montblanc Projekte geleitet und Prozesse optimiert. Dabei war mir aufgefallen, dass der Erfolg von Veränderung im Unternehmen vor allem am Miteinander hängt. Vor acht Jahren habe ich mich selbstständig gemacht als kommunikative Begleiterin für Change Projekte. Mit der Pandemie-Situation habe ich lernen dürfen, auch Online gute Voraussetzungen für fruchtbaren Austausch und Dialog zu schaffen. Im Herbst 2020 habe ich Sonja Hanau kennengelernt und wir haben den Thinktank „Hybrid und gut zusammenarbeiten“ gegründet. Aus der erfolgreichen Arbeit mit diversen Teams an diesem Thema ist das Buch „Mit hybriden Teams mehr erreichen“ hervor gegangen, das vor kurzem veröffentlicht wurde.

Was hat sich für dich geändert durch das Buch?

Ich habe mehr Wirkungsgrad, um Ideen und Gedanken zu vermitteln, ohne dass ich direkt mit Menschen in Kontakt bin. Das hatte ich schon vorher über den Blog und die Website, aber durch das Buch hat sich das sehr gesteigert. Ich bekomme viel wertvolles Feedback und das ist sehr spannend. Wir bekommen auch Fotos zugeschickt von Lesern samt Buch. Sonja ist zum Beispiel gerade von der Süddeutschen Zeitung interviewt worden. Das zeigt, dass wir eine hohe Reichweite haben durch das Buch.

Zum Thema virtuelle oder hybride Zusammenarbeit. Es gab in letzter Zeit Vorschläge zu einer festen Zeitaufteilung zwischen Bürozeit und Homeoffice. Zum Beispiel: 3 Tage Büro, 2 Tage Homeoffice. Wie sinnvoll findest du das?

Wenn das eine allgemeine Regelung von oben ist, finde ich das nicht sinnvoll. Die Organisation sollte einen Rahmen vorgeben, ansonsten sollte aber das Team überlegen, welche Aufgaben besser im Büro und welche Aufgaben besser aus dem Homeoffice heraus geleistet werden können. Und dementsprechend entscheiden und Absprachen treffen. Für welche Aufgaben ist welches Format besser geeignet? Wenn Präsenz im Büro hilfreich ist, sollte es einen Tag geben, an dem viele Teams vor Ort sind, damit die Zeit für Begegnungen genutzt werden kann.

Und wenn wir wieder mehr in die Präsenz gehen: Wie sollten moderne Büros gestaltet sein?

Ich finde es wichtig, dass Menschen mit Menschen zusammenkommen, einfach zum Kaffeetrinken oder um als Team kreativ zu sein. Das Büro ist jetzt vor allem ein Ort der Begegnung. Es muss also Flächen geben, die das unterstützen. Es sollte eine große Cafeteria geben, Workshop-Räume, flexible Kreativ-Räume, und Räume, in denen konzentriert gearbeitet werden kann und in denen in Ruhe Videokonferenzen stattfinden können.

Das klassische Großraum-Büro hat ausgedient. Was ist mit Konflikten? Die Konflikte sind ja nicht weg, sie werden aber in der virtuellen Welt weniger ausgetragen. Wie können wir besser mit Konflikten umgehen?

In der Pandemie-Situation ist vieles untergegangen, was konfliktbeladen war – man hatte erstmal damit zu tun, sich an die neue Situation anzupassen. Es gab weniger informellen Kontakt, weniger spontanen Zugang, weniger Begegnung. Da hat sich manchmal etwas angestaut, weil man noch nicht den Weg gefunden hat, den Konflikt zu handeln. Man hat sich um Dringendes gekümmert und wenig reflektiert und metakommuniziert. Wie können wir mit Konflikten umgehen? Wir können ganz viel vorbeugend tun. Im Team muss es die regelmäßige Gelegenheit geben, zu Themen offen sprechen zu können. Im Jour Fixe kann es dafür ein festes Zeitfenster geben: Was läuft gut, was läuft nicht gut? Dafür ist Vertrautheit ganz wichtig.

Eine psychologische Sicherheit im Team. Man muss Dinge offen sagen können, ohne befürchten zu müssen, dafür eins auf den Deckel zu bekommen.

Richtig. Im Buch „Schluss mit dem Hintenrum-Gerede!“ von Maja Storch und Johannes Storch wird gezeigt, wie wir das Hintenrum-Gerede sein lassen können. Stattdessen können wir alle „grmpfl“ rauslassen. „Grmpfl“, das sind unsere impulsiven Reaktionen auf Störsignale. Auch unsere Bingos sollten wir teilen, also unsere Reaktion auf Dinge, die wir toll finden. Zusätzlich zu den regelmäßigen Meetings benötigen wir ein bis zwei mal im Jahr auch bewusste Zeit zusammen, außerhalb der gewohnten Arbeitsumgebung, und von externer Seite moderiert. Das ist einerseits eine vorbeugende Maßnahme, andererseits können sich viele gefühlte Konflikte damit auch besser klären lassen. Viel anstrengender, als über Schwieriges im Team offen zu sprechen, ist das „Nicht-darüber-sprechen“.

Was sind die drei wichtigsten Hebel, damit ein Meeting effektiv wird?

An erster Stelle steht aus meiner Sicht das gemeinsame Verständnis, was das Ziel ist: Wir brauchen Klarheit im Team darüber, was am Ende des Meetings anders sein soll. Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Konzentration auf den Austausch. Eine Ein-Weg-Kommunikation in Form der Präsentation endloser Powerpoint Charts kann ich auch anders hinbekommen, dafür brauche ich kein Meeting. Im Meeting sollte der Fokus auf Dialog und Erkenntnisgewinn liegen. Und ein dritter Erfolgsfaktor ist es, ein Meeting auch wirklich zu moderieren.

Ja, das sind wirklich ganz wichtige Punkte. Zum Thema Moderation möchte ich noch eine Beobachtung teilen, die ich ganz häufig gemacht habe: Viele Meetings werden nicht moderiert. Und wenn jemand moderiert, dann ist es oft die Führungskraft. Warum? Die Führungskraft selbst zieht sich diesen Schuh an, und das wirkt oft ungünstig zusammen mit impliziten Erwartungen der Teammitglieder. Ich empfehle, dass die Führungskraft nicht automatisch moderiert, sondern dass die Moderation als Rolle verstanden wird, die im Team rotierend übernommen wird.

Vielen Dank, Gesine, für das Gespräch!

Dualer Studiengang in der Pandemie

Seit 2020 ist Christian Herrmann für die kaufmännische Ausbildung bei Siemens Smart Infrastructure Electrical Products verantwortlich. Die Pandemie hat viele Prozesse unseres gewohnten Arbeitslebens verändert und auf den Kopf gestellt. Daher ist Christian Herrmann besonders stolz, dass trotz dieser Umstände rund 20 Dual Studierende in den letzten zwei Jahren eine fundierte Ausbildung genießen konnten. Wir wollten von ihm wissen, welche Erfahrungen er als Ausbildungsleiter in der Pandemie gemacht hat.

Was war die größte Herausforderung für Euch in der Pandemie?

Die größte Herausforderung war, dass wir das Leben vor Ort im Büro nicht erlernen konnten. Im Gegensatz zu der technischen Ausbildung, die weiterhin vor Ort stattfand, war bei uns in den kritischen Phasen der Pandemie zu 100 % Homeoffice angesagt.

Das Lernen mit dem Blick über die Schulter der erfahrenen Kolleginnen und Kollegen fiel durch die Pandemie aus. Ein Erlernen des normativen Verhaltens im Büroalltag konnte nicht stattfinden. Es gab keinen informellen Austausch in der Teeküche. Und auch das Verständnis, wann ich Anerkennung erhalte, was sind Aufgaben, die ich übernehmen kann, konnte sich nicht ausprägen.

Auch in den Einsatzabteilungen selbst war es für die Dual Studierenden nicht einfach, sichtbar zu sein. In einem komplett virtuellen Umfeld auf neue Auszubildende aufmerksam zu machen, die für Einsätze bereitstehen, ist sehr herausfordernd.

Insbesondere die Sozialkompetenz – wie gehe ich mit Menschen im Berufsleben um – entwickelt sich über reale Erfahrungen. Wenn diese wegfallen, wird es schwierig. Das ist ähnlich wie mit Kindern, die nicht in die Kita gehen und dort eben nicht den alltäglichen Situationen ausgesetzt sind. Sie lernen auch nicht, sich mit anderen auseinander zu setzen. Im Homeoffice gibt es keinen Konflikt mit Kolleginnen und Kollegen, wer die Spülmaschine leerräumt oder den letzten Kaffee verbraucht hat.

Wie seid Ihr damit umgegangen?

Wo es möglich war, haben wir uns mit den Abteilungen abgestimmt und die Dual Studierenden ins Büro geholt. Uns war wichtig, dass sie ein Minimum an Büroatmosphäre schnuppern können.

Die Dual Studierenden haben ein Projekt aufgesetzt, wie wir und sie in der Ausbildung mit dem New Normal umgehen und entsprechende Spielregeln definiert. Drei der Spielregeln, die gut funktioniert haben, waren:

  1. In virtuellen Meetings wird in der Regel immer die Kamera eingeschaltet.
  2. Bewusste Nutzung von Job Shadowing.
  3. Wöchentliche „Check-Ins“ mit dem jeweiligen Betreuer aus der Abteilung für einen regelmäßigen Austausch „wie läuft’s“, „wie ist die Auslastung“ und „wie ist die Stimmungslage“.

Was sind Eure Key Learnings?

Begreife die Krise als Chance: Mache Dir die Nachteile zunutze und verwandle sie in Vorteile. Früher hieß es oft „Das geht nicht!“. Die letzten zwei Jahre haben uns aber gezeigt, was alles (im Virtuellen) möglich ist. Wir wurden standortunabhängiger und konnten den Geschäftsgedanken in den Mittelpunkt setzen.

Wenn wir vor der Pandemie überlegt haben, ob wir eine Vor-Ort-Besprechung mit Kolleginnen und Kollegen in Regensburg abhalten, so bedeutete das zwei Stunden für Hin- und Rückfahrt. Jetzt ist es selbstverständlich, ein Online Teams-Meeting aufzusetzen. Die Standorte sind dadurch noch mehr zusammengewachsen.

Das gilt vor allem auch für die Dual Studierenden. Früher haben sich die Studierenden der unterschiedlichen Standorte zwar besucht, einen regelmäßigen Austausch gab es jedoch nicht. Durch digitale Möglichkeiten konnten sich die Studierenden jetzt standortübergreifend vernetzen und eine gemeinsame Identität entwickeln.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Bereiche, die aus dem Homeoffice nicht optimal bedient werden konnten, müssen nun neu gestärkt werden. Insbesondere ist das die Pflege der zwischenmenschlichen Kontakte, vor allem bei Kolleginnen und Kollegen, die sich noch nicht seit Jahren oder gar Jahrzehnten persönlich kennen.

Unsere beiden jüngsten Jahrgänge kennen Siemens fast nicht ohne Pandemie. Viele von ihnen haben sich daher noch nie persönlich vor Ort gesehen. Selbst ich habe bis vor Kurzem noch nicht alle persönlich kennengelernt. Bei unserer ersten Betriebsfeier seit Pandemie-Beginn im Mai 2022 konnten wir das nun endlich nachholen. Ich habe sofort die Energie gespürt, die durch das persönliche Kennenlernen entstanden ist und freue mich schon darauf, zu sehen, wo uns die Reise mit dieser neuen Basis hinbringt.

Wichtig ist in meinen Augen, jetzt keine Dogmen oder allzu strengen Regeln aufkommen zu lassen, sondern im Gegenteil die neue Flexibilität des Arbeitens und Lernens für uns positiv zu nutzen. Im Mittelpunkt steht jetzt für uns, die Entwicklung der nächsten Monate und Jahre beobachten und für uns die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Was funktioniert bereits und was muss noch weiter verbessert werden.

Vielen Dank, Christian, für das Gespräch.

Verhaltensorientierte Führungskräftetrainings virtualisieren

Kristina Loncar

Kristina Loncar hat im Rahmen eines dualen Studiums bei der Siemens AG ihr Magisterstudium in Management Business Development abgeschlossen. Dabei konnte sie miterleben, wie rasant sich die Weiterbildung im Unternehmen durch die digitale Transformation ändert. Der Trend geht in Richtung Virtualisierung und Individualisierung der Weiterbildungsangebote.

Vor dem Hintergrund der neuen Arbeitskultur New Work/Next Work und dem lebenslangen Lernen ist die Grundvoraussetzung für die Vermittlung neuen Wissens und neuer Kompetenzen eine Optimierung der Lernprozesse in der betrieblichen Weiterbildung. Für ihrer Magisterarbeit hat sie die Virtualisierung von verhaltensorientierten Führungskräftetrainings begleitet.

Welche Fragestellungen bist du in deiner Masterarbeit konkret nachgekommen?

Leitend für meine Arbeit waren unter anderen zwei Fragestellungen:

  1. Wie sieht das Lernkonzept eines virtuellen verhaltensorientierten Führungskräftetrainings aus der konstruktivistischen Perspektive bei der Siemens AG aus?
  2. Welches Verhalten kann online trainiert bzw. umgesetzt werden und wie?

Betrachten wir die erste Fragestellung, was meint hier konstruktivistische Perspektive?

Die Lernenden konstruieren und erfinden ihre Wirklichkeit in der Interaktion mit anderen durch Ausprobieren und Selbstreflexion. Die Voraussetzung von gelingendem Lernen ist, dass sie offen an ihre Wirklichkeit herangehen und die Fähigkeit haben, diese zu hinterfragen und nicht als einzig geltende Wahrheit sehen. Dann können neue Einstellungen und Handlungskompetenzen aufgebaut werden.

Wie wurde diese konstruktivistische Perspektive bei dem Design von verhaltensorientierten Führungskräftetrainings genutzt?

Da die Lernenden ihre Wirklichkeit konstruieren, wollten wir so nah wie möglich die Lernsituationen an ihren realen Herausforderungen in ihrem Arbeitsleben ausrichten. So haben wir Situationen identifiziert, mit denen Führungskräfte häufig konfrontiert sind. Beispielsweise haben wir eine Situation beschrieben, in denen die Leistung eines Mitarbeiters signifikant schlechter geworden ist. Um die Echtheit der Situation zu stärken, haben wir Schauspieler eingesetzt, die den Mitarbeiter gespielt haben.

Darüber hinaus haben wir den kommunikativen Austausch in Gruppen im Lerndesign verankert. Damit wird die Selbsterarbeitung der Lerninhalte und auch die eigene Konstruktion von Wissen und Können der Lernenden unterstützt.

Wie bist du deiner zweiten Fragestellung, welches Verhalten online trainiert werden kann, nachgekommen?

Wir haben drei Kriterien aus dem Führungsleitbild näher analysiert: Respekt, Motivieren und Inspirieren sowie Empowerment und Vertrauen. Diese Kriterien haben wir in Verhaltensanker übersetzt und daraus Beobachtungsbogen erstellt. Ein Verhaltensanker bei dem Kriterium Respekt zum Beispiel ist „Honest and transparent about the good and the bad and addresses it“.

Nun haben wir die Kriterien in Rollenspielen eingeübt, d. h. Lernende haben die Möglichkeit im Ausprobieren ihren Handlungsspielraum zu erweitern. Anschließend haben wir hierzu Selbsteinschätzungen der Führungskräfte sowie Fremdeinschätzungen von Feedbackgeberinnen und Feedbackgeber eingeholt und mit Hilfe des 4-Ebenen Modell von Kirkpatrick evaluiert.

Welche Ergebnisse hast du gefunden?

Die Auswertung zeigt, dass Verhaltensweisen, die der Kompetenz Respekt einzuordnen sind, am erfolgreichsten in der Praxis umgesetzt wurden. Mehr als die Hälfte der Teilnehmenden haben dabei eine hohe Ausprägung gezeigt. Die Verhaltensweisen in Bezug auf Respekt können bewusster gesteuert werden und der Effekt auf das positive oder negative Verhalten ist unmittelbar zu beobachten.

Bei der Umsetzung der Verhaltensweisen die der Kompetenz Motivieren und Inspirieren zuzuordnen sind, hat die Hälfte der Teilnehmenden eine moderate Ausprägung gezeigt. Diese Verhaltensweisen werden sehr individuell in der Praxis umgesetzt und entsprechend auch wahrgenommen.

Die geringste Ausprägung der Verhaltensanker wurde bei der der Kompetenz Empowerment und Vertrauen beobachtet. Bei weniger als der Hälfte der Teilnehmenden fehlten wesentliche Elemente. Empowerment und Vertrauen erfordern sozioemotionale Prozesse, die sich über einen längeren Zeitraum entwickeln. Diese sind ebenso stark durch die individuellen Lebenserfahrungen der Teilnehmenden geprägt. Ein Vertrauensaufbau findet grundsätzlich durch eine direkte persönliche Interaktion statt. Somit ist durch eine rein virtuelle Kommunikation der Vertrauensaufbau erschwert.

Du beschreibst in deiner Arbeit die veränderte Rolle von Lehrenden bzw. Learning Specialists. Im Fokus stehe nicht mehr die Vermittlung der Lerninhalte. Wie sehen hier die Veränderungen aus?

Die klassische Rolle, dass Lehrende lediglich Wissen vortragen, wird es so nicht mehr geben. Vielmehr müssen die Lehrenden viel stärker moderieren und unterschiedlichste Rollen einnehmen. Sie müssen Lernziele setzen, Lernfelder und Umfeld verstehen, coachen und gleichzeitig mehr wissen. 

Konstruktivistisch argumentiert müssen die Lehrenden Lernumgebungen so gestalten, dass die Lernenden eigenständig das Wissen bzw. die neuen Verhaltensweisen konstruktivistisch erarbeiten können. Eine reine Wissensvermittlung wäre in dieser Terminologie lediglich eine Rekonstruktion.

Was empfiehlst du denen, die verhaltensorientierte Führungskräftetrainings virtualisieren möchten?

Auf Basis der Literatur und der gewonnenen Erkenntnisse wurden folgende Verbesserungsmöglichkeiten für virtuelle verhaltensorientierte Führungskräftetrainings erarbeitet:

  • Detaillierte Vorbereitung und Strukturiertheit
  • Kürzung und Fokussierung der Inhalte
  • Mehr Zeit für Austausch ermöglichen, da die Kommunikation und die direkte Ansprache noch wichtiger als in Präsenztrainings sind
  • Fokus auf Beziehungsdidaktik (Beziehung Lehrende/ Teilnehmende; Beziehung Teilnehmende / Teilnehmergruppe)
  • Klare Formulierung der Erwartungshaltung an die Teilnehmenden

Das virtuelle Format hat neben vielen Möglichkeiten wie digitale Interaktion, Flexibilität und Zeitersparnis auch einige Einschränkungen, vor allem in Bezug auf den Beziehungsaufbau, der für die Entwicklung sozialer Kompetenzen von großer Bedeutung ist.

Um ein ganzheitliches Lernerfolg zu gewährleisten, sollte für das virtuelle verhaltensorientierte Training ein hybrides Konzept in Betracht gezogen werden. So würde man die Vorteile des Virtuellen und des Präsenten optimal verbinden. Blended Learning oder integriertes Lernen ermöglicht den Mix verschiedener Lernformen und -methoden, um den individuellen Bedürfnissen der Lernenden gerecht zu werden und erhöht die Akzeptanz des Einsatzes neuer Medien.

Herzlichen Dank für das Interview, Kristina

Transaktionsanalyse in Organisationen: Wirrwarr besprechbar machen

Interview

Die Transaktionsanalyse (TA) hilft, kommunikative Muster zu verstehen. Sie bietet ein psychologisches Erklärungsmodell, lässt eine neue Haltung finden und vermittelt handlungsleitende Hinweise zur Gestaltung der Kommunikation. In meinen Trainings haben wir Elemente der Transaktionsanalyse hergenommen, um zum Beispiel Führungsverhalten zu verbessern oder kompetenter mit Konflikten umzugehen. Heute freue ich mich, über die Transaktionsanalyse in Organisationen mit jemand zu sprechen, der sich in seiner Arbeit als Trainer ganz auf die Transaktionsanalyse fokussiert: Steffen Raebricht.

Steffen Raebricht
Steffen Raebricht

Steffen, welche Bedeutung kann die TA für die Kommunikation in Organisationen haben?

Transaktionsanalyse (TA) ist ein System, mit dem die Persönlichkeit von Menschen, deren Kommunikation und zwischenmenschliche Beziehungen analysiert, vorhergesagt und verändert (entwickelt) werden können.

Durch das Analysieren von Gesprächen kann man Muster erkennen, die zum Beispiel zu immer wiederkehrenden Konflikten führen. Solche Muster können Ausdruck von Verhaltensweisen sein, die uns langfristig schaden. Die Tendenz zu neuen Arbeitsaufgaben nicht nein sagen zu können, kann beispielsweise langfristig zu einem Burnout beitragen. Die Art und Weise, wie wir mit anderen Menschen kommunizieren, kann große Auswirkungen haben. 

Die Transaktionsanalyse hilft, diese Muster zu verändern, indem sie uns neue Verhaltensweisen bietet: Zum Beispiel kann man Kollegen, die sich hilflos geben, durch Rückfragen dazu anregen, ins Handeln zu kommen. Man kann raumgreifenden Mitarbeitern Grenzen setzen. Man kann Missverständnisse reduzieren. Man kann Führung auf Augenhöhe gestalten. Man kann auch an seinen eigenen Verhaltensweisen arbeiten und zum Beispiel das Nein sagen lernen.

Insofern kann TA helfen, die Kommunikation in Organisationen zu verbessern und die Produktivität zu steigern.

Bei einer Umfrage gaben 99 der 100 befragten Führungskräfte an, dass ihre kommunikative Kompetenz durch Transaktionsanalyse gestärkt wurde.

In welchen Situationen hilft die TA? Was sind häufige problematische Transaktionsmuster in Organisationen?

Transaktionsanalyse kann in ziemlich allen Situationen hilfreich sein, die wir als problematisch empfinden oder die wir entwickeln wollen. Mit ihren mentalen Landkarten (Konzepte) macht sie die Prozesse sichtbar und gibt Ideen, was man konkret tun könnte.

Das reicht vom Auflösen von Blockaden bei einem Mitarbeiter, über die die Lösung von Konflikten zwischen Kollegen bis hin zum Vorgesetzten, der klarer Kommunizieren möchte.

Die häufigsten problematischen Transaktionsmuster in Organisationen sind:

  • Ungeklärte Verantwortlichkeiten bei Aufgaben, die Missverständnisse, Fehler und Irrtümer zur Folge haben können.
  • Überverantworliche Mitarbeitende, die sich aufreiben und schlimmstenfalls im Burnout enden.
  • Unterverantwortliche Mitarbeitende, die sich hilflos machen oder “dumm” stellen und eine zusätzliche Belastung für Kollegen bedeuten können.
  • Vorgesetzte, die ihre Funktionen nicht wahrnehmen und damit die Produktivität hemmen.
  • Das Zusammenkommen dieser drei Typen und daraus entstehende Beziehungsprobleme mit negativen Folgen für die Produktivität der Organisation und das Betriebsklima.

Ein sehr wichtiges Element sehe ich in der transaktionsanalytischen Haltung, Mitmenschen auf Augenhöhe zu begegnen. Diese Haltung ermöglicht, Situation in neuem Licht zu betrachten. Statt einen sich hilflos stellenden Kollegen als Nichtsnutz abzuwerten, könnte man überlegen: “Welchen Beitrag kann ich dazu leisten, dass der Kollege seine Arbeit erledigt?”

Das heißt nicht, dass man jetzt der Therapeut des Kollegen wird oder seine Arbeit für ihn erledigt. Es könnte eher bedeuten, dass man auf die Verantwortlichkeit des Kollegen setzt, ggf. Unterstützung anbietet oder ihn unter vorheriger Ankündigung nicht mehr aus einem Schlamassel zieht.

Ein anderes wichtiges Element sehe ich in den Konzepten der Transaktionsanalyse.

Eines zum Beispiel wird “Vertragsarbeit” genannt. Das klingt etwas trocken und nach seitenlangen Dokumenten mit kleiner Schrift, die keiner liest.

Tatsächlich geht es bei Vertragsarbeit aber um gelungene und tragfähige Absprachen: In welcher Situation sollte ich Absprachen treffen? Wenn alle im Mittagstief sind oder doch eher, wenn die Energie hoch ist? Jeder weiß inzwischen: Die Kommunikation entsteht beim Empfangenden. “Wie kann ich sicherstellen, dass ich richtig verstanden wurde?” Was tue ich, wenn trotz klarer Absprache das Ergebnis nicht geliefert wird? Das Vertragskonzept der Transaktionsanalyse hält tolle Methoden bereit, Transparenz in die gemeinsame Arbeit zu bringen.

Transaktionsanalyse beruht auf Augenhöhe.

Du warst Offizier bei der Bundeswehr. Wurde die TA bei der Bundeswehr an Offiziere vermittelt?

Transaktionsanalyse war kein Bestandteil der Offiziersausbildung bei der Bundeswehr. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass es ihr gut getan hätte.

Transaktionsanalyse beruht auf Augenhöhe. Davon ist eine Organisation wie die Bundeswehr weit entfernt. Ihre Strukturen mit Dienstgraden, dem soldatischen Gruß und militärischen Abzeichen zielt bewusst auf die Herstellung von “oben und unten” ab.

Das hat Vorteile: Zum Beispiel gibt die Hierarchie den Dienenden viel Orientierung über ihre Stellung, Verpflichtungen und Freiheiten.

Aus diesem Fakt ergeben sich auch die Probleme dieser Organisation. Einige wenige übernehmen das Denken für viele. Der uns angeborene Gestaltungswille wird durch Vorschriften, Vorgesetzte und starre Strukturen ausgebremst.

Menschen, die etwas bewegen wollen, gehen nicht zur Bundeswehr. Denn dort machst du eben nicht, was zählt. 90% deiner Zeit bist du mit Dingen beschäftigt, wie warten, Machtspielchen spielen oder Anträge schreiben.

Transaktionsanalyse hat mir jedoch als Einzelperson in diesem System geholfen. Ich konnte mich erfolgreich gegen Willkür ausübende Vorgesetzte wehren. Ich habe meine Soldaten zum selbst denken angeregt. Ich habe verstanden, dass man in diesem System weiterkommt, wenn man sich anpasst. TA hat mir dabei geholfen mich selbst zu klären. Deswegen habe ich mich entschlossen, die Bundeswehr zu verlassen und den Mut aufzubringen, mich selbstständig zu machen.

Wie gelingt Kommunikation auf Augenhöhe?

Kommunikation auf Augenhöhe fängt mit Selbstreflexion an.

Zunächst kann ich mir die Frage stellen, in welchen Situationen ich nicht auf Augenhöhe kommuniziere. Das hat oftmals etwas mit dem Selbst- und Menschenbild zu tun. Die TA hat dafür das Konzept der “Lebensgrundpositionen”. Es zeigt auf, wie ich mich in einer Situation betrachte. Bin ich okay und finde mein gegenüber vielleicht nicht okay? Oder umgekehrt? Oder sehe ich mich und die andere Person als okay? Dann hätten wir zumindest von meiner Seite bereits Augenhöhe erreicht.

Lebensgrundpositionen
Lebensgrundpositionen

Wenn ich feststelle, dass keine Augenhöhe besteht, weil ich mich selbst oder die andere Person als nicht okay oder sogar uns beide als nicht okay betrachte, kann ich nach Ursachen suchen.

Das können einfache Umstände sein, beispielsweise weil du hungrig bist oder weil du kurz vorher eine schlechte Nachricht erhalten hast. Das können jedoch auch tiefer liegende Ursachen sein, wie beispielsweise Glaubenssätze: “Wer Gefühle zeigt, ist ein Schwächling.” oder “Mein Kollege ist zehn Jahre älter. Dem bin ich doch total unterlegen.”

An solchen Stellen kann ein Hinterfragen zweckmäßig werden. Durch eine Erweiterung der Perspektiven mit Hilfe von TA-Modellen kann Augenhöhe hergestellt werden.

Jedoch ist man im Kommunikationsprozess nicht allein dafür verantwortlich. Gerade hatte ich ein Interessentengespräch mit einer jungen Frau für ein Praktikum bei mir im Unternehmen. Sie war sehr verunsichert. Ich achtete darauf, keine Zeichen von Dominanz zu senden. Wir setzten uns über Eck, ich saß auf einem Hocker, ich stellte interessierte Fragen, alberte ein wenig. Alles Einladungen, um auf Augenhöhe zu kommen.

Sie blieb jedoch kindlich, verunsichert in ihrer ganzen Erscheinung. Da kann ich dann auch nichts machen. Genauso kann es sein, wenn ein Querdenker einem Reporter die Kamera wegschlägt. In solchen Situationen kommt man nicht auf Augenhöhe, weil die andere Seite es nicht möchte.

Wir können also nicht steuern, was unser Gegenüber tut. Wir können lediglich schauen, dass wir wenig bewerten, viele Fragen stellen und die Beziehungsebene verstärken.

Aber: Sollte die junge Frau ihr Praktikum bei mir beginnen, kann es sein, dass sie schneller ihr kreatives Potenzial entfaltet, weil ich konstant weiter Angebote auf Augenhöhe mache. Ich frage nach ihrer Meinung, gebe Gestaltungsspielräume, reagiere gelassen auf Fehler usw.

Meine Mitarbeitenden zeigen ein hohes Maß an Selbstständigkeit. Sie bringen eigene Vorschläge, recherchieren und bilden sich selbstständig weiter, teilen mir mit – was sie für eine gute Arbeit benötigen und arbeiten gern mit mir. Mitunter führen sie mich, wenn sie auf einem Gebiet besser sind als ich. Das nenne ich Augenhöhe.

Wie kann man TA in einem virtuellen Live Training lernen? Was machst du da konkret, bzw. was macht ihr da konkret?

Wenn ich Weiterbildungen durchführe, bekommen die Teilnehmenden Zugriff zu Vorab-Sessions. In diesen finden sie Lernvideos, die die theoretischen Grundlagen legen.

Wenn wir uns dann live treffen, klären wir zunächst Fragen zur Theorie. Anschließend erhalten die Teilnehmenden eine Übung, die in Kleingruppen virtuell und live bearbeitet wird. Häufig sind das Übungen zum Erkennen und zum Umgang mit bestimmten Interaktionsmustern. Zum Beispiel, wie man mit zweideutigen Aussagen von Kollegen umgehen kann. Nach der Übung wird reflektiert, wie die gesammelten Erfahrungen der Übung auf die Praxis übertragen werden können.

In diesen Diskussionen werden dann meistens noch einmal die Möglichkeiten und die Grenzen des jeweiligen Konzepts deutlich gemacht. Viele Teilnehmende haben dann bereits eine Idee, in welchen Situationen sie das verwenden können.

TA- Konzepte machen relevante Dinge im Wirrwarr der Kommunikation sichtbar und besprechbar, die wir sonst nicht adressieren und damit nicht verändern könnten.

TA- Konzepte machen relevante Dinge im Wirrwarr der Kommunikation sichtbar und besprechbar, die wir sonst nicht adressieren und damit nicht verändern könnten. Das sehe ich als eine große Stärke der TA. Diese Stärke können Menschen nutzen, die die Kommunikationsgepflogenheiten ihrer Organisation weiterentwickeln möchten.

Das waren viele interessante Einblicke zur Transaktionsanalyse in Organisationen. Vielen Dank, Steffen!

Noch mehr Ideen zum Aufbau von Beziehungen im virtuellen Raum

Methoden zum Beziehungsaufbau

Gabriele Beitinger hat uns Anfang des Jahres die impliziten Methoden des Beziehungsaufbaus im virtuellen Raum nähergebracht. Dort, wo wir Implizites finden, gibt es sicherlich auch Explizites.

Also Gabi, welche expliziten Möglichkeiten nutzt du, um Beziehungen im virtuellen Raumaufzubauen?

Die Tools bieten unzählige Möglichkeiten für den expliziten Beziehungsaufbau. Lass uns das strukturieren.

Ok, wie nutzt du Video und Mikro?

In einer E-Mail vor Beginn des Seminars, manchmal in einem vorgeschalteten Kick-Off, bitte ich die Teilnehmer, sich einen Raum zu suchen, in dem sie sich bei angeschaltetem Video wohlfühlen und wo sie frei und offen sprechen können. Bei meinen Zooms sind Mikrophone und Video der Teilnehmer beim Eintritt angeschaltet. Dies steht symbolsprachlich dafür, dass die Mitwirkung erwünscht ist.

Wie nutzt du Annotate und Share?

Bei Zoom nutze ich sehr viel die Annotate Funktion, die es den Teilnehmern ermöglicht anonym oder namentlich Ideen schriftlich, gleichzeitig einzubringen. Ebenso nutze ich die Möglichkeit, dass Teilnehmer Unterlagen und den Bildschirm zu teilen. Symbolsprachlich unterstützt das die symmetrische Kommunikation.

Und die Breakout Rooms?

In kleineren Gruppen ist es leichter, offen zu sprechen. Sich zu zeigen, ist eine Grundvoraussetzung für den Aufbau natürlicher Beziehungen. Deshalb baue ich viele Möglichkeiten ein an Themen in Breakout Rooms zu arbeiten. Hier ergeben sich auch wertvolle Gelegenheiten für die informelle Kommunikation.

Was machst du neben dem Nutzen der Features noch für den Beziehungsaufbau im virtuellen Raum?

Das sind die vier Punkte „den Anfang gestalten“, „Orientierung geben“, „Teilnehmer-Impulse statt Trainer-Impulse“ und die „Meta-Ebene nutzen“

Beginnen wir mit „den Anfang gestalten“, was machst du da?

Wie im Präsenzseminar nehme ich mir am Anfang etwas Zeit über Ziele zu sprechen und darüber, wie wir sie erreichen wollen. Dabei betone ich, dass für mich ein gutes Seminar eines ist, bei dem wir alle voneinander lernen. Dadurch signalisiere ich meinen Wunsch nach symmetrischer Beziehungsgestaltung und begründe damit, dass die Teilnehmer einander gegenseitig ihre Ziele bezüglich des Seminars mitteilen. Auf diese Weise können wir an den Themen von allen arbeiten und sie immer wieder aufgreifen. Dies fördert die Offenheit und damit den Beziehungsaufbau zwischen den Teilnehmern.

Was bedeutet „Teilnehmer-Impulse statt Trainer-Impulse“?

Neben offenen Reflexionen und Diskussionen nutze ich auch Übungen, die im Präsenzseminar z. B. reihum stattfinden würden. Virtuell lasse ich z. B. den jeweiligen Teilnehmer bestimmen, wer weitermachen soll. Ich nutze hier auch die Möglichkeit, die Teilnehmer selbst wählen zu lassen, in welchen Breakout Room sie gehen wollen.

Beim Aufbau von natürlichen Beziehungen geht es ja nicht darum, dass jeder extravertiert und „people-oriented“ sein muss, sondern dass man so, wie man ist und je nach dem, was man braucht, mit einander Kontakt aufnimmt.

Was machst du bei „Orientierung geben“?

Wenn wir darüber sprechen, wie wir im Seminar vorgehen wollen, mache ich klar, dass es z. B. auch völlig in Ordnung ist, wenn jemand sagt, dass er eine Übung nicht machen möchte, oder ihm etwas zu persönlich ist. Beim Aufbau von natürlichen Beziehungen geht es ja nicht darum, dass jeder extravertiert und „people-oriented“ sein muss, sondern dass man so, wie man ist und je nach dem, was man braucht, mit einander Kontakt aufnimmt. Manchmal bitte ich auch um Übernahme von Rollen. Zum Beispiel frage ich: „Gibt es hier jemanden, der / die eher ungeduldig ist?“ Dann bitte ich darum, offen zu äußern, wenn das Gefühl da ist, wir sollten schneller machen. Ebenso verfahre ich mit „Fokus und Struktur“ und „Atmosphäre“. Ich mache deutlich, dass es sich bei diesen Rollen nicht um Verantwortung (die liegt bei uns allen) sondern um Aufmerksamkeit auf diese Punkte handelt. Wir betrachten und steuern so unsere Kommunikation gemeinsam und können leichter Phänomene oder Störungen auf der Meta-Ebene ansprechen.

Genau, was verstehst du unter „Meta-Ebene nutzen“?

Ich stelle auch während des Seminars immer wieder auf der Meta-Ebene den Bezug zu persönlicher Kommunikation her. „Wie leicht, oder wie schwer ist es, hier in dieser Runde, etwas Kritisches zu sagen oder offen anzusprechen)?“, „Woran liegt das?“
So können wir Gruppenphänomene und virtuelle Hürden thematisieren, erkennen und leichter überwinden.

Vielen Dank, Gabi für deinen tollen Antworten.

Gabriele Beitinger und ich haben uns im Mai 2020 virtuell kennengelernt und entwickeln unsere Arbeitsbeziehung seitdem über Zoom, MS Teams und Mobiltelefon stetig weiter. Mittlerweile haben wir uns mit anderem zu dem Team Angels & Charlies formiert.

Beitragsbild by Marvin Meyer on Unsplash

Aufbau von Beziehungen in virtuellen Trainings und Seminaren

Gabriele Beitinger ist Kommunikationstrainerin, Präsenz, mit Leib und Seele, seit mehr als 30 Jahren. Gleichzeitig ist sie Digital Native – in ihrem Fall heißt das, sie ist in Daten-Türmen, Lochkarten und Riesencomputern aufgewachsen, weil ihr Vater sich mit der Entwicklung künstlicher Intelligenz befasste und sie als Kind dort häufig ihre Nachmittage verbrachte.

Als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie (Prof. Dr. Heinz Mandl LMU) war sie an der Entwicklung innovativer Lernumgebungen beteiligt, die das Internet schon in den 1990ern vorwegnahmen. Im Rahmen von Europa Projekten zur Förderung digitaler Kommunikation ist sie seit 2005 Online Coach.

Gabriele Beitinger ist eine teilnehmerorientierte Trainerin. Der Aufbau einer natürlichen Beziehung zu den Teilnehmern und Teilnehmerinnen ist da relevant. Die leitende Frage in unserm Interview ist, wie macht sie das nun virtuell?

Wenn man denkt, dass der virtuelle Raum künstlich ist, so halte ich dagegen, dass auch der Seminarraum im Präsenzseminar künstlich ist.

Alle Welt fragt sich, wie schaffe ich es, im virtuellen Raum Beziehungen aufzubauen mit Menschen, die ich vorher noch nicht „in echt“ kennengelernt habe. Wie machst du das in deinen virtuellen Seminaren und Workshops?

Zunächst ist das eine Einstellungssache. Wenn du glaubst, dass es Qualitätsunterschiede im Aufbau von Beziehungen zwischen virtuellen und Präsenz Seminaren gibt, dann beschneidest du dich selbst. Es ist und bleibt ein Mensch, mit dem du kommunizierst und Kommunikation sind hier alle Informationen, die du implizit oder explizit sendest und empfängst, ganz im Sinne des Credos „Man kann nicht nicht kommunizieren“.

Wenn man denkt, dass der virtuelle Raum künstlich ist, so halte ich dagegen, dass auch der Seminarraum im Präsenzseminar künstlich ist. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen sind aus ihrer natürlichen Umgebung herausgenommen. Ich kann hier keinen Hund bellen hören oder ein Kind durch die Laptop Kamera tanzen sehen.

Du sagst implizit kommunizieren. Was meinst du damit und was hat das mit dem Beziehungsaufbau zu tun?

Implizite Informationen sind die, die der Mensch neben der eigentlichen Kommunikation sendet. Welche Hintergründe in Web-Meetings werden gezeigt. Was haben wir in den letzten Monaten nicht alles an Dachböden, Kinderzimmer oder Hobbykeller gesehen, in denen konferiert wurde. Das, was ich da zeige, beeinflusst Kommunikation und Beziehungsaufbau – ohne dass explizit darüber gesprochen werden muss.

Für mich entsprechen diese – geplanten und ungeplanten – Hintergründe oft den Informationen, die wir im persönlichen Umgang über z. B. Körperhaltung, Bewegung im Raum, Handlung (z. B. jemandem einen Kaffee anbieten oder die Tür aufhalten) Kleidung insgesamt oder auch Geruch bekommen.

Wenn ich z. B. in einem virtuellen Meeting verspreche, eine E-Mail zu schicken, und ich das dann auch gleich tue, sende ich damit auch eine Botschaft: dass mir mein Gesprächspartner wichtig ist und ich mich an meine Absprachen halte. Auch im virtuellen gibt es hier Unterschiede zwischen dem, wie wir wahrgenommen werden, wie wir uns selbst wahrnehmen und wie bewusst wir damit umgehen.

Wie setzt du diese implizite oder auch informelle Kommunikation in deinen virtuellen Seminaren ein?

Ich nutze den Fuzzy Start und das Fuzzy Ending. Dabei stelle ich eine Analogie her zu den Präsenzseminaren. In Präsenzseminaren beamen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ja auch nicht auf die Sekunde zum Seminarbeginn in den Seminarraum. Vielmehr gibt es die Möglichkeit vor dem offiziellen Start zu einem Gespräch oder Klärung einer Frage. Genauso verhält es sich mit dem Ende. Wir verschwinden hier ja auch nicht auf Knopfdruck, sondern Raum und Zeit zum Austausch ist gegeben. Also sage ich meinen Teilnehmern und Teilnehmerinnen, ich bin bereits einige Minuten vor dem Start da und am Ende des virtuellen Seminars bleibe ich auch noch eine Weile.

So handhabe ich es auch mit den Pausen. In den Pausen lasse ich die Kamera an, hole mir einen Kaffee und setzte mich kaffetrinkenderweise vor die Kamera. Wer dazukommen will, ist herzlich eingeladen. Wir können über Inhaltliches oder sonstiges sprechen.

Was gibt es noch für implizite Möglichkeiten zum Beziehungsaufbau?

Da gibt es eine ganze Reihe. Was zeige ich im Hintergrund (künstlich, echt, neutral, persönlich…)? Wie viel zeige ich von meinem Haus? Welche Plakate oder Bilder hängen da? Was habe ich an und wie sitze ich da? Selbst so etwas, dass ich trinke und was ich trinke und aus welchem Gefäß sendet Informationen, die den Small Talk anfeuern können und dem High Talk den Boden bereiten. Falls jemand am Ende des Seminars das persönliche Gespräch sucht, finden wir auch einen geschützten Raum dieses durchzuführen.

Oder nehmen wir ein einfaches Beispiel: den Augenkontakt. In persönlichen Treffen weiß ich immer, wann bzw. ob mir mein Gegenüber in die Augen schaut. Virtuell kann das täuschen. Aber auch das kann man sich zu eigen machen, indem man es anspricht, und deutlich macht, dass wir hier alle in einem Boot sitzen. Z. B.: „Hmm, kann es sein, dass Ihre Kamera seitlich steht? – Das ist manchmal echt schwierig, man weiß nie, ob man die anderen wirklich ansehen oder in die Kamera schauen soll…“ Schon seufzen alle und teilen sich gegenseitig mit, wie schwierig das manchmal bei den Gegebenheiten im Office oder Home-Office ist, Computer und Kamera richtig auszurichten. – Schon hat man eine Menge „Common Ground“ und angefangen (zumindest im Kleinen), natürliche Beziehungen aufzubauen.

Ich bin mir sicher, du wendest auch eine Reihe expliziter Methoden zum Beziehungsaufbau in einer virtuellen Umgebung an. Lass uns dazu bald hier austauschen.

Das machen wir.

Virtuelle Nähe – der entscheidende Faktor für die virtuelle Zusammenarbeit

Interview
Stefan Meister
Stefan Meister (intercultures)

Die virtuelle Zusammenarbeit ist mittlerweile der etablierte „Normalzustand“ für Teams und Projektarbeit. Anders als früher nicht nur vorwiegend in der internationalen Zusammenarbeit, sondern heute auch zum Beispiel in der Zusammenarbeit von Mitarbeitern eines Standortes in Deutschland. Der entscheidende Faktor für die Performance in der virtuellen Zusammenarbeit ist die virtuelle Nähe – das sagt Stefan Meister, Kopf von intercultures. Ich spreche heute mit Stefan über dieses Konzept der virtuellen Nähe. Was ist das und was kann das?

Stefan, wir können uns ja viel vorstellen unter „virtueller Nähe“, aber was ist das genau? Was ist „virtuelle Nähe“?

Der Ausgangspunkt war die Frage: Was sind Erfolgskriterien virtueller Zusammenarbeit? Wir, also Marcus Hildebrandt und ich, haben uns vor 15 Jahren diese Frage gestellt. Es gab virtuelle Zusammenarbeit, aber wenig Erkenntnisse über die grundlegenden Mechanismen erfolgreicher virtueller Zusammenarbeit. Zu den Pionieren der Erforschung virtueller Zusammenarbeit gehören Jessica Lipnack und Jeffrey Stamps. Wir sind den Weg weiter gegangen und haben in vielen Workshops, auch international, die Menschen nach ihren Erfolgskriterien gefragt. Die häufigste Antwort war: Vertrauen.

Vertrauen ist die Basis, um erfolgreich virtuell zusammen zu arbeiten. Das können wir uns ja auch leicht vorstellen. Es gab damals eine Internationale Vertrauensforschung. Hier werden mindestens 12 Dimensionen von Vertrauen genannt. Da haben wir gezweifelt, ob man Vertrauen verlässlich international so operationalisieren kann, dass Leitlinien für die Praxis abgeleitet werden können.

Da haben wir gesagt: Lass uns doch mal gucken, ob es etwas gibt, was einfacher zu erfassen ist und eine Grundvoraussetzung für Vertrauen sein könnte. Da sind wir auf das Konzept „virtuelle Nähe“ gekommen.

Virtuelle Nähe ist der Grad, in dem Menschen über eine virtuelle Distanz hinweg sich anderen Menschen, einem Team, einem Zweck oder einem Thema verbunden fühlen.

Virtuelle Nähe ist der Grad, in dem Menschen über eine virtuelle Distanz hinweg sich anderen Menschen, einem Team, einem Zweck oder einem Thema verbunden fühlen. Und Menschen haben ein schnelles Verständnis davon, um was es geht. Virtuelle Nähe ist wahrgenommen, ist gefühlt.

Ihr habt dazu ein Buch veröffentlicht, nämlich „Closeness at a Distance: Leading Virtual Groups to High Performance“.

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Ich sehe den Unterschied von virtueller Nähe zu psychologischer Sicherheit darin, dass sich außer den zwischenmenschlichen Dimensionen auch andere Dimensionen in der virtuellen Nähe wiederfinden, z.B. die gefühlte Nähe zu einem Thema – ich kann mich einem Thema nahe fühlen, weil es mich interessiert oder ich sogar dafür brenne.

Ja, und wenn es virtuelle Nähe gibt und die virtuelle Nähe unterschiedlich erlebt wird, dann ist die nächste Frage: In welchen Bereichen kann ich virtuelle Nähe aufbauen? Wir haben in unserer Forschung 20 Dimensionen ermitteln können, die wir in 5 Kategorien organisiert haben.

Die erste Dimension betrifft die räumliche und zeitliche Trennung. Es geht darum, inwieweit die geografische Trennung als Vorteil oder als Nachteil gesehen wird. Finde ich es vorteilhaft, dass wir geografisch verteilt zusammenarbeiten oder hin ich eher davon genervt?

Die zweite Dimension umfasst das klassische Projektmanagement. Haben wir die richtigen Menschen und Erfahrungen im Team? Haben wir gemeinsam unseren Purpose so definiert, dass unser Purpose attraktiv ist? Wenn die richtigen Menschen beisammen sind und wir unseren Purpose als attraktiv wahrnehmen, dann erleben wir mehr virtuelle Nähe.

Der dritte Bereich ist all das, was die organisatorische Seite betrifft. Haben wir Visibility, haben wir Rückhalt vom Management, haben wir alle benötigten Ressourcen? Wenn die organisatorischen Rahmenbedingungen schlecht sind, können andere positiv ausgeprägte Dimensionen der virtuellen Nähe ausgehebelt werden.

Der vierte Bereich ist die „E-Culture“. Inder müssen nicht Deutsche werden und umgekehrt. Wir begeben uns in einen neuen, künstlichen Raum. Und da dieser Raum neu ist, können wir den aushandeln. Den Raum Indien oder den Raum Deutschland können wir nicht aushandeln. Den neuen virtuellen Raum können wir aushandeln und die Inder müssen nicht mehr Inder bleiben und die Deutschen nicht mehr Deutsche. In diesen Bereich gehört die Fragen: Welche Medien wollen wir für welchen Zweck nutzen? Welche Netiquette soll für uns gelten?

Die „E-Culture“ öffnet Freiräume und kann auch helfen, sich von eigenen kulturellen Hintergründen zu lösen. Was wir da sehen, ist eine Globalisierung der Kultur virtueller Zusammenarbeit.

Und der fünfte Bereich ist die Inklusion. Wir meinen damit nicht nur organisatorische oder nationale kulturelle Unterschiede, sondern auch Arbeitsstile, Kommunikationsstile und Feedbackstile. In der Online-Kommunikation passiert es leicht, dass wir Menschen verlieren. Und wir merken das oft zu spät. Die Frage ist also, wie kann ich einem virtuellen Raum mit Menschen, die völlig unterschiedliche Arbeits- und Kommunikationsstile haben, die vorhandene Vielfalt zum Vorteil nutzen?

Also eine Wertschätzung von Diversität in jeglicher Hinsicht. Ich fasse zusammen:

  • Räumliche und zeitliche Trennung
  • Projektmanagement
  • organisatorische Rahmenbedingungen
  • E-Culture
  • Inklusion

Wie können wir denn den Grad der virtuellen Nähe bestimmen?

Wir haben ein psychometrisches Tool aufgesetzt, das heißt im Moment noch „Virtual Performance Assessment“ (VPA®). Das VPA bildet die gefühlte Nähe – das ist wichtig: die gefühlte Nähe – zu den einzelnen Aspekten ab.

Ausgeprägte virtuelle Nähe bedeutet nicht automatisch hohe Leistung.

Es kann durchaus sein, dass die Ergebnisse nicht den Erwartungen der Befragten entsprechen. Zum Beispiel sind die Teammitglieder der Meinung, wir verbringen viel Zeit in synchroner Kommunikation und finden das toll. Es kann aber sein, dass das kontraproduktiv ist, weil wir dafür extrem viel Zeit investieren müssen. Ausgeprägte virtuelle Nähe bedeutet nicht automatisch hohe Leistung. Wir müssen das immer im Zusammenhang sehen. Das ist wie ein System kommunizierender Röhren. Wir haben ja auch nur eine bestimmte Menge an Energie und wenn wir alle sehr viel synchron miteinander kommunizieren, dann kippt wahrscheinlich etwas an der anderen Seite.

Das ist wohl auch typisch für die Phase, in der wir uns befinden. Ich habe den Eindruck, dass wir zu oft versuchen, die gewohnten synchronen Vorgehensweisen der Zusammenarbeit in die virtuelle Welt zu übertragen, wobei die Möglichkeiten der asynchronen Kommunikation nicht ausgeschöpft werden.

Genau. Und wenn wir in der VPA Auswertung sehen oder in Gesprächen hören, es sei doch klar, welche Medien für welchen Zweck eingesetzt werden, dann sagen wir „lasst uns da lieber gemeinsam draufgucken“. Denn wenn den Menschen die Wahl gelassen wird, sagen die meisten „das machen wir alles synchron“. Und das geht eben nicht, die Menschen und Teams werden überlastet. Wir müssen da strategisch rangehen und die Vorteile der synchronen und der asynchronen Kommunikation bewusst nutzen.

Man sollte sich klarmachen, dass bestimmte Handlungen nur synchron durchgeführt werden können, und andere Handlungen besser asynchron durchgeführt werden. Sogenannte divergente Handlungen, zum Beispiel Brainstorming, Fragen stellen oder Kennenlernen können wir auch asynchron durchführen. Da gibt es häufig erstmal Unverständnis nach dem Motto „was, Kennenlernen asynchron?“, aber das sind Dinge, die man auch asynchron machen kann.

Auf der anderen Seite haben wir konvergente Handlungen, zum Beispiel Entscheidungen treffen oder Konflikte lösen, und diese müssen zwingend synchron durchgeführt werden. Es gibt ja nichts schlimmeres, als Konflikte per E-Mail lösen zu wollen.

Ja, das ist aus meiner Sicht eine typische Situation in vielen Unternehmen: Die Tools sind mittlerweile vorhanden und bereitgestellt. Aber die virtuelle Zusammenarbeit ist anders als die gewohnte Zusammenarbeit, es gelten andere Regeln für Effizienz. Und die neuen Vorgehensweisen müssen ausgehandelt werden.

Damit sprichst du weitere Aspekte der virtuellen Nähe an. Das eine ist das „geteilte Führen“, ein großer Erfolgsfaktor für die virtuelle Zusammenarbeit. Und das geteilte Führen ist auch kulturgebunden. Man kann sich vorstellen, dass das Skandinaviern leichter fällt als Indern. Der zweite Faktor ist ebenfalls ganz wichtig, nämlich die Rahmensetzung. Führen heißt Rahmen setzen. Die meisten Führungskräfte haben noch nicht realisiert, dass sie auch und gerade in der virtuellen Welt ständig Rahmen setzen müssen, zum Beispiel was die Einhaltung von Spielregeln betrifft.

Stefan, ganz lieben Dank für die Einblicke, die du mit uns teilst und deine Zeit!